4.1 Körper
4.1.1
Anschaulich gesprochen formalisiert der Begriff des Körpers, der in der folgenden Definition erklärt wird, die essenziellen Eigenschaften der Grundrechenarten (Addition \(+\), Subtraktion \(-\), Multiplikation \(\cdot \) und Division \(/\)), wie sie zum Beispiel für rationale und reelle Zahlen gelten, aber eben auch in anderen »Zahlbereichen«.
Andere Eigenschaften der rationalen und reellen Zahlen (speziell die Eigenschaft der »Anordnung«, also dass man sinnvoll von positiven und negativen Zahlen sprechen kann) und Eigenschaften, in denen sich die Bereiche der rationalen und der reellen Zahlen unterscheiden, werden in der Definition eines Körpers nicht angesprochen.
Ein Körper in diesem Sinne hat nichts mit einem Körper im geometrischen Sinne zu tun. Das englische Wort für Körper im Sinne von Definition 4.1 ist »field«.
Die Definition wird uns erlauben, im folgenden viele Tatsachen mit einem einzigen Beweis für die rationalen Zahlen, für die reellen Zahlen und für alle anderen Körper auch zu beweisen. Dies ist ein Grundprinzip der Mathematik: Versuche zu abstrahieren, welche Eigenschaften eines Objekts für eine gewisse Aussage wirklich erforderlich sind, und »baue« aus diesen essenziellen Eigenschaften eine Definition.
Für eine Menge \(K\) verstehen wir unter einer Verknüpfung (auf \(K\)) eine Abbildung \(K\times K\to K\). Eine Verknüpfung erlaubt uns also, zwei Elemente von \(K\) herzunehmen (also ein Element von \(K\times K\)) und daraus ein neues Element von \(K\) zu »produzieren«. Typische Beispiele sind die Addition und Multiplikation von (ganzen, rationalen, reellen, …) Zahlen. Diese Beispiele werden in der folgenden Definition abstrahiert.
Ein Körper ist ein Tripel \((K, +, \cdot )\) bestehend aus einer Menge \(K\) und Verknüpfungen
so dass gilt:
Die Verknüpfung \(+\) ist assoziativ, kommutativ, hat ein eindeutig bestimmtes neutrales Element \(0\) und es existieren (eindeutig bestimmte) inverse Elemente, genauer:
Es gilt das Assoziativgesetz, d.h. für alle \(a,b,c\in K\) gilt
\[ (a+b)+c = a + (b+c). \]Es gilt das Kommutativgesetz, d.h. für alle \(a,b\in K\) gilt
\[ a+b = b+a. \]Es gibt ein eindeutig bestimmtes neutrales Element bezüglich der Addition, d.h. ein eindeutig bestimmtes Element \(0\in K\), so dass
\[ 0 + a = a + 0 = a\quad \text{für alle}\ a\in K. \]Jedes Element \(a\in K\) besitzt ein inverses Element bezüglich der Addition, d.h. es existiert \(b\in K\) mit
\[ a+b = 0 = b+a, \]wobei \(0\) das im vorherigen Punkt geforderte neutrale Element bezeichnet. (Wir sehen unten, dass dann zu jedem \(a\in K\) genau ein inverses Element existiert, d.h. \(b\) ist durch \(a\) eindeutig bestimmt. Wir bezeichnen das Inverse von \(a\) bezüglich der Addition mit \(-a\); es gilt dann also \(a + (-a) = 0 = (-a) + a\).)
