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5.5 Galois-Erweiterungen

5.5.1 Definition des Begriffs Galois-Erweiterung

Ist \(L\) ein Körper, so bezeichnen wir mit \(\operatorname{Aut}(L)\) die Gruppe (bezüglich der Verkettung von Abbildungen) aller Körperautomorphismen \(L\stackrel{\sim }{\smash {\longrightarrow }\rule{0pt}{0.4ex}}L\).

Sei \(\left.L\middle /K\right.\) eine Körpererweiterung. Wir bezeichnen mit \(\operatorname{Aut}_K(L)\) die Gruppe aller \(K\)-Automorphismen von \(L\), also aller Isomorphismen \(L\stackrel{\sim }{\smash {\longrightarrow }\rule{0pt}{0.4ex}}L\) von \(K\)-Algebren. Konkret ausgeschrieben bedeutet das:

\[ \operatorname{Aut}_K(L) = \{ \sigma \colon L\to L\ \text{Körperautomorphismus};\ \sigma (x)=x\ \text{für alle}\ x\in K\} . \]

Bemerkung 5.42

Ist \(\left.L\middle /K\right.\) algebraisch – und das ist der Fall, für den wir uns interessieren, dann ist \(\operatorname{Aut}_K(L) = \operatorname{Hom}_K(L, L)\), denn jeder \(K\)-Homomorphismus \(\sigma \colon L\to L\) ist bijektiv. Die Injektivität ist klar. Die Surjektivität zeigen wir wie folgt: Sei \(\alpha \in L\). Die Menge \(V(\operatorname{minpol}_{\alpha , K}, L)\) der Nullstellen des Minimalpolynoms von \(\alpha \) in \(L\) ist eine endliche Teilmenge, die von \(\sigma \) nach Satz 4.25 in sich abgebildet wird. Weil \(\sigma \) injektiv ist, impliziert die Endlichkeit, dass \(\sigma \) eine Bijektion dieser Menge mit sich selbst induziert. Insbesondere liegt \(\alpha \) im Bild von \(\sigma \).

Satz 5.43
  1. Sei \(L\) ein Körper und sei \(G\) eine Gruppe, die auf \(L\) durch Körperautomorphismen operiert. (Es ist also eine Operation \(G\times L\to L\) gegeben, derart dass das Bild des zugehörige Gruppenhomomorphismus \(G\to \operatorname{Bij}(L)\) in \(\operatorname{Aut}(L)\) liegt.)

    Dann ist

    \[ L^G := \{ x\in L;\ \sigma (x) = x\ \text{für alle}\ \sigma \in G\} \]

    ein Teilkörper von \(L\), der sogenannte Fixkörper unter der Operation von \(G\).

  2. Ist \(\left.L\middle /K\right.\) eine Körpererweiterung und operiert die Gruppe \(G\) auf \(L\) durch \(K\)-Automorphismen, so ist \(L^G\) ein Zwischenkörper der Erweiterung \(\left.L\middle /K\right.\).

Beweis

Zum Beweis ist im Grunde nichts zu sagen: Alle Aussagen kann man leicht direkt nachprüfen.

In den meisten Fällen, in denen wir den Fixkörper unter einer Gruppe \(G\) betrachten, ist \(G\) einfach eine Untergruppe von \(\operatorname{Aut}(L)\).

Wir definieren nun den Begriff der Galois-Erweiterung, der für den weiteren Verlauf zentral ist.

Satz 5.44

Sei \(\left.L\middle /K\right.\) eine algebraische Körpererweiterung.

  1. Es sind äquivalent:

    1. Es gilt

      \[ K = L^{\operatorname{Aut}_K(L)}. \]
    2. Es gibt eine Untergruppe \(G\subseteq \operatorname{Aut}(L)\), so dass

      \[ K = L^{G} \]

      gilt.

    3. Die Erweiterung \(\left.L\middle /K\right.\) ist normal und separabel.

    Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, dann heißt die Erweiterung \(\left.L\middle /K\right.\) galoissch oder eine Galois-Erweiterung. In diesem Fall nennen wir \(\operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.):= \operatorname{Aut}_K(L)\) die Galois-Gruppe der Erweiterung \(\left.L\middle /K\right.\).

  2. Sei \(\left.L\middle /K\right.\) galoissch und \(G\) wie in (ii). Die Erweiterung ist genau dann endlich, wenn \(\# G\) endlich ist. In diesem Fall gilt \(G = \operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)\) und \(\# \operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)= [L:K]\).

Beweis

Zu (1). Die Implikation (i) \(\Rightarrow \) (ii) ist offensichtlich.

(ii) \(\Rightarrow \) (iii). Die Bedingung \(K = L^G\) impliziert, dass \(G\subseteq \operatorname{Aut}_K(L) = \operatorname{Hom}_K(L, L)\) ist. Wir betrachten die Bahn von \(\alpha \) unter \(G\), also die Teilmenge \(\{ \sigma (\alpha );\ \sigma \in G\} \) von \(L\). Dies ist eine Teilmenge der Menge der Nullstellen von \(\operatorname{minpol}_{\alpha , K}\) in \(L\), also eine endliche Menge.

