18.8 Ergänzungen *
18.8.1 Kategorien
Der Begriff der Kategorie ist ein abstrakter Rahmen, um Begriffe wie den des Quotienten eines »Objekts« nach einem »(geeigneten) Unterobjekt«, den wir für Vektorräume, Gruppen und Ringe kennengelernt haben, in eine allgemeine Definition zu fassen, die dann auf verschiedene konkrete Situationen angewandt werden kann.
Die Grundidee in der Definition von Kategorien ist, dass für jede Art von »Objekten« auch definiert werden sollte, was die »Abbildungen« sind, die die »Struktur« dieser Objekte erhalten. Diese Sichtweise haben wir auch in der Linearen Algebra von Anfang an verfolgt: Zwischen Vektorräumen betrachten wir lineare Abbildungen (Vektorraumhomomorphismen), zwischen Gruppen betrachten wir Gruppenhomomorphismen, usw. In der folgenden Definition wird aber gar nicht verlangt, dass die Elemente der Mengen \(\operatorname{Hom}_{\mathcal C}(X, Y)\) wirklich Abbildungen zwischen Mengen (mit zusätzlicher Struktur) sind. Es genügt, dass sie sich in dem Sinne wie Abbildungen verhalten, dass eine Verkettung definiert ist, die assoziativ ist und für die ein neutrales Element existiert.
Eine Kategorie \(\mathcal C\) ist gegeben durch
Eine Klasse \({\operatorname{Ob}}(\mathcal C)\) von Objekten,
für je zwei Objekte \(X, Y\in {\operatorname{Ob}}(\mathcal C)\) eine Klasse \(\operatorname{Hom}_{\mathcal C}(X, Y)\) von Morphismen von \(X\) nach \(Y\),
für je drei Objekte \(X, Y, Z\in {\operatorname{Ob}}(\mathcal C)\) eine Verkettungsabbildung
\[ \circ \colon \operatorname{Hom}_{\mathcal C}(X, Y)\times \operatorname{Hom}_{\mathcal C}(Y, Z)\to \operatorname{Hom}_{\mathcal C}(X, Z), \quad (f,g)\mapsto g\circ f, \]
so dass gilt:
Wir nehmen an, dass (wie bei gewöhnlichen Abbildungen) durch einen Morphismus \(f\) sein Definitionsbereich und Ziel festgelegt sind, dass also \(\operatorname{Hom}_{\mathcal C}(X, Y) \cap \operatorname{Hom}_{\mathcal C}(X^\prime , Y^\prime ) = \emptyset \) ist, wenn nicht \(X=X^\prime \) und \(Y=Y^\prime \) gilt.
Seien \(U, X, Y, Z\in \operatorname{Ob}(\mathcal C)\) und seien Morphismen \(f\in \operatorname{Hom}_{\mathcal C}(U, X)\), \(g\in \operatorname{Hom}_{\mathcal C}(X, Y)\), \(h\in \operatorname{Hom}_{\mathcal C}(Y, Z)\) gegeben, Dann gilt
\[ h\circ (g\circ f) = (h\circ g)\circ f. \]Für alle \(X\) existiert ein Element \(\operatorname{id}_X\in \operatorname{Hom}_{\mathcal C}(X, X)\), so dass
\[ \operatorname{id}_X\circ f = f,\quad g\circ \operatorname{id}_X = g, \]für alle \(f\in \operatorname{Hom}_{\mathcal C}(Y, X)\), \(g\in \operatorname{Hom}_{\mathcal C}(X, Y)\).
Es ist leicht zu sehen, dass das Element \(\operatorname{id}_X\) durch die obige Eigenschaft eindeutig bestimmt ist. Bedingung (a) an die Disjunktheit der Hom-Klassen wird oft in der Definition einer Kategorie nicht explizit aufgeführt (und ist technisch gesehen auch verzichtbar), entspricht aber der Vorstellung von Morphismen als Abbildungen.
Wir schreiben statt \(f\in \operatorname{Hom}_{\mathcal C}(X, Y)\) oft \(f\colon X\to Y\) und stellen uns \(f\) als eine »Abbildung« von \(X\) nach \(Y\) im gegebenen Kontext vor. Dementsprechend nennen wir \(X\) auf den Definitionsbereich oder Start oder die Quelle von \(f\) und \(Y\) das Ziel (oder manchmal den Wertebereich) von \(f\). Man beachte aber, dass der Formalismus der Kategorien so allgemein gehalten ist, dass die Objekte einer Kategorie nicht unbedingt »Mengen mit Zusatzstrukturen (zum Beispiel Verknüpfungen)« sein müssen, und dementsprechend die Morphismen einer Kategorie nicht unbedingt Abbildungen sein müssen (oder sein könnten, je nachdem, was die Objekte sind).