Die Verknüpfung \(\cdot \) ist assoziativ, kommutativ, hat ein eindeutig bestimmtes neutrales Element \(1\), das von \(0\) verschieden ist, und für alle \(x\in K\setminus \{ 0 \} \) existiert ein inverses Element, genauer:
Es gilt das Assoziativgesetz, d.h. für alle \(a,b,c\in K\) gilt
\[ (a\cdot b)\cdot c = a \cdot (b\cdot c). \]Es gilt das Kommutativgesetz, d.h. für alle \(a,b\in K\) gilt
\[ a\cdot b = b\cdot a. \]Es gibt ein eindeutig bestimmtes neutrales Element bezüglich der Multiplikation, d.h. ein Element \(1\in K\), so dass
\[ 1 \cdot a = a \cdot 1 = a\quad \text{für alle}\ a\in K. \]Jedes Element \(a\in K\setminus \{ 0\} \) besitzt ein inverses Element bezüglich der Multiplikation, d.h. es existiert \(b\in K\) mit
\[ a\cdot b = 1 = b\cdot a, \]wobei \(1\) das im vorherigen Punkt geforderte neutrale Element bezeichnet. (Wir sehen unten, dass dann zu jedem \(a\in K\setminus \{ 0\} \) genau ein inverses Element existiert, d.h. \(b\) ist durch \(a\) eindeutig bestimmt. Wir bezeichnen das Inverse von \(a\) bezüglich der Multiplikation mit \(a^{-1}\); es gilt dann also \(a \cdot a^{-1} = 1 = a^{-1}\cdot a\). Beachte, dass dieser Punkt auf das neutrale Element der Addition Bezug nimmt. Das Element \(0\) besitzt kein multiplikatives Inverses.)
Es gilt \(0\ne 1\).
Es gilt das Distributivgesetz:
\[ (a+b)\cdot c = (a\cdot c)+(b\cdot c)\quad \text{für alle}\ a,b,c\in K. \]
Üblicherweise sagt man, \(K\) sei ein Körper und erwähnt die Verknüpfungen \(+\), \(\cdot \) nicht explizit. Wenn es unbedingt nötig ist, die Addition/Multiplikation auf verschiedenen Körpern in der Notation zu unterscheiden, schreibt man \(+_K\), \(\cdot _K\) (und gegebenenfalls \(0_K\) statt \(0\), \(1_K\) statt \(1\)). In Termen mit Elementen aus \(K\) wird der Multiplikationspunkt \(\cdot \) üblicherweise weggelassen, d.h. \(ab\) steht für \(a\cdot b\). Wir verwenden die übliche Konvention Punkt- vor Strichrechnung, um nicht zu viele Klammern schreiben zu müssen. Das Distributivgesetz schreiben wir also auch in der Form \((a+b)c = ac+bc\).
Für \(a,b\in K\) schreiben wir \(a-b := a + (-b)\). Damit haben wir für jeden Körper auch eine Subtraktion \(-\colon K\times K\to K\) definiert. Auch die Bruchschreibweise \(\frac ab := ab^{-1} (= b^{-1}a)\) (für \(a, b\in K\), \(b\ne 0\)) verwendet man manchmal für allgemeine Körper. Wir schreiben \(K^\times = K\setminus \{ 0\} \), die sogenannte multiplikative Gruppe von \(K\). Diese Bezeichnung wird erst später klar werden (Bemerkung 8.5 (4)), wenn wir den Begriff der Gruppe definieren; sie hängt damit zusammen, dass das Produkt von Elementen auf \(K^\times \) wieder in \(K^\times \) liegt (siehe Abschnitt 4.1.3) und dass jedes Element von \(K^\times \) ein Inverses bezüglich der Multiplikation hat. Die Elemente von \(K^\times \) heißen auch die Einheiten des Körpers \(K\).
Für \(n\in \mathbb N\) und \(a\in K\) schreiben wir \(a^n = a\cdot \cdots \cdot a\) (\(n\) Faktoren) und nennen dieses Element von \(K\) die \(n\)-te Potenz von \(a\). Eine formale(re) Definition wäre zu sagen, dass \(a^0:=1\) und \(a^n = a^{n-1}\cdot a\) für alle \(n\ge 1\) sei. Ist \(a\ne 0\), so kann man auch \(a^{-n} = (a^{-1})^n\) definieren.
