6.3 Einheitswurzeln und zyklische Erweiterungen
Sei \(K\) ein Körper. Sei \(n\in \mathbb N_{{\gt} 0}\).
Ein Element \(\zeta \in K^\times \) heißt eine \(n\)-te Einheitswurzel, wenn \(\zeta ^n = 1\) gilt. Wir bezeichnen mit \(\mu _n(K)\) die Menge der \(n\)-ten Einheitswurzeln in \(K\). Dies ist eine Untergruppe von \(K^\times \).
Ein Element \(\zeta \in K^\times \) heißt primitive \(n\)-te Einheitswurzel, wenn \(\zeta \) als Element der Gruppe \(K^\times \) Ordnung \(n\) hat, wenn also \(\zeta ^n = 1\), aber \(\zeta ^m \ne 1\) für alle \(1\le m {\lt} n\) gilt. Wir bezeichnen mit \(\mu _n^{\text{prim}}(K)\) die Menge der primitiven \(n\)-ten Einheitswurzeln in \(K\).
Die \(n\)-ten Einheitswurzeln in einem Körper \(K\) sind gerade die Nullstellen des Polynoms \(X^n -1\) in \(K\). Es gilt also \(\# \mu _n(K) \le n\), und Gleichheit gilt genau dann, wenn es eine primitive \(n\)-te Einheitswurzel gibt. In diesem Fall zerfällt das Polynom \(X^n-1\) in \(n\) verschiedene Linearfaktoren. Insbesondere kann es in einem Körper positiver Charakteristik \(p\) für \(p\, |\, n\) niemals eine primitive \(n\)-te Einheitswurzel geben (denn die Ableitung von \(X^n -1\) ist in dieser Situation gleich Null).
Die Gruppe \(\mu _n(K)\) ist zyklisch (Satz 2.48). Gibt es in \(K\) eine primitive \(n\)-te Einheitswurzel \(\zeta \), so ist die Abbildung
ein Isomorphismus. (Weil \(\zeta ^n = 1\) gilt, ist der Ausdruck \(\zeta ^i\) wohldefiniert, also unabhängig von der Zahl eines Repräsentanten von \(\mathbb Z\) von \(i\in \left.\mathbb Z\middle /n\right.\).) Dieser Isomorphismus schränkt sich ein zu einer Bijektion zwischen \((\left.\mathbb Z\middle /n\right.)^\times \) und \(\mu _n^{\text{prim}}(K)\), denn diese beiden Teilmengen sind jeweils die Teilmengen derjenigen Elemente, die die gegebene Gruppe erzeugen. Diese Eigenschaft wird unter jedem Gruppenisomorphismus erhalten.
Es gilt \(\mu _n(\mathbb C) = \{ \exp (\frac{2k\pi i}{n});\ k=1,\dots , n\} \). Insbesondere ist \(\exp (\frac{2\pi i}{n})\) eine primitive \(n\)-te Einheitswurzel in \(\mathbb C\).
In der Abbildung sind die siebten Einheitswurzen in \(\mathbb C\) dargestellt.
Körpererweiterungen, die durch Adjunktion einer Einheitswurzel entstehen, nennt man auch zyklotomische Erweiterungen (das Wort »zyklotomisch« kommt aus dem Griechischen und bedeutet »den (Einheits-)Kreis zerteilend«).
Sei \(K\) ein Körper, \(\overline{K}\) ein algebraischer Abschluss von \(K\) und \(\zeta \in \overline{K}\) eine primitive \(n\)-te Einheitswurzel. Dann gilt: Die Erweiterung \(\left.K(\zeta )\middle /K\right.\) ist eine abelsche Galois-Erweiterung. Die Galois-Gruppe ist isomorph zu einer Untergruppe von \((\left.\mathbb Z\middle /n\right.)^\times \).
