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2.4 Zyklische Gruppen

Definition 2.38

Eine Gruppe \(G\) heißt zyklisch, wenn ein Element \(g\in G\) existiert, das die Gruppe \(G\) erzeugt, mit anderen Worten, so dass

\[ G=\langle g\rangle = \{ g^i;\ i\in \mathbb Z\} . \]

Offenbar ist jede zyklische Gruppe kommutativ. Die Umkehrung ist aber nicht richtig (überlegen Sie sich ein Beispiel!).

Beispiel 2.39
  1. Die (additiven) Gruppen \(\mathbb Z\) und \(\left.\mathbb Z\middle /n\right.\), \(n\in \mathbb N_{{\gt} 0}\), sind zyklisch. (Und wir sehen unten, dass jede zyklische Gruppe zu einer dieser Gruppen isomorph ist.)

  2. Sei \(G\) irgendeine Gruppe und \(g\in G\). Dann ist \(\langle g\rangle = \{ g^i;\ i\in \mathbb Z\} \) eine zyklische Untergruppe von \(G\). Insbesondere besitzt jede nicht-triviale Gruppe eine nicht-triviale zyklische Untergruppe.

  3. Seien \(p\) eine Primzahl und \(G\) eine Gruppe mit \(p\) Elementen. Dann ist \(G\) zyklisch. (Jedes Element \(g\ne 1\) ist ein Erzeuger von \(G\), da \(\operatorname{ord}(g)\) ein Teiler von \(p\) ist.)

Satz 2.40

Sei \(G\) eine Gruppe. Dann sind äquivalent:

  1. die Gruppe \(G\) ist zyklisch,

  2. es gibt einen surjektiven Gruppenhomomorphismus \(\mathbb Z\to G\),

  3. \(G\) ist isomorph zu einer der Gruppen

    1. \(\mathbb Z\),

    2. \(\left.\mathbb Z\middle /n\right.\) für \(n\ge 1\).

Beweis

Die Äquivalenz von (i) und (ii) ist einfach: Für \(G=\{ g^i;\ i\in \mathbb Z\} \) ist \(\mathbb Z\to G\), \(i\mapsto g^i\) ein surjektiver Gruppenhomomorphismus. Ist andererseits \(G\) eine Gruppe, für die ein surjektiver Gruppenhomomorphismus \(\varphi \colon \mathbb Z\to G\) existiert, so gilt \(G=\langle \varphi (1)\rangle \).

Aus (ii) folgt (iii), denn ist \(f\colon \mathbb Z\to G\) ein surjektiver Gruppenhomomorphismus, so impliziert der Homomorphiesatz, dass \(G\cong \mathbb Z/\operatorname{Ker}(f)\) ist, und die einzigen Untergruppen von \(\mathbb Z\) sind die Mengen der Form \(n\mathbb Z\) mit \(n\in \mathbb Z\), und dabei können wir ohne Einschränkung \(n\in \mathbb N\) wählen. (Siehe Beispiel 2.20.)

Andererseits sind offenbar die in (iii) genannten Gruppen sämtlich zyklisch, sie werden erzeugt von (der Restklasse von) \(1\).

Satz 2.41

Untergruppen und Quotienten von zyklischen Gruppen sind zyklisch. Insbesondere gilt: Ist \(\varphi \colon G\to H\) ein Gruppenhomomorphismus und ist \(G\) zyklisch, so sind \(\operatorname{Ker}(\varphi )\) und \(\operatorname{Im}(\varphi )\) zyklisch.

Beweis

Mit Charakterisierung (ii) in Satz 2.40 ist klar, dass Quotienten zyklischer Gruppen zyklisch sind. Ist \(G\) zyklisch, \(\varphi \colon \mathbb Z\to G\) ein surjektiver Gruppenhomomorphismus und \(H\subseteq G\) eine Untergruppe, so ist \(\varphi ^{-1}(H)\to H\) ein surjektiver Gruppenhomomorphismus, und \(\varphi ^{-1}(H)\) ist entweder die triviale Gruppe oder isomorph zu \(\mathbb Z\). In beiden Fällen folgt, dass \(H\) zyklisch ist. Der Zusatz folgt aus dem ersten Teil.

Satz 2.42
  1. Die Elemente von \(\mathbb Z\), die (jeweils) diese Gruppe erzeugen, sind \(1\) und \(-1\).