4.1.2 Beispiele für Körper
Der Körper \(\mathbb Q\) der rationalen Zahlen:
\[ \mathbb Q = \left\{ \frac ab;\ a,b \in \mathbb Z,\ b\ne 0 \right\} . \]Die Addition und Multiplikation sind durch die üblichen Bruchrechenregeln gegeben:
\[ \frac ab + \frac cd = \frac{ad + cb}{bd},\quad \frac ab \cdot \frac cd = \frac{ac}{bd}. \]Das neutrale Element bezüglich der Addition ist \(0 = \frac01\), das neutrale Element bezüglich der Multiplikation ist \(1 = \frac11\). Das Inverse von \(\frac ab\) bezüglich der Addition ist \(\frac{-a}{b}\), das Inverse bezüglich der Multiplikation ist (für \(a\ne 0\)) \(\frac ba\).
Die Menge \(\mathbb R\) der reellen Zahlen bildet bezüglich der »üblichen« Addition und Multiplikation einen Körper. (Auch wenn Sie die reellen Zahlen aus der Schule kennen und sie dort wohl häufiger verwendet wurden als der Körper der rationalen Zahlen, sollten Sie sich klarmachen, dass es wesentlich schwieriger ist, die reellen Zahlen und die Verknüpfungen \(+\) und \(\cdot \) darauf präzise zu definieren.) Siehe zum Beispiel [ He ] I.2. Eine axiomatische Charakterisierung finden Sie in praktisch allen Lehrbüchern der Analysis. Wie man die reellen Zahlen konstruieren kann, wird meistens nicht erklärt. Eine Möglichkeit bilden die Dedekindschen Schnitte. Eine andere ist, die reellen Zahlen als Äquivalenzklassen von Cauchy-Folgen von rationalen Zahlen zu betrachten; diese Sichtweise geht auf Cantor zurück. Die Algebra-Vorlesung wird dazu die nötigen Hilfsmittel bereitstellen.
Die Menge \(\mathbb Z\) der ganzen Zahlen ist (mit der üblichen Addition und Multiplikation) kein Körper, denn es gibt zwar ein neutrales Element für die Multiplikation – die ganze Zahl \(1\) – aber zum Beispiel hat \(2\) kein multiplikatives Inverses: Es gibt keine ganze Zahl \(a\) mit \(2a=1\). (In der Tat sind \(1\) und \(-1\) die einzigen Elemente, die ein multiplikatives Inverses haben, und zwar jeweils sich selbst.) Was die Bedingungen an die Addition (und die Distributivität) angeht, sind alle Bedingungen erfüllt.
Die Menge der natürlichen Zahlen ist ebenfalls kein Körper. In diesem Fall gibt es für Elemente \(\ne 0\) nicht einmal ein additives Inverses.
Literatur zu den oben genannten (und anderen) Zahlbereichen:
T. Körner, Where do Numbers Come From?, Cambridge Univ. Press, 2020.
J. Kramer, A. von Pippich, Von den natürlichen Zahlen zu den Quaternionen, Springer 2013, https://doi.org/10.1007/978-3-658-02055-2, oder die erweiterte englische Übersetzung From Natural Numbers to Quaternions, https://doi.org/10.1007/978-3-319-69429-0.
Oder der Klassiker
H. D. Ebbinghaus et al., Zahlen, Springer 1992.
Zum Beispiel ist \(\mathbb R\) ein Erweiterungskörper von \(\mathbb Q\).
Sei \(\mathbb C\) die Menge aller Paare \((a,b)\) von reellen Zahlen. Eine komplexe Zahl können wir also auch als einen Punkt in der reellen Ebene \(\mathbb R^2\) auffassen, wenn wir die beiden Einträge des Paars \((a,b)\) als Koordinaten verstehen. Man spricht daher auch von der komplexen Zahlenebene.
Wir definieren eine Addition
und eine Multiplikation
Es ist dann nicht schwer zu überprüfen, dass \(\mathbb C\) mit diesen Verknüpfungen ein Körper ist. Dass die Kommutativgesetze für \(+\) und \(\cdot \) gelten, kann man unmittelbar nachprüfen. Die Gültigkeit der Assoziativgesetze und des Distributivgesetzes kann man auch direkt nachrechnen; weil es etwas lästig ist, lassen wir die Rechnung hier aus. Wir werden aber später eine Möglichkeit kennenlernen, die Gültigkeit dieser Gesetze ohne weiteren Rechenaufwand zu beweisen, siehe Bemerkung 5.42.