Nach Voraussetzung ist \(n\) die Ordnung von \(\zeta \) in \(K^\times \), also die kleinste natürliche Zahl \({\gt} 0\) mit \(\zeta ^n=1\). Dann sind \(1, \zeta , \dots , \zeta ^{n-1}\) paarweise verschieden, und daher ist \(X^n-1 =\prod _{i=0}^{n-1}(X-\zeta ^i)\) ein separables Polynom. Offenbar ist \(K(\zeta )\) der Zerfällungskörper dieses Polynoms über \(K\) (in \(\overline{K}\)), also ist \(\left.K(\zeta )\middle /K\right.\) eine Galois-Erweiterung. Für \(\sigma \in \operatorname{Gal}(\left.K(\zeta )\middle /K\right.)\) gilt \(\sigma (\zeta )^n = \sigma (\zeta ^n)=1\), und \(\sigma (\zeta )^m\ne 1\), falls \(0 {\lt} m {\lt} n\) gilt. Also ist \(\sigma (\zeta )\) ebenfalls eine primitive \(n\)-te Einheitswurzel und somit von der Form \(\sigma (\zeta ) = \zeta ^i\) für ein eindeutig bestimmtes \(i\in (\left.\mathbb Z\middle /n\right.)^\times \). Wir betrachten die Abbildung
Weil \(\sigma \) durch das Bild von \(\zeta \) unter \(\sigma \) festgelegt ist, ist diese Abbildung injektiv.
Außerdem handelt es sich bei dieser Abbildung, wie man unmittelbar nachrechnet, um einen Gruppenhomomorphismus. Denn gilt etwa \(\sigma (\zeta ) = \zeta ^i\), \(\tau (\zeta ) = \zeta ^j\), so haben wir
also \(\Phi (\sigma \tau ) = ij = \Phi (\sigma )\Phi (\tau )\). Die Galois-Gruppe \(\operatorname{Gal}(\left.K(\zeta )\middle /K\right.)\) ist also isomorph zu einer Untergruppe der abelschen Gruppe \((\left.\mathbb Z\middle /n\right.)^\times \), und insbesondere selbst abelsch.
Im allgemeinen ist natürlich die Abbildung \(\Phi \) aus dem Beweis des vorherigen Satzes kein Isomorphismus (zum Beispiel ist es ja möglich, dass \(\zeta \in K\) ist). Aber im Fall des Grundkörpers \(\mathbb Q\) ist \(\Phi \) immer ein Isomorphismus, wie der nächste Satz zeigt.
Sei \(K=\mathbb Q\) und \(\zeta \) eine primitive \(n\)-te Einheitswurzel (in einem algebraischen Abschluss von \(\mathbb Q\)). Dann gilt \([\mathbb Q(\zeta ) : \mathbb Q] = \# (\left.\mathbb Z\middle /n\right.)^\times \) und \(\operatorname{Gal}(\left.\mathbb Q(\zeta )\middle /\mathbb Q\right.) \cong (\left.\mathbb Z\middle /n\right.)^\times \).
Es genügt, \([\mathbb Q(\zeta ) : \mathbb Q] = \# (\left.\mathbb Z\middle /n\right.)^\times \) zu zeigen, denn wir wissen ja bereits, dass \(\operatorname{Gal}(\left.\mathbb Q(\zeta )\middle /\mathbb Q\right.)\) zu einer Untergruppe von \((\left.\mathbb Z\middle /n\right.)^\times \) isomorph ist.
Sei \(f =\operatorname{minpol}_{\zeta , \mathbb Q}\). Jede Nullstelle von \(f\) ist (als Bild von \(\zeta \) unter einem geeigneten Automorphismus von \(\mathbb Q(\zeta )\)) eine primitive \(n\)-te Einheitswurzel. Die Behauptung \([\mathbb Q(\zeta ) : \mathbb Q] = \# (\left.\mathbb Z\middle /n\right.)^\times \) ist dazu äquivalent, dass jede primitive \(n\)-te Einheitswurzel eine Nullstelle von \(f\) ist. Wir beginnen mit der folgenden
Behauptung. Ist \(p\) eine zu \(n\) teilerfremde Primzahl, so gilt \(f(\zeta ^p) = 0\).