Weil der Kategorienbegriff so allgemein und abstrakt ist, lässt er sich auf eine Vielzahl von Situationen anwenden, auch auf solche, wo man das zunächst nicht erwarten würde. Ein einfaches Beispiel ist Beispiel 18.111 (6). Resultate, die für jede Kategorie gelten, müssen daher auf ganz allgemeinen Argumenten basieren, die Beweise sind »sehr formal«. Daher wird die Kategorientheorie auch, halb scherzhaft, als Allgemeiner Unsinn, auf Englisch: abstract nonsense, bezeichnet. Dennoch ist diese Sichtweise nützlich, um Sachen, die aus »rein formalen« Gründen gelten, zu trennen von Ergebnissen, die nur in ganz bestimmten Situationen richtig sind.
Die Kategorie der Mengen hat als Objekte alle Mengen und als Morphismen zwischen Mengen \(X\) und \(Y\) alle Abbildungen \(X\to Y\).
Die Kategorie der Gruppen hat als Objekte alle Gruppen und als Morphismen zwischen Gruppen \(X\) und \(Y\) alle Gruppenhomomorphismen \(X\to Y\). Die Kategorie der abelschen Gruppen hat als Objekte alle abelschen Gruppen und als Morphismen zwischen abelschen Gruppen \(X\) und \(Y\) alle Gruppenhomomorphismen \(X\to Y\).
Die Kategorie der Ringe hat als Objekte alle Ringe und als Morphismen zwischen Ringen \(X\) und \(Y\) alle Ringhomomorphismen \(X\to Y\). Analog für kommutative Ringe.
Sei \(K\) ein Körper. Die Kategorie der \(K\)-Vektorräume hat als Objekte alle \(K\)-Vektorräume und als Morphismen zwischen \(K\)-Vektorräumen \(X\) und \(Y\) alle Vektorraumhomomorphismen \(X\to Y\).
Sei \(R\) ein kommutativer Ring. Die Kategorie der \(R\)-Moduln hat als Objekte alle \(R\)-Moduln und als Morphismen zwischen \(R\)-Moduln \(X\) und \(Y\) alle \(R\)-Modul-Homomorphismen \(X\to Y\).
Sei \((M, \le )\) eine partiell geordnete Menge. Wir konstruieren eine Kategorie \(\mathcal C\), indem wir \(\operatorname{Ob}(\mathcal C):=M\) setzen, und für \(X,Y\in M\) die Menge \(\operatorname{Hom}_{\mathcal C}(X,Y)\) der Morphismen definieren als eine einelementige Menge, falls \(X\le Y\), und als die leere Menge, wenn nicht \(X\le Y\) gilt. Gegeben \(f\colon X\to Y\) und \(g\colon Y\to Z\), so gilt \(X\le Y\), \(Y \le Z\), wegen der Transitivität einer partiellen Ordnung also \(X\le Z\), und damit besteht \(\operatorname{Hom}_{\mathcal C}(X, Y)\) aus genau einem Element, das wir als die Verknüpfung \(g\colon f\) definieren. Für \(X\in M\) gilt \(X\le X\), also hat \(\operatorname{Hom}_{\mathcal C}(X, X)\) genau ein Element, und dies ist \(\operatorname{id}_X\).
Ist umgekehrt \(\mathcal C\) eine Kategorie, deren Objekte eine Menge \(M\) bilden und in der für alle \(X, Y\in \operatorname{Ob}(\mathcal C)\) die Menge \(\operatorname{Hom}_{\mathcal C}(X, Y)\) höchstens ein Element hat, so ist
\[ X\le Y \quad \Longleftrightarrow \quad \operatorname{Hom}_{\mathcal C}(X, Y)\ne \emptyset \]eine partielle Ordnung auf \(M\).
Sei \(\mathcal C\) eine Kategorie und seien \(X, Y\in \operatorname{Ob}(\mathcal C)\).
Ein Morphismus \(f\colon X\to Y\) heißt Isomorphismus, wenn ein Morphismus \(g\colon Y\to X\) existiert, so dass \(g\circ f = \operatorname{id}_X\) und \(f\circ g= \operatorname{id}_Y\) gilt. Dann ist \(g\) durch \(f\) eindeutig bestimmt. Wir nennen \(g\) den Umkehrmorphismus von \(f\).
Ein Morphismus \(f\colon X\to Y\) heißt Monomorphismus, wenn für alle \(T\in \operatorname{Ob}(\mathcal C)\) und für alle Morphismen \(g\colon T\to X\), \(h\colon T\to X\) mit \(f\circ g = f\circ h\) gilt, dass \(g=h\) ist.
Ein Morphismus \(f\colon X\to Y\) heißt Epimorphismus, wenn für alle \(T\in \operatorname{Ob}(\mathcal C)\) und für alle Morphismen \(g\colon Y\to T\), \(h\colon Y\to T\) mit \(g\circ f = h\circ f\) gilt, dass \(g=h\) ist.