Es ist direkt ersichtlich, dass \(0_{\mathbb C} = (0,0)\) neutrales Element bezüglich der Addition und dass \(1_{\mathbb C} = (1,0)\) neutrales Element bezüglich der Multiplikation ist.
Das Negative (d.h. das additive Inverse) von \((a,b)\) ist \((-a, -b)\). Am schwierigsten ist es vielleicht zu sehen, wie das multiplikative Inverse von \((a,b)\) gegeben ist (sofern nicht \(a=b=0\) gilt). Wenn man die Formel
einmal hat, ist es aber leicht nachzurechnen, dass das Produkt dieser beiden Element tatsächlich gleich \(1_{\mathbb C}\) ist. Man beachte, dass \(a^2+b^2\ne 0\), weil \(a\) und \(b\) reelle Zahlen sind, die nicht beide verschwinden.
Dieser Körper heißt der Körper der komplexen Zahlen. Er enthält die reellen Zahlen als »Teilkörper«, das bedeutet: \(\mathbb R\to \mathbb C\), \(a \mapsto (a,0)\), ist eine injektive Abbildung, die mit Addition und Multiplikation in \(\mathbb R\) bzw. \(\mathbb C\) verträglich ist, d.h. es gilt
Mittels dieser Injektion identifizieren wir üblicherweise \(\mathbb R\) mit seinem Bild in \(\mathbb C\) und schreiben einfach \(a\) statt \((a,0)\). Hier benutzen wir den Begriff Teilkörper in einer Situation, die ein kleines bisschen allgemeiner ist als Definition 4.4, weil \(\mathbb R\) streng genommen keine Teilmenge von \(\mathbb C\) ist, sondern wir nur eine injektive Abbildung \(\mathbb R\to \mathbb C\) fixieren; diese kleine Ungenauigkeit wollen wir uns an dieser Stelle erlauben.
Das Element \((0,1)\), das oft mit \(i\) bezeichnet wird, hat die Eigenschaft
sein Quadrat ist \(-1\). In \(\mathbb C\) besitzt die quadratische Gleichung \(x^2 +1 = 0\) (anders als in \(\mathbb R)\) also eine Lösung, genauer die beiden Lösungen \(i\) und \(-i\). Allgemeiner gilt für \(b\in \mathbb R_{\ge 0}\), dass \((i\sqrt{b})^2 = (-i\sqrt{b})^2 = -b\), die quadratische Gleichung \(x^2+b=0\) ist also in \(\mathbb C\) lösbar. Es ist nicht sehr schwer zu zeigen, dass alle quadratischen Gleichungen mit Koeffizienten in \(\mathbb C\) auch eine Lösung in \(\mathbb C\) besitzen. Es gilt sogar der Fundamentalsatz der Algebra: Jedes nicht-konstante Polynom mit Koeffizienten in \(\mathbb C\) besitzt eine Nullstelle in \(\mathbb C\).
Es gilt \((a,b) = a+ib\), und meist schreibt man komplexe Zahlen in dieser Form. Man nennt dann \(a\) den Realteil und \(b\) den Imaginärteil der komplexen Zahl \(a+ib\).
Wir kratzen hier, in der linearen Algebra, nur an der Oberfläche der komplexen Zahlen. Sie spielen sowohl in der Analysis, speziell in der sogenannten Funktionentheorie, der Theorie komplex-differenzierbarer Funktionen, eine herausragende Rolle, sind aber beispielsweise auch in der Algebra und der algebraischen Geometrie sehr wichtig.