Begründung. Wir schreiben \(X^n -1 = fg\) mit einem Polynom \(g\), das normiert ist und nach dem Lemma von Gauß (Korollar 3.47) in \(\mathbb Z[X]\) liegt. Angenommen, es wäre \(f(\zeta ^p)\ne 0\). Dann ist also \(\zeta ^p\) eine Nullstelle von \(g\), oder mit anderen Worten \(\zeta \) eine Nullstelle von \(g(X^p)\), und es folgt \(f\, |\, g(X^p)\), weil \(f\) ja gerade das Minimalpolynom von \(\zeta \) ist. Wir können also
für ein Polynom \(h\in \mathbb Q[X]\) schreiben. Mit \(g\) und \(f\) ist dann auch \(h\) normiert und aus Korollar 3.47 folgt, dass auch \(h\) in \(\mathbb Z[X]\) liegt.
Wir wenden nun den Ringhomomorphismus \(\operatorname{red}_p\colon \mathbb Z[X]\to \mathbb F_p[X]\) an, der die Koeffizienten auf ihre Restklasse in \(\mathbb F_p\) abbildet (siehe Abschnitt 3.5). Weil das Bilden der \(p\)-ten Potenz ein Ringhomomorphismus \(\mathbb F_p[X]\to \mathbb F_p[X]\) ist (siehe Beispiel 3.2) und \(a^p=a\) für alle \(a\in \mathbb F_p\) gilt (siehe Satz 5.37), gilt \(\operatorname{red}_p(g(X^p)) = \operatorname{red}_p(g)^p\), wir erhalten also
Aus der ersten Gleichung folgt, dass jede Nullstelle von \(f\) (in einem algebraischen Abschluss von \(\mathbb F_p\)) auch eine Nullstelle von \(\operatorname{red}_p(g)^p\), also auch von \(\operatorname{red}_p(g)\) ist. Aus der zweiten Gleichung folgt damit aber, dass jede Nullstelle von \(\operatorname{red}_p(f)\) eine mehrfache Nullstelle von \(X^n-1\) ist. Aber die Ableitung \(nX^{n-1}\) von \(X^n-1\) hat wegen \(n\ne 0\in \mathbb F_p\) nur \(0\) als Nullstelle, folglich hat das Polynom \(X^n-1\) keine mehrfachen Nullstellen – ein Widerspruch!
Es bleibt nun noch, aus der obigen Behauptung zu folgern, dass jede primitive \(n\)-te Einheitswurzel \(\xi \) eine Nullstelle von \(f\) ist. Aber es gibt dann eine zu \(n\) teilerfremde Zahl \(m\) mit \(\xi =\zeta ^m\), und indem wir \(m\) als Produkt von Primzahlen schreiben, sehen wir, dass wir durch mehrfache Anwendung der Behauptung (auf \(\zeta \) und auf Potenzen von \(\zeta \)) schließlich \(f(\xi )=0\) folgern können.
Mit einem Gradargument (und der Multiplikativität der Eulerschen \(\varphi \)-Funktion, Lemma 2.44) erhält man das folgende Korollar über das Kompositum von Erweiterungskörpern von \(\mathbb Q\), die durch Adjunktion von Einheitswurzeln zu teilerfremden Ordnungen entstehen.
Seien \(m,n\in \mathbb N\) teilerfremde natürliche Zahlen und seien \(\zeta _m\), \(\zeta _n\) bzw. \(\zeta _{mn}\) eine \(m\)-te, \(n\)-te bzw. eine \(mn\)-te primitive Einheitswurzel in einem Erweiterungskörper von \(\mathbb Q\) (zum Beispiel in \(\mathbb C\)). Dann gilt \(\mathbb Q(\zeta _m)\mathbb Q(\zeta _n)=\mathbb Q(\zeta _{mn})\).