Sei \(\mathcal C\) die Kategorie der Mengen. Eine Abbildung von Mengen ist genau dann ein Isomorphismus, wenn sie bijektiv ist. Eine Abbildung von Mengen ist genau dann ein Monomorphismus, wenn sie injektiv ist. Eine Abbildung von Mengen ist genau dann ein Epimorphismus, wenn sie surjektiv ist. Alle diese Aussagen sind einfach zu beweisen.
Seien \(K\) ein Körper und \(\mathcal C\) die Kategorie der \(K\)-Vektorräume. Ein Vektorraumhomomorphismus ist genau dann ein Isomorphismus, wenn er bijektiv ist (Lemma LA1.7.10).
Ein Homomorphismus ist genau dann ein Monomorphismus, wenn er injektiv ist. Das ist nicht schwer zu zeigen.
Ein surjektiver Homomorphismus ist offensichtlich ein Epimorphismus. Ist andererseits \(f\colon V\to W\) ein Epimorphismus, so sind die Verkettungen von \(f\) mit der kanonischen Projektion und der Nullabbildung \(W\to \left.W\middle /\operatorname{Im}(f)\right.\) gleich, also ist die kanonische Projektion \(W\to \left.W\middle /\operatorname{Im}(f)\right.\) die Nullabbildung, und das bedeutet \(W = \operatorname{Im}(f)\).
Dieselben Aussagen gelten für die Kategorie der \(R\)-Moduln für jeden kommutativen Ring \(R\). Insbesondere erhalten wir (mit \(R=\mathbb Z\)) als Spezialfall diese Aussagen für die Kategorie der abelschen Gruppen.
Sei \(\mathcal C\) die Kategorie der Gruppen. Es ist nicht schwer zu zeigen, dass ein Gruppenhomomorphismus genau dann ein Isomorphismus ist, wenn er bijektiv, und genau dann ein Monomorphismus ist, wenn er injektiv ist. Ein surjektiver Gruppenhomomorphismus ist offensichtlich ein Epimorphismus. Die Umkehrung ist auch richtig, aber nicht so leicht zu zeigen.
Sei \(\mathcal C\) die Kategorie der kommutativen Ringe. Wie wir gesehen haben, ist ein Ringhomomorphismus genau dann ein Isomorphismus, wenn er bijektiv ist. Es ist klar, dass jeder injektive Ringhomomorphismus ein Monomorphismus ist. Ist andererseits \(f\colon R\to S\) ein Monomorphismus von kommutativen Ringen und \(x\in \operatorname{Ker}(f)\), so betrachten wir die beiden Ringhomomorphismen \(\mathbb Z[X]\to R\), die einerseits \(X\) auf \(x\) und andererseits \(X\) auf \(0\) abbilden. Die Verkettungen mit \(f\) sind dann gleich und aus der Monomorphismus-Eigenschaft folgt, dass \(x=0\) ist. Also ist \(f\) injektiv.
Es ist auch klar, dass jeder surjektive Ringhomomorphismus ein Epimorphismus ist. Die Umkehrung ist aber nicht richtig! Zum Beispiel ist die Inklusion \(\mathbb Z\to \mathbb Q\) ein Epimorphismus in der Kategorie \(\mathcal C\), wie man leicht nachprüft. An diesem Beispiel sehen wir auch, dass in dieser Kategorie ein Morphismus, der sowohl Mono- als auch Epimorphismus ist, nicht notwendig ein Isomorphismus ist.
Sei \(\mathcal C\) die Kategorie mit einzigem Objekt \(\mathbb R\) und mit differenzierbaren Abbildungen \(\mathbb R\to \mathbb R\) als Morphismen. Es ist klar, dass jeder Isomorphismus bijektiv ist. Aber nicht umgekehrt: Zum Beispiel ist die differenzierbare Abbildung \(\mathbb R\to \mathbb R\), \(x\mapsto x^3\), bijektiv, sie besitzt aber keine differenzierbare Umkehrabbildung.
Der Begriff der Kategorie passt perfekt zum Konzept der universellen Eigenschaft, wie wir nun in einigen Beispielfällen sehen werden.
Sei \(\mathcal C\) eine Kategorie, \(I\) eine Menge und \(X_i\), \(i\in I\) eine Familie von Objekten in \(\mathcal C\).
Ein Objekt \(P\) zusammen mit Abbildungen (»Projektionen«) \(\pi _i\colon P\to X_i\) heißt ein Produkt der Familie \((X_i)_i\), wenn für jedes Objekt \(T\) in \(\mathcal C\) zusammen mit Morphismen \(p_i\colon T\to X_i\) genau ein Morphismus \(\varphi \colon T\to P\) in \(\mathcal C\) existiert, so dass \(p_i = \pi _i\circ \varphi \) für alle \(i\in I\) gilt.
Ein Objekt \(S\) zusammen mit Abbildungen \(\iota _i\colon X_i\to S\) heißt ein Koprodukt der Familier \((X_i)_i\), wenn für jedes Objekt \(T\) in \(\mathcal C\) zusammen mit Morphismen \(f_i\colon X_i\to S\) genau ein Morphismus \(\varphi \colon S\to T\) in \(\mathcal C\) existiert, so dass \(f_i = \varphi \circ \iota _i\) für alle \(i\in I\) gilt.