Es sei

\[ f = \prod _{\beta \in G\alpha } (X-\beta )\in L[X]. \]

Behauptung. Es gilt \(f\in K[X]\), d.h. alle Koeffizienten von \(f\) werden von den Elementen von \(G\) fixiert.

Begründung. Ist \(\sigma \in G\), dann ist die Abbildung \(\beta \mapsto \sigma (\beta )\) eine Bijektion \(G\alpha \to G\alpha \). Also gilt \(f = \prod _{\beta \in G\alpha } (X-\sigma (\beta ))\), und weil \(\sigma \) durch einen Homomorphismus \(L\to L\) wirkt, ist die rechte Seite genau das Polynom, das aus \(f\) durch Anwenden von \(\sigma \) auf alle Koeffizienten entsteht.

Wir haben damit ein separables Polynom in \(K[X]\) gefunden, das \(\alpha \) als Nullstelle hat und das über \(L\) vollständig in Linearfaktoren zerfällt. Der Körper \(L\) ist der Zerfällungskörper aller dieser separablen Polynome über \(K\) und ist folglich normal und separabel über \(K\).

Als nächstes zeigen wir die Implikation (iii) \(\Rightarrow \) (i). Dass \(K \subseteq L^{\operatorname{Aut}_K(L)}\) gilt, ist klar. Ist andererseits \(\alpha \in L\), \(\alpha \not\in K\), dann hat das Minimalpolynom von \(\alpha \) über \(K\) Grad \({\gt} 1\). Weil \(\left.L\middle /K\right.\) normal ist, zerfällt es über \(L\) vollständig in Linearfaktoren und wegen der Separabilität hat es eine von \(\alpha \) verschiedene Nullstelle \(\beta \). Wir erhalten einen \(K\)-Homomorphismus \(K[\alpha ]\to L\), \(\alpha \mapsto \beta \), den wir zu einem \(K\)-Automorphismus von \(L\) fortsetzen können (hier benutzen wir noch einmal die Normalität der Erweiterung \(\left.L\middle /K\right.\)). Weil dieser Automorphismus \(\alpha \) nicht auf sich selbst abbildet, ist \(\alpha \not\in L^{\operatorname{Aut}_K(L)}\). Damit ist auch die andere Inklusion bewiesen.

Zu (2). Sei \(\left.L\middle /K\right.\) galoissch. Dann ist \(\# \operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)= [L:K]_s = [L:K]\) (für die erste Gleichheit benutzen wir die Normalität der Erweiterung, für die zweite die Separabilität, vergleiche Bemerkung 5.22). Es bleibt noch zu zeigen, dass \(\left.L\middle /K\right.\) endlich ist, wenn die Untergruppe \(G\) von \(\operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)\) endlich ist, und dass dann \(G=\operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)\) gilt. Dazu genügt es nun zu zeigen, dass \([L:K] \le \# G\) gilt. Aus dem obigen Beweis der Implikation (ii) \(\Rightarrow \) (iii) folgt, dass \(\deg (\operatorname{minpol}_{\alpha , K})\le \# G\) für alle \(\alpha \in L\) gilt. Ist \(\left.L\middle /K\right.\) endlich, so besitzt die Erweiterung wegen der Separabilität ein primitives Element und es folgt \([L:K]\le \# G\). Ist \(\left.L\middle /K\right.\) unendlich, so enthält \(L\) Elemente mit Minimalpolynom beliebig hohen Grades, und es folgt, dass \(G\) unendlich sein muss.

Évariste Galois

Ein wesentlicher Durchbruch beim Verständnis von algebraischen Körpererweiterungen (im Sinne des heutigen Sprachgebrauchs, Begriffe wie Körper, Körpererweiterung und auch Gruppe gab es damals noch nicht) gelang dem französischen Mathematiker Évariste Galois (1811-1832), nach dem die hier behandelte Theorie heute benannt ist.

Galois starb schon im Alter von 20 Jahren, und zwar bei einem Duell. Seine mathematische Karriere verlief nicht geradlinig, und seine Manuskripte wurden teils erst lange nach seinem Tod als relevant wahrgenommen und veröffentlicht.

Für weitere Informationen können Sie zum Beispiel die folgenden Quellen konsultieren:

Die Einführung des Buchs von Bosch  [ Bo-A ] , die die geschichtliche Entwicklung der Theorie der Lösbarkeit algebraischer Gleichungen zusammenfasst. (Oder wesentlich ausführlicher zu diesem Thema: Jean-Pierre Tignol, Galois’ Theory of Algebraic Equations, 2nd ed., World Scientific 2016.)

In seinem Buch Galois Theory, Springer Graduate Texts in Mathematics 101, stellt H. Edwards die Galois-Theorie in heutiger Sprache aber mathematisch gesehen sehr nah an den Arbeiten von Galois vor.