Alternativ kann man dieses Korollar direkt, also unabhängig vom Satz, zeigen und erhält dann einen Beweis des obigen Satzes, indem man zunächst den Fall abhandelt, dass \(n\) eine Primzahlpotenz ist (das geht so ähnlich wie der Fall einer Primzahl, für den wir Beispiel 3.55 heranziehen können), und dann die Aussage aus dem Korollar benutzt. Das Korollar direkt zu beweisen, ist nicht sehr schwierig: Die Inklusion \(\mathbb Q(\zeta _m)\mathbb Q(\zeta _n)\subseteq \mathbb Q(\zeta _{mn})\) is offensichtlich. Für die andere Inklusion ist zu zeigen, dass \(\zeta _m\zeta _n\) eine primitive \(mn\)-te Einheitswurzel ist. Aber wenn \((\zeta _m\zeta _n)^r = 1\) gilt, dann ist \(\zeta _m^r = \zeta _n^{-r}\) gleichzeitig eine \(m\)-te und eine \(n\)-te Einheitswurzel, die Ordnung dieses Elements teilt also \(m\) und \(n\). Weil \(m\) und \(n\) teilerfremd sind, folgt \(\zeta _m^r = \zeta _n^r = 1\) und damit \(mn\mid r\). (Noch eine andere Möglichkeit liefert die algebraische Zahlentheorie mit der sogenannten Verzweigungstheorie.)
Der Beweis von Satz 6.22 zeigt, dass \(\Phi = \prod _\xi (X-\xi )\) ist, wobei das Produkt über alle primitiven \(n\)-ten Einheitswurzeln \(\xi \) (in einem algebraischen Abschluss von \(\mathbb Q\)) gebildet wird. Insbesondere gilt \(\deg (\Phi _n) = \# (\left.\mathbb Z\middle /n\right.)^\times \).
Für alle \(n\in \mathbb N_{{\gt} 0}\) gilt \(\Phi _n\in \mathbb Z[X]\).
Es gilt
\[ X^n-1 = \prod _{d\, |\, n} \Phi _d, \]wobei das Produkt über alle positiven Teiler \(d\) von \(n\) gebildet wird.
Sei \(K\) ein Körper, in dem \(n\) eine Einheit ist, und \(z\in K\) eine Nullstelle von \(\Phi _n\). Dann ist \(z\) eine primitive \(n\)-te Einheitswurzel in \(K\).
zu (1). Das Polynom \(\Phi _n\) ist ein Teiler von \(X^n-1\) und ist normiert, daher folgt die Behauptung aus Korollar 3.47.
zu (2). Das Polynom \(X^n-1\) ist (in \(\mathbb C\)) das Produkt über alle Linearfaktoren \(X-\xi \), \(\xi \in \mu _n(\mathbb C)\). Jedes solche \(\xi \) ist eine primitive \(\operatorname{ord}(\xi )\)-te Einheitswurzel, und \(\operatorname{ord}(\xi )\, |\, n\). Daraus folgt die Behauptung.
zu (3). Ist \(z\) eine Nullstelle von \(\Phi _n\), so wegen Teil (2) auch von \(X^n-1\), es gilt also \(z^n =1\). Sei \(d\) die Ordnung von \(z\) in \(K^\times \). Wir wollen zeigen, dass \(d=n\) gilt. Jedenfalls ist \(d\) ein Teiler von \(n\). Weil \(z\) eine Nullstelle von \(X^d-1\) ist, folgt mit Teil (2), nun auf \(X^d-1\) angewandt, dass \(z\) Nullstelle eines Polynoms \(\Phi _{d'}\) mit \(d' \, |\, d\) ist. Weil \(X^n-1\) wegen der Voraussetzung \(n\in K^\times \) separabel ist, kann \(z\) aber keine mehrfache Nullstelle von \(X^n-1\) sein, es muss also \(d' = n\) und damit insbesondere \(d=n\) gelten.
Für eine Primzahl \(p\) gilt \(\Phi _p = X^{p-1} + \cdots + X +1\), denn dieses Polynom ist irreduzibel (Beispiel 3.55) und ist gleich \((X^p-1)/(X-1)\).