Mit dem üblichen Argument folgt, dass Produkte und Koprodukte (wenn sie existieren) eindeutig bestimmt sind bis auf eindeutigen Isomorphismus. Wir bezeichnen das Produkt einer Familie \((X_i)_i\) mit \(\prod _{i\in I} X_i\) und das Koprodukt mit \(\coprod _{i\in I} X_i\) (oder manchmal mit \(\bigoplus _{i\in I} X_i\), insbesondere in sogenannten abelschen Kategorien, siehe Definition 18.122). Eigenschaften von Produkt und Koprodukt, die sich »vollständig in Termen von Abbildungen« formulieren lassen, kann man anhand der universellen Eigenschaft beweisen. Versuchen Sie das zum Beispiel mal bei dem folgenden Lemma.
Sei \(\mathcal C\) eine Kategorie, \(I\) eine Menge und \((X_i)_{i\in I}\), \((Y_i)_{i\in I}\) Familien von Objekten in \(\mathcal C\). Seien \(f_i\colon X_i\to Y_i\) Morphismen in \(\mathcal C\).
Es existiert eine eindeutig bestimmte Abbildung \(\prod _{i\in I}X_i\to \prod _{i\in I}Y_i\), so dass für alle \(j\) das folgende Diagramm kommutativ ist,
wobei die vertikalen Morphismen die Projektionen auf den \(j\)-ten Faktor sind.
Es existiert eine eindeutig bestimmte Abbildung \(\coprod _{i\in I}X_i\to \coprod _{i\in I}Y_i\), so dass für alle \(j\) das Diagramm
kommutativ ist, wobei die vertikalen Morphismen die natürlichen Abbildungen vom \(j\)-ten Objekt der gegebenen Familien in das Koprodukt sind.
Man sagt, Produkt und Koprodukt seien »funktoriell«, vergleiche Definition 18.126 und Beispiel 18.127 unten.
Man beachte, dass die definierende »universelle« Eigenschaft des Koprodukts aus derjenigen des Produkts genau dadurch hervorgeht, dass die »Richtung aller Pfeile umgedreht« wird, dass also jeweils die Rolle von »Definitionsbereich« und »Ziel« vertauscht werden. Dieses Umdrehen kann man auf praktisch jeden Begriff der Kategorientheorie anwenden, und das ist die Bedeutung der Vorsilbe Ko-.
Genauso können wir aus einer Kategorie \(\mathcal C\) eine weitere, die sogenannte duale (oder entgegengesetzte, Englisch: opposite category) bilden, indem wir »alle Pfeile umdrehen«:
Sei \(\mathcal C\) eine Kategorie. Die zu \(\mathcal C\) duale Kategorie \(\mathcal C^{\text op}\) hat als Objekte dieselben Objekte wie \(\mathcal C\). Für die Morphismen gilt
und
wobei \(\circ _{\mathcal C^{\text op}}\) bzw. \(\circ _{\mathcal C}\) die Verkettung in \(\mathcal C^{\text op}\) bzw. in \(\mathcal C\) bezeichne.
Sind \(X_i\), \(i\in I\), Objekte in \(\mathcal C\), so ist \(P\) (zusammen mit Projektionen wie in der Definition) genau dann ein Produkt der \(X_i\), wenn \(P\) (zusammen mit denselben Morphismen, aber als Morphismen in \(\mathcal C^{\text op}\) verstanden, also als Morphismen nach \(P\)) ein Koprodukt in \(\mathcal C^{\text op}\) ist.
Einige Beispiele für Produkte und Koprodukte haben wir bereits in Abschnitt 18.1 besprochen. In der Kategorie der Mengen sind kartesische Produkte von Mengen (mit den Projektionen auf die einzelnen Faktoren) Produkte im kategoriellen Sinn, disjunkte Vereinigungen (mit den Einbettungen der einzelnen Mengen in die disjunkte Vereinigung) sind Koprodukte. In den Kategorien der abelschen Gruppen, Vektorräume über einem Körper und Moduln über einem kommutativen Ring sind Produkte im herkömmlichen Sinn auch kategorielle Produkte und direkte Summen sind Koprodukte. In der Kategorie aller (d.h. nicht notwendig abelschen) Gruppen sind kartesische Produkte auch kategorielle Produkte. In dieser Kategorie existieren auch alle Koprodukte von Familien von Gruppen, diese sind aber (im allgemeinen) nicht durch die »direkte Summe« gegeben; zum Beispiel hat \(\mathbb Z\times \mathbb Z\) in der Kategorie der Gruppen nicht die universelle Eigenschaft des Koprodukts von \(\mathbb Z\) und \(\mathbb Z\). Überlegen Sie sich ein Beispiel dafür. In der Kategorie der Ringe sind kartesische Produkte mit den komponentenweisen Operationen auch Produkte im kategoriellen Sinn. Mithilfe des Tensorprodukts kann man zeigen, dass auch jede Familie von Ringen ein Koprodukt besitzt.