  2. Sei nun \(n\in \mathbb N_{{\gt} 0}\) und \(r\in \mathbb Z\). Dann sind äquivalent:

    1. die Restklasse von \(r\) ist ein Erzeuger der Gruppe \(\left.\mathbb Z\middle /n\right.\),

    2. die Restklasse von \(r\) ist eine Einheit im Ring \(\left.\mathbb Z\middle /n\right.\),

    3. die Zahlen \(r\) und \(n\) sind teilerfremd (haben also größten gemeinsamen Teiler \(1\)).

Beweis

Teil (1) ist unmittelbar klar. Zu (2): Die Restklasse von \(r\) ist genau dann ein Erzeuger von \(\left.\mathbb Z\middle /n\right.\), wenn (die Restklasse von) \(1\) in ihrem Erzeugnis liegt, also wenn \(a, b\in \mathbb Z\) existieren mit \(ar+bn = 1\). Das ist dazu äquivalent, dass \(r\) eine Einheit in \(\left.\mathbb Z\middle /n\right.\) ist und auch dazu dass \(r\) und \(n\) teilerfremd sind (siehe auch Satz LA1.4.16).

Definition 2.43 Eulersche \(\varphi \)-Funktion

Die Eulersche \(\varphi \)-Funktion ist die Abbildung

\[ \varphi \colon \mathbb N_{{\gt} 0} \to \mathbb N_{{\gt} 0}, \quad n\mapsto \# (\left.\mathbb Z\middle /n\right.)^\times , \]

mit anderen Worten die Abbildung, für die \(\varphi (n)\) die Anzahl der zu \(n\) teilerfremden Zahlen zwischen \(1\) und \(n\) ist.

Wir geben einige leicht zu beweisende Eigenschaften der Eulerschen \(\varphi \)-Funktion an. Die Eigenschaften (1) und (2) erlauben es, die Werte von \(\varphi \) für jede (nicht allzu große) natürliche Zahl einigermaßen aufwandslos zu berechnen. Eigenschaft (3) werden wir im Beweis von Theorem 2.47 für ein trickreiches Abzählargument benutzen.

Lemma 2.44 Eigenschaften der Eulerschen \(\varphi \)-Funktion
  1. Sind \(m, n\in \mathbb N_{{\gt} 0}\) teilerfremd, so gilt \(\varphi (mn) = \varphi (m)\varphi (n)\).

  2. Ist \(p\) eine Primzahl und \(r\in \mathbb N_{{\gt} 0}\), so gilt \(\varphi (p^r) = p^{r-1}(p-1)\).

  3. Für alle \(n\in \mathbb N_{{\gt} 0}\) gilt

    \[ \sum _{1\le d\le n,\ d\, |\, n} \varphi (d) = n. \]

Beweis

zu (1). Seien \(m\) und \(n\) teilerfremd. Der Chinesische Restsatz (Satz LA2.15.61, Satz LA2.18.36, siehe auch Satz 15.61 unten) liefert uns, dass der Ringhomomorphismus

\[ \left.\mathbb Z\middle /mn\right.\to \left.\mathbb Z\middle /m\right.\times \left.\mathbb Z\middle /n\right.,\quad a \mapsto (a,a), \]

wobei wir die Restklasse von \(a\in \mathbb Z\) in \(\left.\mathbb Z\middle /mn\right.\), \(\left.\mathbb Z\middle /m\right.\) und \(\left.\mathbb Z\middle /n\right.\) jeweils einfach wieder mit \(a\) bezeichnen, ein Isomorphismus ist. Dieser induziert einen Isomorphismus

\[ (\left.\mathbb Z\middle /mn\right.)^\times \to (\left.\mathbb Z\middle /m\right.)^\times \times (\left.\mathbb Z\middle /n\right.)^\times , \]

und wegen \(\varphi (n) = \# (\left.\mathbb Z\middle /n\right.)^\times \) (und entsprechend für \(m\) und \(n\)) erhalten wir die Behauptung.

zu (2). Es ist klar, dass \(\varphi (p) = p-1\) für jede Primzahl \(p\) gilt. Auch für eine Primzahlpotenz \(p^r\) ist das Abzählen relativ leicht, weil eine Zahl \(a\) zwischen \(1\) und \(p^r-1\) genau dann zu \(p^r\) teilerfremd ist, wenn Sie nicht durch \(p\) teilbar ist. Die durch \(p\) teilbaren Zahlen sind \(p\), …, \(p^r-p\), und dies sind genau \(p^{r-1}-1\) Zahlen, es folgt also

\[ \varphi (p^r) = p^r-1 - (p^{r-1}-1) = p^{r-1}(p-1). \]

zu (3). Sei \(n\in \mathbb N_{{\gt} 0}\). Wir betrachten die zyklische Gruppe \(\left.\mathbb Z\middle /n\right.\).