Mit Teil (2) des vorherigen Satzes kann man die Kreisteilungspolynome induktiv durch Polynomdivision berechnen. Zum Beispiel:
Übungen: Ist \(p\) eine Primzahl und \(r \ge 1\), so gilt \(\Phi _{p^r} = (X^{p^r}-1)/(X^{p^{r-1}}-1) = \Phi _p(X^{p^{r-1}})\). Ist \(n {\gt} 1\) ungerade, so gilt \(\Phi _{2n}(-X) = \Phi _n(X)\).
Die kleinste Zahl \(n\), für die \(\Phi _n\) Koeffizienten mit Absolutbetrag \({\gt} 1\) hat, ist \(n=105\). (Diese Eigenschaft über den Betrag der Koeffizienten ist dazu äquivalent, dass \(n\) mindestens drei verschiedene ungerade Primfaktoren hat, siehe T. Y. Lam, K. H. Cheung, On the cyclotomic polynomial \(\Phi _{pq}(T)\), Amer. Math. Monthly 103 (1996), 562–564.
Wir können nun zyklische Erweiterungen \(\left.L\middle /K\right.\) vom Grad \(n\) beschreiben, sofern \(K\) eine primitive \(n\)-te Einheitswurzel enthält.
Seien \(n\in \mathbb N_{{\gt} 1}\) und \(K\) ein Körper, der eine primitive \(n\)-te Einheitswurzel \(\zeta \) enthält. Sei \(\left.L\middle /K\right.\) eine Körpererweiterung.
Wenn \(L = K(\alpha )\) gilt für ein Element \(\alpha \in L\), das Nullstelle eines Polynoms der Form \(X^n - c\) mit \(c\in K\) ist, dann ist \(\left.L\middle /K\right.\) eine zyklische Galois-Erweiterung. Der Grad \(d:=[L:K]\) ist ein Teiler von \(n\), es gilt \(\alpha ^d\in K\) und \(X^d - \alpha ^d\) ist das Minimalpolynom von \(\alpha \) über \(K\).
Wenn die Erweiterung \(\left.L\middle /K\right.\) zyklisch vom Grad \(n\) ist, dann existiert \(\alpha \in L\), so dass \(L=K(\alpha )\) ist und das Minimalpolynom von \(\alpha \) über \(K\) die Form \(\operatorname{minpol}_{\alpha , K}=X^n - c\) für ein \(c\in K\) hat.
zu (1). Es gilt \(X^n -c = \prod _{i=0}^n (X-\zeta ^i\alpha )\), denn mit \(\alpha \) ist offenbar auch \(\zeta ^i\alpha \) für alle \(i\) eine Nullstelle von \(X^n-c\). Also ist \(K(\alpha )\) der Zerfällungskörper des separablen Polynoms \(X^n-c\) und daher eine Galois-Erweiterung.
Für jedes Element \(\sigma \in \operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)\) ist \(\sigma (\alpha )\) eine Nullstelle von \(X^n-c\), also von der Form \(\zeta ^i\alpha \) für ein eindeutig bestimmtes \(i\in \left.\mathbb Z\middle /n\right.\). Wir können also die Abbildung
betrachten. Diese ist ein Gruppenhomomorphismus, denn
wobei wir benutzt haben, dass \(\zeta \in K\) ist und \(\zeta \) deshalb von allen Galois-Automorphismen fixiert wird. Weil ein \(K\)-Homomorphismus \(K(\alpha )\to K(\alpha )\) durch das Bild von \(\alpha \) eindeutig festgelegt ist, ist \(\Phi \) injektiv. Es folgt, dass \(\operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)\) zu einer Untergruppe von \(\left.\mathbb Z\middle /n\right.\) isomorph ist, und insbesondere folgt, dass \(\operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)\) zyklisch ist (Satz 2.41) und dass \(d = [K(\alpha ):K] \, |\, n\) gilt.
Weil für alle \(\sigma \in \operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)\) gilt, dass \(\sigma (\alpha ^d) = \sigma (\alpha )^d = \zeta ^{d\Phi (\sigma )}\alpha ^d = \alpha ^d\) ist (denn \(\Phi (\sigma )\) liegt ja in der \(d\)-elementigen Untergruppe von \(\left.\mathbb Z\middle /n\right.\) und wird daher von \(d\) annuliert), gilt \(\alpha ^d\in K\).