Sei \(\mathcal C\) eine Kategorie.
Wir nennen ein Objekt \(I\in \operatorname{Ob}(\mathcal C)\) ein initiales Objekt in \(\mathcal C\), wenn für jedes Objekt \(X\) in \(\mathcal C\) genau ein Morphismus von \(I\) nach \(X\) in \(\mathcal C\) existiert.
Wir nennen ein Objekt \(T\in \operatorname{Ob}(\mathcal C)\) ein terminales Objekt in \(\mathcal C\), wenn für jedes Objekt \(X\) in \(\mathcal C\) genau ein Morphismus von \(X\) nach \(T\) in \(\mathcal C\) existiert.
Wir nennen ein Objekt \(N\in \operatorname{Ob}(\mathcal C)\) ein Nullobjekt in \(\mathcal C\), wenn \(N\) sowohl ein initiales als auch ein terminales Objekt in \(\mathcal C\) ist, wenn also für jedes Objekt \(X\) in \(\mathcal C\) genau ein Morphismus von \(N\) nach \(X\) und genau ein Morphismus von \(X\) nach \(N\) in \(\mathcal C\) existieren.
Nicht in jeder Kategorie existiert ein initiales (bzw. terminales, Null-) Objekt. Wenn es existiert, so ist es (im allgemeinen nicht eindeutig bestimmt, aber) eindeutig bestimmt bis auf eindeutigen Isomorphismus. Insbesondere spricht man, wenn es existiert, von dem Nullobjekt in \(\mathcal C\) und bezeichnet es mit \(0_{\mathcal C}\) oder meist einfach mit \(0\).
Die definierende Eigenschaft eines initialen Objekts stimmt überein mit der definierenden Eigenschaft des Koprodukts mit leerer Indexmenge. Analog stimmt die definierende Eigenschaft eines terminalen Objekts überein mit der definierenden Eigenschaft des Produkts mit leerer Indexmenge.
In der Kategorie der Mengen ist die leere Menge ein initiales Objekt. Jede einelementige Menge ist ein terminales Objekt. (Und zwei einelementige Mengen sind nicht notwendig gleich, aber es gibt eine eindeutig bestimmte Bijektion, also einen eindeutig bestimmten Isomorphismus zwischen ihnen.) Die Kategorie der Mengen besitzt kein Nullobjekt.
In der Kategorie der Gruppen ist die triviale Gruppe \(\{ 1\} \) ein Nullobjekt, ebenso in der Kategorie der kommutativen Gruppen.
In der Kategorie der Ringe ist der Nullring ein terminales Objekt, und der Ring \(\mathbb Z\) ein initiales Objekt. Es gibt kein Nullobjekt in der Kategorie der Ringe. Dieselben Aussagen gelten in der Kategorie der kommutativen Ringe.
Ist \(K\) ein Körper bzw. allgemeiner \(R\) ein kommutativer Ring, so ist der Nullvektorraum das Nullobjekt in der Kategorie der \(K\)-Vektorräume, bzw. der Nullmodul \(\{ 0\} \) das Nullobjekt in der Kategorie der \(R\)-Moduln.
Sei \(\mathcal C\) eine Kategorie, die ein Nullobjekt \(0\) besitzt. Dann gibt es zu je zwei Objekten \(X, Y\in \operatorname{Ob}(\mathcal C)\) eine eindeutig bestimmte Abbildung \(n\colon X\to Y\) mit \(f\circ n = g\circ n\) für alle \(Z\) und \(f, g\in \operatorname{Hom}_{\mathcal C}(Y, Z)\) und \(n\circ f = n\circ g\) für alle \(f, g\in \operatorname{Hom}_{\mathcal C}(Z, X)\), nämlich die Verkettung \(X\to 0\to Y\) der beiden eindeutig bestimmten Abbildungen von \(X\) in das Nullobjekt und vom Nullobjekt nach \(Y\). Diese Abbildung nennen wir die Nullabbildung von \(X\) nach \(Y\), und bezeichnen sie mit \(0\).
Mit dem Begriff der Nullabbildung können wir den Begriff des Kerns eines Morphismus definieren (und definieren gleich dazu auch den »dualen« Begriff des Kokerns.
Seien \(\mathcal C\) eine Kategorie, die ein Nullobjekt \(0\) besitzt, und \(f\colon X\to Y\) ein Morphismus in \(\mathcal C\).
Ein Morphismus \(k\colon K\to X\) heißt ein Kern des Morphismus \(f\), wenn \(f\circ k = 0\) gilt und wenn für jeden Morphismus \(g\colon T\to X\) mit \(f\circ g = 0\) genau ein Morphismus \(h\colon T\to K\) mit \(g = k\circ h\) existiert.