Speziell zum Leben von Galois:

T. Rothman, The Short Life of Évariste Galois, Scientific American 246, No. 4 (April 1982), 136–149, https://www.jstor.org/stable/24966575

T. Rothman, Genius and Biographers: The Fictionalization of Evariste Galois, The Amer. Math. Monthly 89, No. 2 (Feb. 1982), 84–106, https://www.jstor.org/stable/2320923

Bemerkung 5.45

Ist \(\left.L\middle /K\right.\) eine nicht notwendig algebraische Erweiterung und \(G\) eine endliche Gruppe, die auf \(L\) durch \(K\)-Homomorphismen operiert, dann zeigt der Beweis des Satzes, dass \(\left.L\middle /L^G\right.\) algebraisch, also eine endliche Galois-Erweiterung ist.

Beispiel 5.46

Sei \(p\) eine Primzahl, \(q\) eine Potenz von \(p\), \(K\) ein Körper mit \(q\) Elementen und \(\left.L\middle /K\right.\) eine endliche Körpererweiterung vom Grad \(d\). Nach Satz 5.40 ist die Erweiterung \(\left.L\middle /K\right.\) galoissch. Der \(q\)-Frobenius-Homomorphismus \(\operatorname{Frob}_q\colon L\to L\), \(x\mapsto x^q\), ist ein Element der Galois-Gruppe \(\operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)\). Da \(L\) genau \(q^d\) Elemente hat und \(L^\times \) zyklisch ist, gilt \(\operatorname{Frob}_q^r = \operatorname{id}_L\) dann und nur dann, wenn \(d\, |\, r\). Es folgt, dass die von \(\operatorname{Frob}_q\) in \(\operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)\) erzeugte Untergruppe \(d\) Elemente hat. Weil \(\# \operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)= [L:K] = d\) gilt, sehen wir, dass \(\operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)\) zyklisch ist und von \(\operatorname{Frob}_q\) erzeugt wird.

Ergänzung 5.47

Ist \(\left.L\middle /K\right.\) in der Situation des obigen Satzes unendlich, dann kann \(\operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)\) (unendliche) echte Untergruppen haben, die \(K\) als Fixkörper haben. Sei zum Beispiel \(p\) eine Primzahl, \(K=\mathbb F_p\) und \(L = \overline{\mathbb F}_p\) ein algebraischer Abschluss von \(\mathbb F_p\). Sei \(\operatorname{Frob}_p\colon \overline{\mathbb F}_p\to \overline{\mathbb F}_p\) der Frobenius-Automorphismus von \(\overline{\mathbb F}_p\) und \(G = \langle \operatorname{Frob}_p\rangle \subseteq \operatorname{Gal}(\left.\overline{\mathbb F}_p\middle /\mathbb F_p\right.)\) die von \(\operatorname{Frob}_p\) erzeugte Untergruppe. Dann gilt \(\overline{\mathbb F}_p^G = \mathbb F_p\), aber man kann zeigen, dass \(G\) eine echte Untergruppe von \(\operatorname{Gal}(\left.\overline{\mathbb F}_p\middle /\mathbb F_p\right.)\) ist. Siehe zum Beispiel  [ Bo-A ] , Abschnitt 4.2.

Im weiteren Verlauf werden wir uns auf das Studium endlicher Galois-Erweiterungen beschränken. Man kann zwar die Theorie auch auf den Fall unendlicher Erweiterungen verallgemeinern, das macht die Sache aber etwas komplizierter. Gleichwohl ist es eine schöne Theorie, die auch in weiten Teilen analog zum endlichen Fall entwickelt werden kann, wenn man die Galois-Gruppe als »topologische Gruppe« betrachtet und anstelle aller Untergruppen nur solche hernimmt, die »abgeschlossen« im Sinne der gegebenen Topologie sind. Aus Zeitgründen müssen wir es aber bei dieser Werbung belassen, siehe zum Beispiel  [ Bo-A ] , Abschnitt 4.2 für weitere Details.

Lemma 5.48

Sei \(\left.L\middle /K\right.\) eine endliche Körpererweiterung.

  1. Sei \(E\) ein Zwischenkörper der Körpererweiterung \(\left.L\middle /K\right.\). Ist \(\left.L\middle /K\right.\) galoissch, dann ist auch \(\left.L\middle /E\right.\) galoissch.

  2. Sei \(E\) ein Zwischenkörper der Körpererweiterung \(\left.L\middle /K\right.\). Sind \(\left.L\middle /K\right.\) und \(\left.E\middle /K\right.\) galoissch, dann ist die Einschränkung von Homomorphismen ein surjektiver Gruppenhomomorphismus \(\operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)\to \operatorname{Gal}(\left.E\middle /K\right.)\) mit Kern \(\operatorname{Gal}(\left.L\middle /E\right.)\).

Beweis

Teil (1) folgt direkt aus Lemma 5.6 und Korollar 5.24.