Behauptung. Sei \(d\) ein Teiler von \(n\). Dann haben genau \(\varphi (d)\) Elemente von \(\left.\mathbb Z\middle /n\right.\) die Ordnung \(d\).

Bevor wir die Behauptung zeigen, begründen wir, dass daraus die gewünschte Aussage folgt. Denn \(\left.\mathbb Z\middle /n\right.\) hat \(n\) Elemente, und jedes Element hat als Ordnung einen Teiler von \(n\). Indem wir die Elemente von \(\left.\mathbb Z\middle /n\right.\) also »gemäß ihrer Ordnung als Gruppenelement sortiert« zählen, erhalten wir die Summendarstellung von \(n\) aus dem Lemma.

Begründung. Dass die Restklasse von \(r\in \mathbb Z\) in \(\left.\mathbb Z\middle /n\right.\) eine Untergruppe mit \(d\) Elementen erzeugt, ist dazu äquivalent, dass \(rd\) durch \(n\) teilbar ist, aber \(rd'\) für jeden echten Teiler \(d'\) von \(d\) nicht durch \(n\) teilbar ist, oder mit anderen Worten, dass \(r \equiv a\frac nd\mod n\) für ein \(a\in \{ 1, \dots , d-1\} \) ist, das zu \(d\) teilerfremd ist. Es gibt also genau \(\varphi (d)\) solcher Elemente.

Korollar 2.45

Sei \(G\) eine zyklische Gruppe der Ordnung \(n\). Dann enthält \(G\) genau \(\varphi (n)\) Elemente der Ordnung \(=n\), mit anderen Worten: genau \(\varphi (n)\) Elemente, die jeweils die Gruppe \(G\) erzeugen.

Beispiel 2.46

Sei \(G\) eine Gruppe, die nicht die triviale Gruppe ist und derart dass \(\{ 1\} \) und \(G\) die einzigen Untergruppen von \(G\) sind. Dann ist \(G\) zyklisch von Primzahlordnung.

In der Tat ist klar, dass \(G\) zyklisch ist, denn für \(g\in G\), \(g\ne 1\), ist \(\langle g\rangle \) eine nichttriviale Untergruppe von \(G\), nach Voraussetzung also \(=G\). Wäre \(\operatorname{ord}(g)\) keine Primzahl und etwa \(d\) ein echter Teiler von \(\operatorname{ord}(g)\), so wäre \(\langle g^d\rangle \) eine echte Untergruppe von \(G\).

Theorem 2.47

Sei \(G\) eine endliche Gruppe. Dann sind äquivalent:

  1. die Gruppe \(G\) ist zyklisch,

  2. zu jedem Teiler \(d\) der Gruppenordnung \(\# G\) existiert genau eine Untergruppe \(H\subseteq G\) mit \(d\) Elementen,

  3. zu jedem Teiler \(d\) der Gruppenordnung \(\# G\) existiert höchstens eine Untergruppe \(H\subseteq G\) mit \(d\) Elementen,

  4. für jeden Teiler \(d\) der Gruppenordnung \(\# G\) gilt

    \[ \# \{ x\in G;\ x^d = 1\} = d, \]
  5. für jeden Teiler \(d\) der Gruppenordnung \(\# G\) gilt

    \[ \# \{ x\in G;\ x^d = 1\} \le d, \]
  6. für jeden Teiler \(d\) der Gruppenordnung \(\# G\) gilt

    \[ \# \{ x\in G;\ \operatorname{ord}(x) = d\} = \varphi (d), \]
  7. für jeden Teiler \(d\) der Gruppenordnung \(\# G\) gilt

    \[ \# \{ x\in G;\ \operatorname{ord}(x) = d\} \le \varphi (d). \]

Beweis

(i) \(\Rightarrow \) (ii). Ist \(G\) eine endliche zyklische Gruppe, die von einem Element \(g\in G\) erzeugt wird und ist \(d\) ein Teiler von \(n:=\# G\), so ist \(\langle g^{n/d}\rangle \) eine Untergruppe von \(G\) mit \(d\) Elementen.

Ist andererseits \(H\) eine Untergruppe von \(G\) mit \(d\) Elementen, so hat der Quotient \(G/H\) genau \(\frac nd\) Elemente, und es folgt \(g^{n/d}\in H\). Weil wir bereits wissen, dass \(\# \langle g^{n/d}\rangle = d\) gilt, folgt die Gleichheit.