Für die Praxis ist es für Sie erstmal am wichtigsten, dass Sie wissen, wie Sie mit komplexen Zahlen rechnen. Und das ist ganz einfach: Man benutzt das Distributivgesetz, das Rechnen mit reellen Zahlen, und die Tatsache, dass \(i^2=-1\). Dann braucht man sich die Definitionen von Addition und Multiplikation in der obigen Form gar nicht zu merken. Zum Beispiel:
und um einen Bruch von komplexen Zahlen zu vereinfachen, erweitert man so, dass man im Nenner die dritte binomische Formel anwenden kann:
Da jeder Körper ein Nullelement und ein Einselement besitzt und diese nach Definition verschieden sein müssen, hat jeder Körper mindestens zwei Elemente. Es ist nicht schwer zu sehen, dass es genau einen Körper mit zwei Elementen gibt. Dieser wird mit \(\mathbb F_2\) bezeichnet.
Als Menge ist \(\mathbb F_2 = \{ 0, 1 \} \) (Achtung! Diese sind das Nullelement und das Einselement des Körpers \(\mathbb F_2\), nicht (zum Beispiel) das Nullelement und das Einselement des Körpers \(\mathbb Q\). Während es nicht so wichtig ist, die \(0\) und \(1\) von \(\mathbb Q\) bzw. \(\mathbb R\) zu unterscheiden – da es für die Addition und Multiplikation rationaler Zahlen unerheblich ist, ob wir sie als rationale oder als reelle Zahlen auffassen, ist diese Unterscheidung hier essenziell. Es kann ja zum Beispiel im Körper \(\mathbb F_2\) nicht \(1+1=2\) gelten, da \(2\) gar kein Element dieses Körpers ist!)
Um zu sehen, dass es tatsächlich die Möglichkeit gibt, auf \(\mathbb F_2 = \{ 0, 1 \} \) eine Addition und Multiplikation zu definieren, so dass die Körperaxiome erfüllt sind, überlegt man sich zunächst, dass nur die folgende Möglichkeit in Frage kommt:
\[ \begin{array}{c|cc} + & 0 & 1 \\ \hline 0 & 0 & 1 \\ 1 & 1 & 0 \end{array}\qquad \begin{array}{c|cc} \cdot & 0 & 1 \\ \hline 0 & 0 & 0 \\ 1 & 0 & 1 \end{array} \]Die Tabellen sind dabei folgendermaßen zu lesen: Die Summe \(a+b\) von Elementen \(a, b\in \mathbb F_2\) steht in der linken Tabelle in der Zeile zum Element \(a\) und der Spalte zum Element \(b\). Zum Beispiel ist \(1+0 = 1\), \(1+1=0\). Entsprechend sind in der rechten Tabelle alle Produkte von zwei Elementen eingetragen. Es ist dann (etwas langweilig, aber) nicht schwer, die Körperaxiome nachzuprüfen.
Der Körper \(\mathbb F_2\) ist kein Teilkörper von \(\mathbb Q\), denn (selbst wenn man die Menge \(\mathbb F_2 = \{ 0, 1 \} \) als Teilmenge von \(\mathbb Q\) auffassen könnte): in \(\mathbb F_2\) gilt \(1+1=0\), aber in \(\mathbb Q\) ist das nicht richtig.
Zwar ist die ganze Zahl \(2\) kein Element von \(\mathbb F_2\), es ist aber eine nützliche Sichtweise, in jedem Körper \(K\) neben \(0\) und \(1\) auch Elemente \(2_K\), \(3_3\), … zu definieren, und zwar als \(2_K := 1+1\), \(3_K = 1+1+1\), usw. (Und meist schreibt man dann wieder einfach \(2\), \(3\), usw. statt \(2_K\), \(3_K\). Wenn man Missverständnisse befürchtet, kann man \(2_{K}\), \(3_{K}\) schreiben, oder schreibt speziell im Fall von \(\mathbb F_2\) auch \(\overline{2}\), \(\overline{3}\), …, oder manchmal \([2]\), \([3]\), … für diese Elemente.) In diesem Sinne gilt dann im Körper \(\mathbb F_2\) die Gleichheit \(2 = 0\). Siehe Abschnitt 4.2.2.)