Wir kommen zu Teil (2). Ist \(\sigma \colon L\to L\) ein \(K\)-Homomorphismus, so hat \(\sigma _{|E}\colon E\to L\) Bild in \(E\), weil \(E\) normal ist über \(K\). Wir können also \(\sigma _{|E}\) als \(K\)-Homomorphismus \(E\to E\) betrachten. In diesem Sinne ist die Einschränkungsabbildung in Teil (2) zu verstehen. Es handelt sich offenbar um einen Gruppenhomomorphismus mit Kern \(\operatorname{Gal}(\left.L\middle /E\right.)\). Ist ein \(K\)-Automorphismus \(E\to E\) gegeben, so können wir ihn mit Satz 4.33 zu einem \(K\)-Automorphismus \(L\to L\) fortsetzen.

5.5.2 Der Hauptsatz der Galois-Theorie

Für eine Gruppe \(G\) bezeichnen wir mit \(\operatorname{UG}(G)\) die Menge aller Untergruppen von \(G\). Für eine Körpererweiterung \(\left.L\middle /K\right.\) bezeichnen wir mit \(\operatorname{ZK}(\left.L\middle /K\right.)\) die Menge aller Zwischenkörper dieser Erweiterung.

Theorem 5.49 Hauptsatz der Galois-Theorie

Sei \(\left.L\middle /K\right.\) eine endliche Galois-Erweiterung mit Galois-Gruppe \(G\).

  1. Dann sind die Abbildungen

    \[ \operatorname{UG}(G) \to \operatorname{ZK}(\left.L\middle /K\right.),\quad H\mapsto L^H,\qquad \text{und}\quad \operatorname{ZK}(\left.L\middle /K\right.)\to \operatorname{UG}(G), E\mapsto \operatorname{Gal}(\left.L\middle /E\right.), \]

    zueinander inverse inklusionsumkehrende Bijektionen zwischen der Menge der Untergruppen der Galois-Gruppe \(G\) und der Menge der Zwischenkörper der gegebenen Körpererweiterung.

  2. Für einen Zwischenkörper \(E\) der Erweiterung \(\left.L\middle /K\right.\) sind äquivalent:

    1. Die Erweiterung \(\left.E\middle /K\right.\) ist normal.

    2. Die Erweiterung \(\left.E\middle /K\right.\) ist galoissch.

    3. Die Untergruppe \(H:=\operatorname{Gal}(\left.L\middle /E\right.)\subseteq \operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)\) ist ein Normalteiler.

    Sind diese äquivalenten Bedingungen erfüllt, so induziert die Abbildung \(\sigma \mapsto \sigma _{|E}\) einen Isomorphismus \(\operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)/\operatorname{Gal}(\left.L\middle /E\right.)\to \operatorname{Gal}(\left.E\middle /K\right.)\).

Beweis

Zu (1). Die angegebenen Zuordnungsvorschriften definieren Abbildungen \(\operatorname{UG}(G) \to \operatorname{ZK}(\left.L\middle /K\right.)\) (offensichtlich) und \(\operatorname{ZK}(\left.L\middle /K\right.)\to \operatorname{UG}(G)\) (nach Lemma 5.48 ist für einen Zwischenkörper \(E\) von \(\left.L\middle /K\right.\) die Erweiterung \(\left.L\middle /E\right.\) galoissch, so dass wir von der Galois-Gruppe sprechen können, und im selben Lemma haben wir festgestellt, dass es sich um eine Untergruppe von \(\operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)\) handelt).

Es ist auch leicht zu sehen, dass diese inklusionsumkehrend sind: Sind \(H\subseteq H' \subseteq G\) Untergruppen, so ist \(L^{H'} \subseteq L^H\). Sind \(E \subseteq E' \subseteq L\) Zwischenkörper, so ist \(\operatorname{Gal}(\left.L\middle /E'\right.)\subseteq \operatorname{Gal}(\left.L\middle /E\right.)\).

Wir zeigen nun, dass die beiden Abbildungen zueinander invers sind. Die wesentliche Arbeit dafür haben wir bereits im Beweis von Satz 5.44 geleistet. Sei zunächst \(E\) ein Zwischenkörper und \(H= \operatorname{Gal}(\left.L\middle /E\right.)\). Wir müssen zeigen, dass \(L^{H} = E\) gilt. Dies folgt aus Satz 5.44, denn wir wissen ja, dass \(\left.L\middle /E\right.\) eine Galois-Erweiterung ist.

Sei nun \(H\) eine Untergruppe von \(\operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)\) und \(E = L^H\). Dann liefert uns Satz 5.44 (2), dass \(\operatorname{Gal}(\left.L\middle /E\right.)= H\) gilt, weil mit \(\left.L\middle /K\right.\) auch \(\left.L\middle /E\right.\) endlich ist.

Zu (2). Die äquivalenten Charakterisierungen dafür, dass ein Zwischenkörper \(E\) normal über \(K\) ist, können wir folgendermaßen begründen. Die Implikation (i) \(\Rightarrow \) (ii) ist klar. Gilt (ii), dann zeigt Lemma 5.48, dass \(H:=\operatorname{Gal}(\left.L\middle /E\right.)\) der Kern eines Gruppenhomomorphismus ist, es handelt sich somit um einen Normalteiler.