Ein Morphismus \(c\colon Y\to C\) heißt ein Kokern des Morphismus \(f\), wenn \(c\circ f=0\) gilt und wenn für jeden Morphismus \(g\colon Y\to T\) mit \(g\circ f = 0\) genau ein Morphismus \(h\colon C\to T\) mit \(g = h\circ c\) existiert.
Man kann in Teil (1) der Definition auch sagen, \(K\) zusammen mit \(k\colon K\to X\) sei ein Kern von \(f\), wenn die entsprechende Eigenschaft erfüllt ist. Es ist aber in der allgemeinen Situation wichtig, den Morphismus von \(K\) nach \(X\) in das Datum aufzunehmen (genauso wie bei der universellen Eigenschaft des Quotienten die kanonische Projektion und bei der universellen Eigenschaft des Produkts die Projektionen auf die einzelnen Faktoren zu dem »Datum« gehören, für das eine universelle Eigenschaft formuliert wird). Aus der für \(h\) geforderten Eindeutigkeit folgert man leicht, dass ein Kern \(k\colon K\to X\) immer ein Monomorphismus ist. In den meisten der hier betrachteten Beispiele sind Monomorphismen injektive Abbildungen und wir können uns den Kern im kategoriellen Sinne dann als »Unterobjekt« (Untergruppe, Untervektorraum, …) von \(X\) vorstellen. Das entspricht unser bisherigen Sichtweise.
Wie alle durch eine universelle Eigenschaft definierten Begriffe sind auch Kern und Kokern eindeutig bestimmt bis auf eindeutigen Isomorphismus. Beispielsweise für den Kern bedeutet das: Wenn \(k\colon K\to X\) und \(k^\prime \colon K^\prime \to X\) die universelle Eigenschaft des Kerns desselben Morphismus \(f\colon X\to Y\) besitzen, so existiert ein eindeutig bestimmter Isomorphismus \(g\colon K\to K^\prime \) mit \(k^\prime \circ g = k\). (Es wird in der Regel noch viele andere Isomorphismen \(K\stackrel{\sim }{\smash {\longrightarrow }\rule{0pt}{0.4ex}}K^\prime \) geben, die nicht mit \(k\) und \(k^\prime \) kompatibel sind.)
Die Definition des Kokerns ist dual zur Definition des Kerns in dem Sinne, dass die Richtungen aller Pfeile umgekehrt werden. Inhaltlich fasst diese Definition genau die Aussage des Homomorphiesatzes.
In den Kategorien der Vektorräume über einem Körper und allgemeiner der Moduln über einem kommutativen Ring, insbesondere also in der Kategorie der abelschen Gruppen, ist der Kern eines Morphismus \(f\colon X\to Y\) gegeben durch die Inklusion \(\operatorname{Ker}(f)\to X\), wobei \(\operatorname{Ker}(f)\) den Kern von \(f\) im »gewöhnlichen« Sinne bezeichnet. Der Kokern von \(f\) ist die kanonische Projektion \(Y\to \left.Y\middle /f(X)\right.\).
Die Kategorie der Ringe besitzt (ebenso wie die Kategorie der kommutativen Ringe), wie wir gesehen haben, kein Nullobjekt, daher sind Kerne und Kokerne im kategoriellen Sinne überhaupt nicht definiert. Das ist insofern nicht so überraschend, als wir zwar den Kern eines Ringhomomorphismus definiert haben, es sich hierbei aber nicht um einen Ring handelt.
In den Kategorien der Vektorräume über einem Körper und allgemeiner der Moduln über einem kommutativen Ring, insbesondere also in der Kategorie der abelschen Gruppen, ist ein Morphismus genau dann ein Monomorphismus, wenn er der Kern irgendeines Morphismus ist, und ist genau dann ein Epimorphismus, wenn er der Kokern eines Morphismus ist. In der Tat ist jeder injektive Homomorphismus (von Vektorräumen, Moduln, abelschen Gruppen) der Kern eines Homomorphismus, und jeder surjektive Homomorphismus kann mit der kanonischen Projektion vom Definitionsbereich auf einen Quotienten (bis auf eindeutig bestimmten Isomorphismus) identifiziert werden. Diese Beobachtung liegt Teil (d) der folgenden Definition zugrunde.
Eine Kategorie \(\mathcal C\) heißt eine abelsche Kategorie, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:
Es existiert ein Nullobjekt in \(\mathcal C\).
Für alle \(X, Y\in \operatorname{Ob}(\mathcal C)\) ist \(\operatorname{Hom}_{\mathcal C}(X, Y)\) mit der Struktur einer abelschen Gruppe versehen (die wir additiv schreiben), so dass die Verkettung von Abbildungen bilinear ist.
Für je zwei Objekte \(X\), \(Y\) in \(\mathcal C\) existieren das Produkt \(X\times Y\) und das Koprodukt \(X\oplus Y\) von \(X\) und \(Y\) in \(\mathcal C\) und die natürliche Abbildung \(X\oplus Y \to X\times Y\) ist ein Isomorphismus.