In ähnlicher Weise kann man einen Körper mit genau \(3\) Elementen konstruieren, für die wir hier die Bezeichnungen \(0\), \(1\), \(2\) wählen wollen, und dieser wird mit \(\mathbb F_3\)bezeichnet.
\[ \begin{array}{c|ccc} + & 0 & 1 & 2 \\ \hline 0 & 0 & 1 & 2 \\ 1 & 1 & 2 & 0 \\ 2 & 2 & 0 & 1 \end{array}\qquad \begin{array}{c|ccc} \cdot & 0 & 1 & 2 \\ \hline 0 & 0 & 0 & 0\\ 1 & 0 & 1 & 2 \\ 2 & 0 & 2 & 1 \end{array} \]Im Körper \(\mathbb F_3\) gilt also \((3 :=) 1+1+1 = 0\) und \(2 = -1\).
Wie im Fall von \(\mathbb F_2\) kann man auch hier die Körperaxiome direkt nachprüfen, allerdings ist es noch aufwändiger. Siehe Abschnitt 4.2.1 für eine bessere und gleichzeitig allgemeinere Lösung.
Es gibt keinen Körper mit genau \(6\) Elementen.
Für den Fall von \(6\) Elementen kann man das mit ein bisschen Mühe direkt einsehen, indem man nachprüft, dass es keine Möglichkeit gibt, eine Additions- und eine Multiplikationstabelle wie oben für eine sechselementige Menge aufzustellen, die mit den Körperaxiomen verträglich ist.
Allgemeiner können Sie in der Algebra-Vorlesung lernen, dass die Anzahl der Elemente eines Körpers entweder unendlich oder die Potenz einer Primzahl ist (siehe auch Ergänzung 6.57), und dass es zu jeder Primzahlpotenz \(q\) genau einen Körper mit \(q\) Elementen gibt.
Die Verknüpfung \((a,b)\mapsto a-b\) auf den rationalen Zahlen erfüllt weder das Assoziativgesetz noch das Kommutativgesetz (geben Sie dafür Beispiele!). Finden Sie weitere Verknüpfungen, die einige der Forderungen aus der Definition eines Körpers nicht erfüllen.
Das nächste Lemma zeigt, dass es ausreichen würde, in den Körperaxiomen die Existenz neutraler Elemente für Addition und Multiplikation zu fordern, da diese automatisch eindeutig bestimmt wären. Da die Axiome über die Existenz von Inversen aber auf die neutralen Elemente Bezug nehmen müssen, haben wir die Eindeutigkeit in unsere Definition aufgenommen. Außerdem sehen wir, dass die inversen Elemente jeweils eindeutig bestimmt sind.
In der Situation von Definition 4.1 sind die neutralen Elemente der Addition und der Multiplikation in \(K\) notwendigerweise eindeutig bestimmt, auch wenn dies nicht gefordert würde.
Für jedes \(a\in K\) ist das additive inverse Element eindeutig bestimmt. Für jedes \(a\in K^\times \) ist das multiplikative Inverse eindeutig bestimmt.
zu (1). Seien \(e\), \(e^\prime \) Elemente von \(K\), die beide die Eigenschaft eines neutralen Elements der Addition haben. Wir zeigen, dass dann \(e=e^\prime \) gelten muss; das beweist die behauptete Eindeutigkeit. In der Tat gilt
wobei wir bei der ersten Gleichheit benutzen, dass \(e^\prime \) ein neutrales Element bezüglich \(+\) ist, und bei der zweiten Gleichheit die entsprechende Eigenschaft für \(e\) ausnutzen.
Analog können wir für die Multiplikation argumentieren. Haben \(e, e^\prime \in K\) beide die Eigenschaft eines neutralen Elements bezüglich der Multiplikation, so folgt
zu (2). Sei nun \(a\in K\) und seien \(b, b^\prime \in K\) inverse Elemente von \(a\) bezüglich der Addition, d.h. es gelte \(a+b = b+a = 0\), \(a+b^\prime = 0\). Wir erhalten dann
Die Rechnung zur Eindeutigkeit der multiplikativen Inversen verläuft analog.