Nun gelte (iii), es sei also \(H\) ein Normalteiler in \(G=\operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)\). Sei \(\overline{K}\) ein algebraischer Abschluss von \(L\) und \(\sigma \colon E\to \overline{K}\) ein \(K\)-Homomorphismus. Wir möchten zeigen, dass \(\sigma \) Bild in \(E\) hat. Wir können \(\sigma \) zu einem Homomorphismus \(L\to \overline{K}\) fortsetzen und weil \(\left.L\middle /K\right.\) normal ist, ist das Bild dieses Homomorphismus in \(L\) enthalten. Deshalb genügt es zu zeigen, dass für jedes \(\sigma \in \operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)\) gilt, dass \(\sigma (E)\subseteq E\) ist.

Nun ist \(E=L^H\), es ist also zu zeigen, dass \(\tau (\sigma (x)) = \sigma (x)\) für alle \(x\in L^H\). Aber weil \(H\) ein Normalteiler ist, liegt mit \(\tau \) auch \(\sigma ^{-1}\tau \sigma \) in \(H\) und fixiert das Element \(x\). Daraus folgt \(\tau (\sigma (x)) = \sigma (x)\), wie gewünscht.

Wenn diese äquivalenten Bedingungen erfüllt sind, folgt wieder mit Lemma 5.48, dass die Einschränkung von Homomorphismen einen Isomorphismus \(\operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)/\operatorname{Gal}(\left.L\middle /L^H\right.)\to \operatorname{Gal}(\left.L^H\middle /K\right.)\) liefert.

Bemerkung 5.50

Alternativ kann man für den Beweis der Implikation (iii) \(\Rightarrow \) (i) in Teil (2) des Hauptsatzes wie folgt argumentieren: Ist \(G\) irgendeine Gruppe, die auf einer Menge \(X\) operiert, ist \(H\) ein Normalteiler und ist \(X^H\) die Menge der Fixpunkte unter \(H\), also \(X^H=\{ x\in X;\ \text{für alle}\ h\in H: hx=x\} \), dann operiert der Quotient \(G/H\) auf \(X^H\), und zwar durch

\[ G/H\times X^H\to X^H,\quad (gH, x)\mapsto gx. \]

Dass \(gx\in X^H\) ist, zeigt man mit derselben Rechnung wie oben.

In unserem Fall sehen wir, dass \(G/H\) auf dem Fixkörper \(L^H\) von \(L\) unter \(H\) operiert. Es ist klar, dass dann \((L^H)^{G/H} = L^G = K\) gilt, und aus Satz 5.44 folgt, dass \(\left.L^H\middle /K\right.\) eine Galois-Erweiterung ist.

Beispiel 5.51
  1. Sei \(a\in \mathbb Q\) ein Element, das in \(\mathbb Q\) keine dritte Wurzel besitzt, also derart dass das Polynom \(f=X^3-a\) irreduzibel ist. Sei \(K\subset \mathbb C\) der Zerfällungskörper von \(f\). Sei \(\alpha \in \mathbb C\) ein Element mit \(\alpha ^3=a\) und sei \(\zeta = e^{\frac{2\pi i}{3}}\in \mathbb C\). Es gilt dann

    \[ f = (X-\alpha )(X-\zeta \alpha )(X-\zeta ^2\alpha )\quad \in \mathbb C[X] \]

    und daher \(K=\mathbb Q(\alpha , \zeta )\).

    Weil die Grade \([\mathbb Q(\alpha ):\mathbb Q] = 3\) und \([\mathbb Q(\zeta ):\mathbb Q]= 2\) teilerfremd sind, folgt aus der Gradformel, dass \([K:\mathbb Q] = 6\) gilt. Es folgt auch \(\zeta \alpha \not\in \mathbb Q(\alpha )\) (sonst wäre \(\mathbb Q(\alpha )=K\)) und damit \(\mathbb Q(\alpha )\ne \mathbb Q(\zeta \alpha )\) und analog \(\mathbb Q(\alpha )\ne \mathbb Q(\zeta ^2\alpha )\), \(\mathbb Q(\zeta \alpha )\ne \mathbb Q(\zeta ^2\alpha )\). Die Erweiterung \(\left.K\middle /\mathbb Q\right.\) hat also (mindestens) \(3\) Zwischenkörper, die über \(\mathbb Q\) Grad \(3\) haben.

    Die Galoisgruppe \(\operatorname{Gal}(\left.K\middle /\mathbb Q\right.)\) hat \(6\) Elemente, ist also isomorph zu einer der Gruppen \(S_3\) und \(\left.\mathbb Z\middle /6\right.\). Die zyklische Gruppe \(\left.\mathbb Z\middle /6\right.\) hat aber nur genau eine Untergruppe mit \(2\) Elementen. Angesichts des Hauptsatzes der Galois-Theorie kann daher \(\operatorname{Gal}(\left.K\middle /\mathbb Q\right.)\) nicht zu \(\left.\mathbb Z\middle /6\right.\) isomorph sein.

