4.3 Adjunktion von Nullstellen nach Kronecker
Die folgende Konstruktion, die auf Leopold Kronecker (1823 – 1891) zurückgeht, ist von fundamentaler Bedeutung für das Studium von Körpererweiterungen.
Sei \(K\) ein Körper und sei \(f\in K[X]\) ein irreduzibles Polynom. Dann ist \(L := K[X]/(f)\) ein Erweiterungskörper von \(K\), und die Restklasse von \(X\) ist eine Nullstelle von \(f\) in \(L\).
Nach Voraussetzung ist \(f\) irreduzibel. Weil der Ring \(K[X]\) als Hauptidealring faktoriell ist, ist \(f\) ein Primelement, also ist \((f)\) ein maximales Ideal (Satz 3.20). Deshalb ist der Quotient \(L = K[X]/(f)\) ein Körper. Sei \(\pi \colon K[X]\to L\) die kanonische Projektion. Es gilt \(f(\pi (X)) = \pi (f(X)) = 0\), weil \(\pi \) ein Ringhomomorphismus ist, also ist \(\pi (X)\) eine Nullstelle von \(f\) in \(L\).
Wenn Sie Lust haben, schauen Sie sich an, wie umständlich die Beschreibung dieser Konstruktion in dem Buch [ Ar ] von Artin ist (S. 26 ff.), der in der Vorlesung, aus der das Buch entstanden ist, den Begriff des Quotienten eines Rings nach einem Ideal vermeiden wollte.
Sei \(K\) ein Körper und sei \(f\in K[X]\) ein nicht-konstantes Polynom. Dann gibt es einen Erweiterungskörper von \(K\), in dem \(f\) vollständig in Linearfaktoren zerfällt.
Wir zerlegen \(f\) als ein Produkt irreduzibler Polynome und adjungieren dann schrittweise mit dem vorherigen Satz Nullstellen von irreduziblen Faktoren hinzu, und zerlegen nach jedem Schritt das »verbleibende« Polynom erneut in irreduzible Polynome. Lineare Faktoren können wir dabei ignorieren, so dass in jedem Schritt der Grad des zu betrachtenden Polynoms sinkt. Das stellt sicher, dass dieser Prozess nach endlich vielen Schritten endet.
Sei \(K\) ein Körper und \(f\in K[X]\) ein Polynom. Für einen Erweiterungskörper \(L\) von \(K\) bezeichnen wir mit \(V(f, L)\subseteq L\) die Menge der Nullstellen von \(f\) in \(L\). Der folgende einfache Satz ist ein wichtiges Werkzeug, um Homomorphismen zwischen Körpern zu verstehen.
Seien \(K\) ein Körper, \(\alpha \) ein Element eines Erweiterungskörpers von \(K\), das über \(K\) algebraisch ist, und \(\left.L\middle /K\right.\) eine Körpererweiterung. Die Abbildung
induziert eine Bijektion
Sei \(\varphi \colon K[\alpha ]\to L\) ein \(K\)-Homomorphismus und sei \(f = \operatorname{minpol}_{K,\alpha }\). Es gilt dann \(f(\varphi (\alpha )) = \varphi (f(\alpha )) = 0\), also liegt \(\varphi (\alpha )\) in \(V(f, L)\). Weil \(K[\alpha ]\) als \(K\)-Algebra von \(\alpha \) erzeugt wird, ist jedes solche \(\varphi \) durch den Wert \(\varphi (\alpha )\) eindeutig bestimmt, die angegebene Abbildung ist also injektiv.
Für den Beweis der Surjektivität benutzen wir den Homomorphiesatz. Ist \(\beta \in V(f, L)\), so faktorisiert der Einsetzungshomomorphismus \(K[X]\to L\), \(X\mapsto \beta \) über den Quotienten \(K[X]/(f)\), wir erhalten also einen \(K\)-Homomorphismus \(K[\alpha ] \cong K[X]/(f)\to L\), der \(\alpha \) auf \(\beta \) abbildet.