Es ist also \(\alpha \) eine Nullstelle des Polynoms \(X^d-\alpha ^d\in K[X]\). Weil dieses Grad \(d=[K(\alpha ):K]\) hat, handelt es sich um das Minimalpolynom von \(\alpha \).
zu (2). Sei \(\sigma \) ein Erzeuger von \(\operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)\). Wir betrachten \(\sigma \) als \(K\)-Vektorraum-Isomorphismus \(L\stackrel{\sim }{\smash {\longrightarrow }\rule{0pt}{0.4ex}}L\). Aus \(\sigma ^n = \operatorname{id}\) folgt \(\operatorname{minpol}_\sigma \, |\, (X^n-1)\) (hier ist \(\operatorname{minpol}_\sigma \) das Minimalpolynom von \(\sigma \) im Sinne der Linearen Algebra). Weil \(X^n-1\) in \(K[X]\) in \(n\) verschiedene Linearfaktoren zerfällt, ist \(\sigma \) über \(K\) diagonalisierbar (Korollar LA2.16.29).
Behauptung. Es gilt \(\operatorname{minpol}_\sigma = X^n-1\).
Begründung. Die Abbildung \(\sigma \) ist als Ringhomomorphismus verträglich mit der Multiplikation von \(L\). Deshalb ist die Menge der Eigenwerte von \(\sigma \) eine Untergruppe von \(K^\times \). Denn sind \(\lambda ,\mu \in K\) Eigenwerte mit zugehörigen Eigenvektoren \(v, w\in L\), dann gilt
also ist auch \(\lambda \mu \) ein Eigenwert von \(\sigma \). Außerdem gilt
und wir sehen so, dass auch \(\lambda ^{-1}\) ein Eigenwert von \(\sigma \) ist. Weil \(\sigma \) diagonalisierbar ist, ist die Menge der Eigenwerte nicht leer.
Genauer ist die Menge der Eigenwerte von \(\sigma \) eine Untergruppe der zyklischen Gruppe \(\mu _n(K)\), also von der Form \(\mu _d(K)\) für einen Teiler \(d\) von \(n\). Es folgt dann (weil \(\sigma \) diagonalisierbar ist), dass \(\sigma ^d = \operatorname{id}\) gilt. Weil \(\sigma \) die Gruppe \(\operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)\) mit \(n\) Elementen erzeugt, folgt \(d=n\). Die Behauptung ist damit bewiesen.
Daher ist insbesondere die primitive \(n\)-te Einheitswurzel \(\zeta \) ein Eigenwert von \(\sigma \), es existiert also \(\alpha \in L\) mit \(\sigma (\alpha ) = \zeta \alpha \) und allgemeiner \(\sigma ^i(\alpha ) = \zeta ^i\alpha \). Wir sehen damit, dass alle Elemente \(\zeta ^i\alpha \), \(i=0,\dots , n-1\), Nullstellen von \(\operatorname{minpol}_{\alpha , K}\) sind. Es folgt \(\deg (\operatorname{minpol}_{\alpha , K})=n\) und damit \(L=K(\alpha )\). Außerdem ist \(c := \alpha ^n\in K\), denn \(\sigma (\alpha ^n) = \zeta ^n\alpha ^n =\alpha ^n\). Weil das Polynom \(X^n-c\in K[X]\) Grad \(n=[K(\alpha ):K]\) und \(\alpha \) als Nullstelle hat, handelt es sich hierbei um das Minimalpolynom von \(\alpha \).
Es gibt mehrere andere Möglichkeiten, im Beweis von Teil (2) des obigen Satzes zu zeigen, dass \(\zeta \) ein Eigenwert von \(\sigma \) ist.