    Es folgt \(\operatorname{Gal}(\left.K\middle /\mathbb Q\right.)\cong S_3\). Daran sehen wir zum Beispiel auch, dass \(K\) genau einen Teilkörper \(E\) besitzt, der über \(\mathbb Q\) Grad \(2\) hat. Denn \(S_3\) besitzt genau eine Untergruppe mit \(3\) elementen, nämlich die alternierende Gruppe \(A_3\). Es ist \(E=\mathbb Q(\zeta )\), denn \(\operatorname{minpol}_{\zeta ,\mathbb Q} = X^2+X+1\).

  2. Sei \(K\subset \mathbb C\) der Zerfällungskörper des Polynoms \(f=X^6+X^5+X^4+X^3+X^2+X+1\in \mathbb Q[X]\). Es gilt \((X-1)\cdot f = X^7-1\) und daher mit \(\zeta :=e^{\frac{2\pi i}{7}}\), dass

    \[ f = \prod _{i=1}^6 (X-\zeta ^i)\quad \in \mathbb C[X]. \]

    Das Polynom \(f\) zerfällt also schon über \(\mathbb Q(\zeta )\) vollständig in Linearfaktoren und es folgt \(K=\mathbb Q(\zeta )\). Das Polynom \(f\) ist nach Beispiel 3.55 irreduzibel, also gilt \([K:\mathbb Q] = 6\).

    Die \(\mathbb Q\)-Automorphismen \(\mathbb Q(\zeta )\to \mathbb Q(\zeta )\) entsprechen bijektiv den Nullstellen von \(f = \operatorname{minpol}_{\zeta ,\mathbb Q}\) in \(\mathbb Q(\zeta )\), also den möglichen Bildern von \(\zeta \), also den Nullstellen von \(f\), d.h. den Elementen \(\zeta ^i\) für \(i=1,\dots , 6\). Wir schreiben \(\sigma _i\) für den eindeutig bestimmten Automorphismus \(\mathbb Q(\zeta )\to \mathbb Q(\zeta )\) mit \(\zeta \mapsto \zeta ^i\). Dann gilt

    \[ \sigma _i(\sigma _j(\zeta )) = \sigma _i(\zeta ^j) = \sigma _i(\zeta )^j = \zeta ^{ij} = \sigma _j(\sigma _i(\zeta )), \]

    die Gruppe \(\operatorname{Gal}(\left.\mathbb Q(\zeta )\middle /\mathbb Q\right.)\) ist also kommutativ. Weil sie \(6\) Elemente hat, folgt \(\operatorname{Gal}(\left.\mathbb Q(\zeta )\middle /\mathbb Q\right.)\cong \left.\mathbb Z\middle /6\right.\). (Eine bessere Sichtweise ist eigentlich, die Galois-Gruppe mit der Gruppe \((\left.\mathbb Z\middle /7\right.)^\times \) zu identifizieren, denn eine ähnliche Rechnung wie die obige zeigt, dass die Abbildung \((\left.\mathbb Z\middle /7\right.)^\times \to \operatorname{Gal}(\left.\mathbb Q(\zeta )\middle /\mathbb Q\right.)\), \(i\mapsto \sigma _i\), ein Gruppenhomomorphismus ist. Vergleiche Abschnitt 6.3 für eine ausführliche allgemeinere Analyse.)

Für Galois-Erweiterungen mit abelscher bzw. zyklischer Galois-Gruppe (wie im Beispiel, Teil (2)) verwendet man die folgende Sprechweise:

Definition 5.52

Eine Körpererweiterung \(\left.L\middle /K\right.\) heißt abelsch (bzw. zyklisch), wenn sie galoissch mit abelscher (bzw. zyklischer) Galois-Gruppe ist.

Korollar 5.53

Jede endliche separable Körpererweiterung besitzt nur endlich viele Zwischenkörper.

Beweis

Sei \(\left.L\middle /K\right.\) endlich und separabel. Sei \(\left.M\middle /K\right.\) eine normale Hülle von \(\left.L\middle /K\right.\) (konkret: ein Zerfällungskörper des Minimalpolynoms eines primitiven Elements von \(\left.L\middle /K\right.\), oder der Minimalpolynome von endlich vielen Erzeugern dieser Körpererweiterung, wenn man an dieser Stelle den Satz vom primitiven Element vermeiden möchte). Dann ist \(\left.M\middle /K\right.\) wieder endlich und separabel und zudem normal, also eine Galois-Erweiterung. Die Menge der Zwischenkörper von \(\left.M\middle /K\right.\) steht in Bijektion zur Menge der Untergruppen der Galois-Gruppe dieser Erweiterung. Eine endliche Gruppe hat aber offensichtlich nur endlich viele Untergruppen. Weil jeder Zwischenkörper von \(\left.L\middle /K\right.\) auch ein Zwischenkörper von \(\left.M\middle /K\right.\) ist, folgt die Behauptung.

Definition 5.54

Sei \(\left.L\middle /K\right.\) eine Körpererweiterung mit Zwischenkörpern \(E\) und \(E'\). Das Kompositum von \(E\) und \(E'\) ist der kleinste Teilkörper von \(L\), der \(E\) und \(E'\) enthält und wird mit \(E\cdot E'\) oder einfach mit \(EE'\) bezeichnet.