Die Implikationen (ii) \(\Rightarrow \) (iii), (iv) \(\Rightarrow \) (v) und (vi) \(\Rightarrow \) (vii) sind klar.

(iii) \(\Rightarrow \) (vii). Ist \(x\) ein Element mit \(\operatorname{ord}(x) = d\), so gilt also \(\# \langle x\rangle = d\), und die (zyklische) Gruppe \(\langle x\rangle \) enthält \(\varphi (d)\) Elemente der Ordnung \(=d\) (die alle diese Gruppe erzeugen). Gäbe es mehr als \(\varphi (d)\) Elemente der Ordnung \(d\), so könnten diese nicht alle in der Untergruppe \(\langle x\rangle \) liegen. Da es höchstens eine Untergruppe der Ordnung \(d\) gibt, ist das unmöglich. Dasselbe Argument zeigt auch die Implikation (v) \(\Rightarrow \) (vii).

(vii) \(\Rightarrow \) (vi) \(\Rightarrow \) (i). Wir haben in Lemma 2.44 gesehen, dass \(\sum _{d\, |\, n}\varphi (n) = n\) gilt (wobei über alle positiven Teiler von \(n\) summiert werde). Da jedes Element von \(G\) als Ordnung einen Teiler der Gruppenordnung hat, kann (vii) nur gelten, wenn für jedes \(d\) Gleichheit gilt (also (vi) gilt), und dann existieren insbesondere Elemente der Ordnung \(n = \# G\), also Elemente die \(G\) erzeugen.

Für die Implikation (i) \(\Rightarrow \) (iv) genügt es, die (additive) Gruppe \(\left.\mathbb Z\middle /n\right.\) zu betrachten, und hier sind genau die Restklassen von \(0, \frac nd, \dots , (d-1)\frac nd\) die Elemente \(x\) mit \(dx = 0\).

Aus dem Theorem erhalten wir leicht den folgenden interessanten Satz, der für uns später noch nützlich sein wird.

Satz 2.48

Sei \(K\) ein Körper und sei \(G\subseteq K^\times \) eine endliche Untergruppe. Dann ist \(G\) zyklisch.

Beweis

Sei \(n = \# G\) und sei \(d\) ein Teiler von \(n\). Alle Elemente \(x\in G\) mit \(x^d = 1\) sind dann Nullstellen des Polynoms \(X^d - 1\). Wir wissen, dass dieses Polynom in \(K\) höchstens \(d\) Nullstellen hat. Die Bedingung (v) in Theorem 2.47 ist also erfüllt und es folgt, dass \(G\) zyklisch ist.

Korollar 2.49

Sei \(K\) ein endlicher Körper. Dann ist die Gruppe \(K^\times \) zyklisch.

Für einen anderen, etwas direkteren Beweis des Satzes siehe Theorem LA1.8.60. Siehe auch die sich dort anschließende Bemerkung über die Vermutung von E. Artin, dass (zum Beispiel) die Restklasse von \(2\) für unendlich viele \(p\) ein Erzeuger der Gruppe \(\mathbb F_p^\times \) ist.

Man beachte aber, dass für allgemeines \(n\) die Gruppe \((\left.\mathbb Z\middle /n\right.)^\times \) nicht zyklisch ist, zum Beispiel ist \((\left.\mathbb Z\middle /8\right.)^\times \cong \left.\mathbb Z\middle /2\right.\times \left.\mathbb Z\middle /2\right.\) (wobei natürlich links die Multiplikation und rechts die Addition die Gruppenstruktur geben).

Ergänzung 2.50 Primitivwurzeln modulo \(n\)

Von Gauß wurde der folgende Satz bewiesen, der die Frage klärt, für welche \(n {\gt} 1\) die Gruppe \((\left.\mathbb Z\middle /n\right.)^\times \) zyklisch ist. (Einen Erzeuger dieser Gruppe nennt man eine Primitivwurzel modulo \(n\).)

Satz 2.51

Sei \(n\in \mathbb N_{{\gt} 1}\). Die Gruppe \((\left.\mathbb Z\middle /n\right.)^\times \) ist genau dann zyklisch, wenn \(n\) eine der Zahlen der folgenden Liste ist:

  1. \(n=2\),

  2. \(n=4\),

  3. \(n = p^r\) für eine Primzahl \(p {\gt} 2\) und \(r\ge 1\),

  4. \(n = 2p^r\) für eine Primzahl \(p {\gt} 2\) und \(r\ge 1\).

Siehe zum Beispiel  [ Bu ] Kap. 2 §5.