Aus dem Satz über die lineare Unabhängigkeit von Charakteren folgt, dass die (paarweise verschiedenen) Abbildungen \(\operatorname{id}, \sigma , \sigma ^2, \dots , \sigma ^{n-1}\) linear unabhängig sind. Also muss das Minimalpolynom von \(\sigma \) mindestens Grad \(n\) haben. Weil \(\sigma ^n=\operatorname{id}\) ist, folgt \(\operatorname{minpol}_{\sigma } = X^n-1\), also ist \(\zeta \) eine Nullstelle von \(\operatorname{minpol}_\sigma \) und daher ein Eigenwert von \(\sigma \).
Mit Hilberts Satz 90 (Satz 6.16) kann man folgendermaßen argumentieren: Es gilt \(N_{\left.L\middle /K\right.}(\zeta ) = \zeta ^n = 1\), also existiert \(\alpha \in L\) mit \(\zeta = \alpha /\sigma (\alpha )\).
Der Satz von Kronecker und Weber ist das folgende Theorem über abelsche Galois-Erweiterungen von \(\mathbb Q\). Der Beweis ist nicht leicht, so dass wir ihn hier auslassen. Der Satz gehört in den Kontext der (globalen) Klassenkörpertheorie, die noch präziser die abelschen Erweiterungen von \(\mathbb Q\) und von endlichen Erweiterungskörpern von \(\mathbb Q\) beschreibt. (Für \(E\ne \mathbb Q\) ist es allerdings nicht ausreichend, Einheiswurzeln zu adjungieren, um alle abelschen Erweiterungen von \(E\) als Zwischenkörper zu erhalten.)
Sei \(\left.K\middle /\mathbb Q\right.\) eine abelsche endliche Galois-Erweiterung (die Zwischenkörper von einem fixierten algebraischen Abschluss \(\overline{K}\) von \(K\) ist). Dann existiert eine Einheitswurzel \(\zeta \in \overline{K}\) mit \(K\subseteq \mathbb Q(\zeta )\).
Den Satz kann man sehr konkret interpretieren: Ist \(\left.K\middle /\mathbb Q\right.\) abelsch und \(\alpha \in K\), dann existieren \(n\in \mathbb N\), eine \(n\)-te Einheitswurzel \(\zeta \) und rationale Zahlen \(a_i\), \(i=0,\dots , n-1\) mit \(\alpha = \sum _{i=0}^{n-1} a_i\zeta ^i\).
Sei \(p\) eine Primzahl und \(n\in \mathbb N\) eine natürliche Zahl, die nicht von \(p\) geteilt wird. Sei \(\zeta \) eine primitive \(n\)-te Einheitswurzel in einem algebraischen Abschluss von \(\mathbb F_p\). Sei \(\Phi \colon \operatorname{Gal}(\left.\mathbb F_p(\zeta )\middle /\mathbb F_p\right.) \to (\left.\mathbb Z\middle /n\right.)^\times \) der injektive Gruppenhomomorphismus aus Satz 6.21.
Dann ist \(\operatorname{Im}(\Phi )\) die Untergruppe von \((\left.\mathbb Z\middle /n\right.)^\times \), die von der Restklasse von \(p\) in \((\left.\mathbb Z\middle /n\right.)^\times \) erzeugt wird.
Sei \(q = \# \mathbb F_p(\zeta ) = p^r\), \(r\in \mathbb N_{{\gt} 0}\). Wir wissen bereits (Satz 5.40, Beispiel 5.46), dass \(\left.\mathbb F_p(\zeta )\middle /\mathbb F_p\right.\) als Erweiterung endlicher Körper eine zyklische endliche Galois-Erweiterung ist.
Die Galois-Gruppe \(\operatorname{Gal}(\left.\mathbb F_p(\zeta )\middle /\mathbb F_p\right.)\) wird erzeugt vom Frobenius-Automorphismus \(\operatorname{Frob}\colon \mathbb F_p(\zeta )\to \mathbb F_p(\zeta )\), \(x\mapsto x^p\). Dieser wird unter \(\Phi \) auf die Restklasse von \(p\) in \((\left.\mathbb Z\middle /n\right.)^\times \) abgebildet.
Insbesondere ist also in der Situation des Satzes der Grad \([\mathbb F_p(\zeta ):\mathbb F_p]\) gleich der Ordnung von \(p\) in \((\left.\mathbb Z\middle /n\right.)^\times \).