4.1.3 Rechenregeln
Sei \(K\) ein Körper, und seien \(a, b, c, \dots \) Elemente von \(K\).
Kürzungsregeln. Aus \(a+c = b+c\) folgt \(a = b\), denn wir können auf beiden Seiten \(-c\) addieren und erhalten \(a = a+ (c-c) = (a+c) - c = (b+c) -c = b\).
Ist \(c\ne 0\), so folgt aus \(ac = bc\) mit einem analogen Argument, dass \(a = b\), da \(c\) ein multiplikatives Inverses besitzt.
Multiplikation mit \(0\). Es gilt \(0\cdot a = 0\). In der Tat gilt \(0\cdot a = (0+0)\cdot a = 0\cdot a + 0\cdot a\), und die Behauptung folgt, indem wir auf beiden Seiten \(0\cdot a\) abziehen (mit anderen Worten: das Negative des Elements \(0\cdot a\) addieren).
Weitere Rechenregeln Es gilt \(-(-a) = a\). Warum?
Es gilt \((-1)\cdot a = -a\). In der Tat, \(a + (-1)\cdot a = 1\cdot a + (-1)\cdot a = (1 + (-1))\cdot a = 0\cdot a = 0\), und das bedeutet, dass \((-1)\cdot a\) die charakterisierende Eigenschaft des Negativen von \(a\) erfüllt.
Insbesondere folgt \((-1) \cdot (-1) = -(-1) = 1\), und daher auch \((-a)\cdot (-b) = ab\) für alle \(a\), \(b\).
Beachten Sie, dass wir in einem allgemeinen Körper keinen Begriff von positiven und negativen Elementen haben. Nicht nur haben wir diese Begriffe nicht in unsere Definition aufgenommen – es gibt Körper, in denen sie sich nicht sinnvoll (also mit den erwarteten Eigenschaften) definieren lassen. Im Körper der komplexen Zahlen gibt es ein Element \(i\) mit \(i\cdot i = -1\). (Auch in \(\mathbb F_2\) gibt es ein Element mit dieser Eigenschaft.) Aus den üblichen Eigenschaften der Begriffe positiv und negativ würde aber folgen, dass Quadratzahlen immer positiv (oder Null) sind, und dass \(-1\) negativ ist. Das lässt sich nicht mit der Gleichheit \(i^2 = -1\) in Einklang bringen.
Nullteilerfreiheit. Gilt \(ab=0\), so folgt \(a=0\) oder \(b=0\). Denn wenn \(a\ne 0\) ist, dann können wir die beiden Seiten der Gleichung \(ab=0\) mit \(a^{-1}\) multiplizieren und erhalten \(b=0\). (Oder äquivalent umformuliert: Sind \(a, b\in K^\times \), so ist \(ab\ne 0\), also \(ab\in K^\times \).)
Summen und Produkte mit mehr als zwei Elementen. Die Assoziativgesetze zeigen auch, dass man auch in Summen und Produkten von mehr als drei Elementen die Klammern nach Belieben setzen kann, ohne das Ergebnis zu verändern, zum Beispiel:
Daher können und werden wir es uns üblicherweise erlauben, die Klammern in solchen Ausdrücken wegzulassen. (Wenn mehrere Rechenoperationen in einem Ausdruck vorkommen, soll wie gesagt Punkt- vor Strichrechnung gelten, d.h. \(\cdot \) und \(/\) haben Priorität vor \(+\) und \(-\). Operatoren aus der gleichen Klasse (also \(+\), \(-\) einerseits und \(\cdot \), \(/\) andererseits) verarbeiten wir von links nach rechts.
Wir können in beliebigen Körpern die Summennotation \(\sum _{i=1}^n a_i\) und die Produktnotation \(\prod _{i=1}^n a_i\) anwenden, und wegen des Kommutativgesetzes sogar Summen (und analog Produkte) der Form \(\sum _{i\in I} a_i\) für endliche Mengen \(I\) und Familien \((a_i)_{i\in I}\) betrachten.