Jeder Monomorphismus ist der Kern eines Morphismus in \(\mathcal C\) und jeder Epimorphismus ist der Kokern eines Morphismus in \(\mathcal C\).
Mit der natürlichen Abbildung in Teil (c) ist die folgende Abbildung gemeint. Aus \(\operatorname{id}_X\colon X\to X\) und \(0\colon Y\to X\) erhalten wir aus der universellen Eigenschaft des Koprodukts eine Abbildung \(X\oplus Y\to X\). Analog haben wir eine Abbildung \(X\oplus Y\to Y\). Aus der universellen Eigenschaft des Produkts bekommen wir nun eine Abbildung \(X\oplus Y\to X\times Y\). Äquivalent kann man auch zuerst mit der universellen Eigenschaft des Produkts Abbildungen \(X\to X\times Y\) und \(Y\times X\times Y\) konstruieren; man erhält daraus dieselbe Abbildung \(X\oplus Y\to X\times Y\).
Für eine abelsche Kategorie \(\mathcal C\) ist die Addition auf \(\operatorname{Hom}_{\mathcal C}(X, Y)\) eindeutig bestimmt, und zwar ist für \(f, g\in \operatorname{Hom}_{\mathcal C}(X, Y)\) die Summe \(f+g\) die natürliche Abbildung
wobei \(\times \) das Produkt und \(\oplus \) das Koprodukt in \(\mathcal C\) bezeichnet, die erste Abbildung durch \(f\) und \(g\) und die letzte Abbildung durch \(\operatorname{id}_Y\) und \(\operatorname{id}_Y\) gegeben ist, in de Mitte verwenden wir die Identifikation aus Teil (c). Daher ist Bedingung (a) (zusammen mit den anderen Bedingungen) tatsächlich eine Bedingung an \(\mathcal C\) (nämlich, dass die so beschriebene Verknüpfung eine Gruppe definiert) und kein zusätzliches Datum.
Aus den Bedingungen folgt, dass jeder Monomorphismus der Kern seines Kokerns und jeder Epimorphismus der Kokern seines Kerns ist.
Die Kategorie der abelschen Gruppen ist eine abelsche Kategorie, und dies ist sozusagen der Prototyp einer abelschen Kategorie.
Allgemeiner gilt: Ist \(R\) ein kommutativer Ring, so ist die Kategorie der \(R\)-Moduln eine abelsche Kategorie. Insbesondere ist die Kategorie der Vektorräume über einem Körper eine abelsche Kategorie.
Die Kategorien der Mengen, der Gruppen und der Ringe sind alle nicht abelsch. Die Kategorien der Mengen und der Ringe besitzen kein Nullobjekt. Die Kategorie der Gruppen besitzt zwar ein Nullobjekt, aber das Produkt von zwei Gruppen im kategoriellen Sinn ist im allgemeinen verschieden vom Koprodukt, siehe Beispiel 18.117.
Abelsche Kategorien verhalten sich in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich wie die Kategorie der abelschen Gruppen. (Der Einbettungssatz von Freyd und Mitchell macht eine präzise Aussage, die in diese Richtung geht.)
Sei \(\mathcal C\) die Kategorie der torsionsfreien \(\mathbb Z\)-Moduln (als Objekte) und mit allen \(\mathbb Z\)-Modul-Homomorphismen als Morphismen. Wie in der Kategorie aller \(\mathbb Z\)-Moduln tragen die \(\operatorname{Hom}\)-Mengen die Struktur einer additiven Gruppe, es gibt ein Nullobjekt (den Nullmodul) und zu je zwei torsionsfreien \(\mathbb Z\)-Moduln existieren Produkt und Koprodukt und stimmen überein (gegeben durch das kartesische Produkt der beiden Moduln, das einerseits torsionsfrei ist und andererseits die geforderten universellen Eigenschaften sogar in der Kategorie aller \(\mathbb Z\)-Moduln erfüllt).
Ist \(f\colon X\to Y\) ein Homomorphismus von torsionsfreien \(\mathbb Z\)-Moduln, so ist \(\operatorname{Ker}(f)\) (als Untermodul von \(X\)) ebenfalls torsionsfrei und die Inklusionsabbildung \(\operatorname{Ker}(f)\to X\) ist ein Kern von \(f\) im kategoriellen Sinne. Der \(\mathbb Z\)-Modul-Quotient \(Q:=\left.Y\middle /f(X)\right.\) ist im allgemeinen nicht torsionsfrei. Um zu beweisen, dass \(f\) einen Kokern in \(\mathcal C\) besitzt, müssen wir deshalb die Konstruktion etwas abwandeln und setzen \(C:=Q/T\), wobei \(T\subseteq Q\) der Torsionsuntermodul sei. Dann ist \(C\) torsionsfrei und die natürliche Abbildung \(Y\to C\) ist, wie man nachprüft, ein Kokern von \(f\) in \(\mathcal C\).