Ein analoges Ergebnis gilt, wenn man \(\mathbb F_p\) durch einen beliebigen endlichen Körper (und die Restklasse von \(p\) durch die Restklasse von \(\# K\)) ersetzt.
Wenn in der obigen Situation \(\zeta \in \mathbb F_p\) liegt, wenn also der Körper \(\mathbb F_p\) selbst eine primitive \(n\)-te Einheitswurzel enthält, gilt \(p\equiv 1\mod n\). Die Aussage dieses Spezialfalls folgt auch direkt daraus, dass für \(\zeta \in \mathbb F_p\) gelten muss, dass \(\zeta ^{p-1}=1\) ist, also dass \(n\, |\, p-1\). Aus dieser Beobachtung erhalten wir das folgende Korollar.
Sei \(n\in \mathbb N_{{\gt} 0}\). Es gibt unendlich viele Primzahlen \(p\), für die \(p\equiv 1\mod n\) gilt.
Nach dem vorherigen Satz ist es äquivalent zu zeigen, dass unendlich viele Primzahlen \(p\) existieren, für die \(\mathbb F_p\) eine primitive \(n\)-te Einheitswurzel enthält. Wegen Satz 6.25 folgt die Aussage aus dem folgenden Lemma, angewandt auf das \(n\)-te Kreisteilungspolynom \(\Phi _n\). (Die endlich vielen Primteiler von \(n\) können wir ohne Einschränkung von der Betrachtung ausnehmen.)
Sei \(f\in \mathbb Z[X]\) ein nicht-konstantes Polynom. Dann existieren unendlich viele Primzahlen \(p\), für die \(f\) in \(\mathbb F_p\) eine Nullstelle hat.
Im Beweis argumentieren wir analog zur folgenden Variante von Euklids Beweis, dass es unendlich viele Primzahlen gibt (Satz LA1.3.6): Für \(k\in \mathbb N\), \(k {\gt} 1\), wird \(k!+1\) von einer Primzahl \(p\) geteilt, und diese muss größer als \(k\) sein (sonst gälte auch \(p\, |\, k!\) und damit \(p|\, |\, 1\)). Also gibt es zu jeder natürlichen Zahl Primzahlen, die größer als \(k\) sind.
Sei \(a = f(0)\) der konstante Term von \(f\). Falls \(a=0\) gilt, ist \(0\) eine Nullstelle von \(f\) in jedem Körper. Sei nun \(a\ne 0\). Wir schreiben \(f = Xg + a\) mit \(g\in \mathbb Z[X]\). Sei \(k\in \mathbb N\) so groß, dass \(\lvert f(a k!)\rvert {\gt} \lvert a\rvert \) gilt. (Weil \(f\) nicht konstant ist, gilt das für alle hinreichend großen \(k\).) Es gilt
Weil \(\lvert f(a k!)\rvert {\gt} \lvert a\rvert \) ist, ist \(\lvert k!g(a k!) + 1\rvert {\gt} 1\), und jeder Primteiler \(p\) von \(k!g(a k!) + 1\) ist ein Teiler von \(f(a k!)\) (also ist die Restklasse von \(a k!\) eine Nullstelle von \(f\) in \(\mathbb F_p\)), der zu \(k!\) teilerfremd und daher größer als \(k\) ist.
Es ist ein berühmter Satz von Dirichlet, dass für jedes Paar teilerfremde natürlicher Zahlen \(m,n\) unendlich viele Primzahlen \(p\) mit \(p\equiv m\mod n\) existieren. Das Korollar ist der Spezialfall \(m=1\). Der allgemeine Fall ist schwieriger zu beweisen. (Siehe zum Beispiel [ Se ] .)
Übung. Folgern Sie aus dem Korollar, dass es für jedes \(n\in \mathbb N_{{\gt} 0}\) eine Galois-Erweiterung \(\left.L\middle /\mathbb Q\right.\) gibt, deren Galois-Gruppe isomorph ist zur Gruppe \(\left.\mathbb Z\middle /n\right.\).