Wie beim Begriff des Erweiterungskörpers kann man auch hier die Situation betrachten, dass ein Körper \(K\) und ein Schiefkörper \(D\) gegeben sind, so dass \(K\subset D\) eine Teilmenge ist und dass die Addition und Multiplikation auf \(D\) für Elemente von \(K\) dieselben Ergebnisse liefert wie Addition und Multiplikation auf \(D\). Gilt zusätzlich noch \(xy = yx\) für alle \(x\in K\) und \(y\in D\), dann nennt man \(D\) eine (assoziative) Divisionsalgebra über \(K\). (In der Regel fordert man auch noch, dass \(D\) als \(K\)-Vektorraum von endlicher Dimension ist. Der Dimensionsbegriff wird uns aber erst später zur Verfügung stehen.)
Es ist ein interessantes Problem zu verstehen, welche Divisionsalgebren es über einem gegebenen Körper gibt. Ein Beispiel werden wir in der folgenden Ergänzung 4.11 kennenlernen.
Wir definieren auf \(\mathbb H:= \mathbb R^4 = \{ (a,b,c,d);\ a,b,c,d\in \mathbb R\} \) eine Addition durch
Die Multiplikation definieren wir durch
Man kann zeigen, dass \(\mathbb H\) mit diesen Operationen einen Schiefkörper bildet. Das neutrale Element der Addition ist \(0=(0,0,0,0)\), das neutrale Element der Multiplikation ist \(1 = (1,0,0,0)\). Dass die Addition alle geforderten Eigenschaften hat, ist klar.
Wenn wir \(\mathbb R\) mittels der Einbettung \(\mathbb R\to \mathbb H\), \(a\mapsto (a,0,0,0)\), mit der Teilmenge \(\{ (a,0,0,0);\ a\in \mathbb R\} \) identifizieren, dann ist \(\mathbb H\) sogar eine Divisionsalgebra über \(\mathbb R\), genannt die Algebra der Hamiltonschen Quaternionen.
Wir können sogar mit \(a+bi \mapsto (a,b,0,0)\) die komplexen Zahlen \(\mathbb C\) als Teilkörper in \(\mathbb H\) einbetten. Dann wird \(i\in \mathbb C\) auf das Element \((0,1,0,0)\in \mathbb H\) abgebildet, das man wieder mit \(i\) bezeichnet. Außerdem setzt man oft \(j := (0,0,1,0)\) und \(k := (0,0,0,1)\). Die oben angegebene Multiplikation ist die eindeutig bestimmte Verknüpfung, die \(\mathbb H\) zu einem Schiefkörper macht, so dass \((a, 0,0,0)(a^\prime , b^\prime , c^\prime , d^\prime ) = (aa^\prime , ab^\prime , ac^\prime , ad^\prime )\), und dass
gilt. So einfach das auch aussieht – Hamilton hat jahrelang darüber nachgedacht, wie man eine Divisionsalgebra über \(\mathbb R\) konstruieren könnte, bis ihm die Idee für die hier angegebene Multiplikation kam. Siehe Ergänzung 4.9.
Wir sehen, dass nicht \(xy=yx\) für alle \(x\in \mathbb C\) und \(y\in \mathbb H\) gilt, zum Beispiel ist
Es ist nicht sehr angenehm, die Schiefkörperaxiome anhand der hier gegebenen Formeln zu überprüfen, und es gibt bessere Methoden, wie wir in Kürze sehen werden (Ergänzung 5.64).
Siehe auch Ergänzung 9.44.
One of the big misapprehensions about mathematics that we perpetrate in our classrooms is that the teacher always seems to know the answer to any problem that is discussed. This gives students the idea that there is a book somewhere with all the right answers to all of the interesting questions, and that teachers know those answers. And if one could get hold of the book, one would have everything settled. That’s so unlike the true nature of mathematics.
L. Henkin
in: Steen, Albers (eds.), Teaching Teachers, Teaching Students,
Birkhäuser, 1981.
Gefunden auf http://math.furman.edu/~mwoodard/mqs/data.html