Ist \(\left.L\middle /K\right.\) eine Körpererweiterung und sind \(E= K(\alpha _1,\dots , \alpha _r)\), \(E' = K(\beta _1,\dots , \beta _s)\) Zwischenkörper (\(\alpha _i, \beta _j\in L\)), so ist das Kompositum \(EE'\) der Körper \(K(\alpha _1,\dots , \alpha _r,\beta _1,\dots , \beta _s)\).

Man beachte, dass die Menge \(EE'\) nicht einfach die Menge aller Produkte \(xx'\), \(x\in E\), \(x'\in E'\) ist, sondern (in der Regel) noch andere Elemente enthält.

Satz 5.55

Sei \(\left.L\middle /K\right.\) eine endliche Galois-Erweiterung mit Zwischenkörpern \(E\) und \(E'\). Sei \(H = \operatorname{Gal}(\left.L\middle /E\right.)\) und \(H' = \operatorname{Gal}(\left.L\middle /E'\right.)\).

  1. Es gilt \(EE' = L^{H\cap H'}\).

  2. Es gilt \(E\cap E' = L^{\tilde{H}}\), wobei \(\tilde{H}\) die von \(H\) und \(H'\) in \(\operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)\) erzeugte Untergruppe bezeichne.

  3. Seien nun die Erweiterungen \(\left.E\middle /K\right.\) und \(\left.E'\middle /K\right.\) galoissch. Dann ist \(\left.EE'\middle /K\right.\) eine Galois-Erweiterung und der Homomorphismus

    \[ \operatorname{Gal}(\left.EE'\middle /E\right.) \to \operatorname{Gal}(\left.E'\middle /E\cap E'\right.),\quad \sigma \mapsto \sigma _{|E'}, \]

    ist bijektiv. Insbesondere ist \([EE' : E]\) ein Teiler von \([E': K]\).

  4. Seien wie in Teil (3) die Erweiterungen \(\left.E\middle /K\right.\) und \(\left.E'\middle /K\right.\) galoissch. Dann ist die Abbildung

    \[ \operatorname{Gal}(\left.EE'\middle /K\right.) \to \operatorname{Gal}(\left.E\middle /K\right.)\times \operatorname{Gal}(\left.E'\middle /K\right.),\quad \sigma \mapsto (\sigma _{|E}, \sigma _{|E'}) \]

    ein injektiver Gruppenhomomorphismus. Ist \(E\cap E' = K\), so handelt es sich sogar um einen Isomorphismus.

Beweis

Zu (1) und (2). Beide Aussagen folgen direkt daraus, dass es sich bei der Bijektion im Hauptsatz der Galois-Theorie (für die Erweiterung \(\left.L\middle /K\right.\)) um eine inklusionsumkehrende Bijektion handelt. Es ist nämlich \(EE'\) der kleinste Zwischenkörper, der \(E\) und \(E'\) enthält, und \(H\cap H'\) die größte Untergruppe von \(\operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)\), die in \(H\) und in \(H'\) enthalten ist. Für Teil (2) bemerken wir, dass \(E\cap E'\) der größte Zwischenkörper ist, der in \(E\) und in \(E'\) enthalten ist, und dass \(\tilde{H}\) die kleinste Untergruppe ist, die \(H\) und \(H'\) enthält.

Zu (3). Ist \(E\) der Zerfällungskörper einer Familie \((f_i)_i\) und \(E'\) der Zerfällungskörper einer Familie \((g_j)_j\) von separablen Polynomen aus \(K[X]\), dann ist \(EE'\) der Zerfällungskörper aller dieser Polynome \(f_i\), \(g_j\). Also ist \(\left.EE'\middle /K\right.\) galoissch.

Die Vorschrift \(\sigma \mapsto \sigma _{|E'}\) definiert jedenfalls eine Abbildung \(\operatorname{Gal}(\left.EE'\middle /E\right.) \to \operatorname{Gal}(\left.E'\middle /E\cap E'\right.)\), da \(E'\) sogar über \(K\), also erst recht über \(E\cap E'\) normal ist. Da \(EE'\) als Erweiterungskörper von \(E\) von den Elementen von \(E'\) erzeugt wird, ist sie injektiv.

Sei \(H\) das Bild der Abbildung. Um \(H=\operatorname{Gal}(\left.E'\middle /E\cap E'\right.)\) und damit die Surjektivität zu zeigen, genügt es zu zeigen, dass \((E')^H = E\cap E'\) gilt. Aber für \(x\in (E')^H\) gilt trivialerweise \(x\in E'\) und außerdem \(\sigma (x)=x\) für alle \(\sigma \in \operatorname{Gal}(\left.EE'\middle /E\right.)\), also \(x\in E\).

Zu (4). Die Injektivität ist leicht zu sehen. Die Surjektivität im Fall \(E\cap E' = K\) folgt daraus, dass in diesem Fall wegen Teil (3) und der Gradformel beide Seiten gleich viele Elemente haben.

Bemerkung 5.56

Ohne die Bedingung, dass die Erweiterungen \(\left.E\middle /K\right.\) und \(\left.E'\middle /K\right.\) galoissch seien, gilt die Teilbarkeitsaussage in (3) im allgemeinen nicht, wie das Beispiel \(K=\mathbb Q\), \(E = \mathbb Q(\sqrt[3]{2})\), \(E' = \mathbb Q(e^{\frac{2\pi i}{3}}\sqrt[3]{2})\), zeigt.

Beispiel 5.57

Sei \(K\) ein endlicher Körper mit \(q = p^r\) Elementen, \(p = {\rm char}(K)\), und \(\left.L\middle /K\right.\) eine Körpererweiterung vom Grad \(d\). Wir haben gesehen, dass die Erweiterung \(\left.L\middle /K\right.\) dann galoissch ist (Satz 5.40). Dass die Galois-Gruppe \(\operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)\) zyklisch ist und vom \(q\)-Frobenius-Homomorphismus \(\operatorname{Frob}_q\) erzeugt wird, können wir mit dem Hauptsatz der Galois-Theorie (alternativ zu Beispiel 5.46) auch dadurch begründen, dass für die von \(\operatorname{Frob}_q\) erzeugte Untergruppe \(H\) von \(\operatorname{Gal}(\left.L\middle /K\right.)\) gilt, dass \(L^H = K\) ist.

5.5.3 Der Fundamentalsatz der Algebra

Aus dem Hauptsatz der Galois-Theorie erhalten wir (mit den Sätzen aus der Gruppentheorie, die wir zu Beginn der Vorlesung bewiesen haben) einen Beweis des Fundamentalsatzes der Algebra.

Theorem 5.58

Der Körper \(\mathbb C\) der komplexen Zahlen ist algebraisch abgeschlossen.

Beweis

Wir benutzen im Beweis die folgenden »analytischen« Tatsachen über den Körper der reellen Zahlen.

  1. Ist \(p\in \mathbb R[X]\) ein Polynom von ungeradem Grad, so hat \(p\) eine Nullstelle in \(\mathbb R\).

  2. Jedes Polynom \(p\in \mathbb C[X]\) vom Grad \(2\) hat eine Nullstelle in \(\mathbb C\).

Punkt (a) folgt aus dem Zwischenwertsatz, weil für ein Polynom ungeraden Gerades sowohl positive als auch negative Werte annimmt (man betrachte die Grenzwerte \(\lim _{x\to \infty }p(x)\) und \(\lim _{x\to -\infty }p(x)\). Für Punkt (b) genügt es angesichts der Lösungsformel für quadratische Gleichungen zu wissen, dass man aus jeder komplexen Zahl in \(\mathbb C\) eine Quadratwurzel ziehen kann. Dazu kann man am einfachsten mit Polarkoordinaten argumentieren: Für \(r\in \mathbb R_{\ge 0}\), \(t\in \mathbb R\) gilt \((\sqrt{r} e^{\frac{it}{2}})^2 = r e^{it}\).

Um zu zeigen, dass \(\mathbb C\) algebraisch abgeschlossen ist, genügt es zu zeigen, dass \(\mathbb C\) selbst der einzige endliche Erweiterungskörper von \(\mathbb C\) ist. Sei also \(\left.K\middle /\mathbb C\right.\) endlich. Indem wir gegebenenfalls zur normalen Hülle übergehen, können wir annehmen, dass die Erweiterung \(\left.K\middle /\mathbb R\right.\) normal und damit galoissch ist.

Behauptung. Der Grad \([K : \mathbb R]\) ist eine Potenz von \(2\).

Begründung. Wir schreiben \([K:\mathbb R] = 2^m d\) für eine ungerade Zahl \(d\) und werden zeigen, dass \(d=1\) gilt. Sei \(H\subseteq \operatorname{Gal}(\left.L\middle /\mathbb R\right.)\) eine \(2\)-Sylow-Untergruppe. Dann hat die Erweiterung \(\left.K^H\middle /\mathbb R\right.\) Grad \(d\). Ist \(\alpha \in K^H\), so ist \([K(\alpha ):\mathbb R] = \deg (\operatorname{minpol}_{\alpha , \mathbb R})\) ebenfalls ungerade, aus Eigenschaft (a) oben folgt also \(\alpha \in \mathbb R\), und insgesamt sehen wir \(K^H=\mathbb R\), also \(d=1\). (Alternativ könnte man, statt alle \(\alpha \in K^H\) zu betrachten, ein primitives Element der Erweiterung \(\left.K^H\middle /\mathbb R\right.\) hernehmen.)

Es folgt, dass \(\left.K\middle /\mathbb C\right.\) eine Galois-Erweiterung ist, deren Grad eine Potenz von \(2\) ist. Also ist ihre Galois-Gruppe auflösbar (Satz 2.76), und es gibt eine Untergruppe vom Index \(2\) (Lemma 2.64). Diese entspricht einer quadratischen Erweiterung von \(\mathbb C\), aber wir wissen wegen Eigenschaft (b), dass es eine solche Erweiterung nicht gibt.