Aus der Beschreibung des Kokerns folgt auch (weil der Kokern bis auf eindeutigen Isomorphismus eindeutig bestimmt ist und Isomorphismen in \(\mathcal C\) bijektive Abbildungen sind), dass ein Kokern \(Y\to C\) immer durch einen surjektiven \(\mathbb Z\)-Modul-Homomorphismus gegeben ist. Deshalb ist der Epimorphismus \(\mathbb Z\to \mathbb Z\), \(x\mapsto 2x\), kein Kokern.
Es sind also die Bedingungen (a), (b) und (c) aus der Definition einer abelschen Kategorie erfüllt, nicht jedoch Bedingung (d). Daher ist \(\mathcal C\) nicht abelsch.
Der Morphismus \(f\colon \mathbb Z\to \mathbb Z\), \(x\mapsto 2x\) ist ein Monomorphismus und ein Epimorphismus, allerdings offenbar kein Isomorphismus, weil keine Umkehrabbildung existiert. Vergleiche das folgende Lemma 18.125.
Sei \(\mathcal C\) eine abelsche Kategorie und sei \(f\) ein Morphismus in \(\mathcal C\). Dann sind äquivalent:
\(f\) ist ein Isomorphismus,
\(f\) ist sowohl ein Monomorphismus als auch ein Epimorphismus.
Die Implikation (i) \(\Rightarrow \) (ii) gilt in jeder Kategorie. Wir skizzieren den Beweis von (ii) \(\Rightarrow \) (i). Zunächst zeigt man, dass wie schon erwähnt in einer abelschen Kategorie für jeden Epimorphismus \(f\) gilt, dass \(f\) der Kokern von \(\operatorname{Ker}(f)\) ist. (Analog ist jeder Monomorphismus der Kern seines Kokerns. Vergleiche die obigen Beispiele.)
Ist \(f\colon X\to Y\) ein Monomorphismus, so ist \(0\to X\) ein Kern von \(f\). Ist also \(f\) ein Mono- und gleichzeitig ein Epimorphismus, so ist \(f\) ein Kokern von \(0\to X\). Nun ist auch \(\operatorname{id}_X\) ein Kokern von \(0\to X\), also existiert ein eindeutig bestimmter Morphismus \(g\colon Y\to X\), so dass die Verkettung \(X\to Y\to X\) von \(f\) und diesem Morphismus die Identität \(\operatorname{id}_X\) ist. Aus \(g\circ f=\operatorname{id}_X\) folgt \(f\circ g\circ f = \operatorname{id}_Y\circ f\) und damit (weil \(f\) ein Epimorphismus ist) dass \(f\circ g = \operatorname{id}_Y\) gilt. Also ist \(g\) ein Umkehrmorphismus von \(f\) und mithin \(f\) ein Isomorphismus.
Zum Abschluss des Exkurses über Kategorien besprechen wir noch kurz den Begriff des Funktors. Funktoren sind sozusagen Abbildungen zwischen Kategorien. Dabei muss man nicht nur sagen, wie die Objekte abgebildet werden, sondern auch, was mit den Morphismen passiert. Wir haben schon einige Beispiele von »funktoriellen Konstruktionen« gesehen, ohne den Begriff zu verwenden.
Seien \(\mathcal C\) und \(\mathcal D\) Kategorien.
Ein kovarianter Funktor \(F\colon \mathcal C\to \mathcal D\) ist gegeben durch die folgenden Daten:
Für jedes Objekt \(X\) von \(\mathcal C\) ein Objekt \(F(X)\) von \(\mathcal D\) und
für jeden Morphismus \(f\colon X\to Y\) in \(\mathcal C\) einen Morphismus \(F(f)\colon F(X)\to F(Y)\),
so dass \(F(\operatorname{id}_X) = \operatorname{id}_{F(X)}\) für alle Objekte \(X\) von \(\mathcal C\) und \(F(f\circ g) = F(f)\circ F(g)\) für alle Morphismen \(f\), \(g\) in \(\mathcal C\) gilt, deren Verkettung man bilden kann.
Ein kontravarianter Funktor von \(\mathcal C\) nach \(\mathcal D\) ist ein (kovarianter) Funktor \(\mathcal C^{\text{op}}\to \mathcal D\) von der dualen Kategorie von \(\mathcal C\) nach \(\mathcal D\), also gegeben durch die folgenden Daten:
Für jedes Objekt \(X\) von \(\mathcal C\) ein Objekt \(F(X)\) von \(\mathcal D\) und
für jeden Morphismus \(f\colon X\to Y\) in \(\mathcal C\) einen Morphismus \(F(f)\colon F(Y)\to F(X)\), (kontravariante Funktoren »drehen die Pfeile um«!)
so dass \(F(\operatorname{id}_X) = \operatorname{id}_{F(X)}\) für alle Objekte \(X\) von \(\mathcal C\) und \(F(f\circ g) = F(g)\circ F(f)\) für alle Morphismen \(f\), \(g\) in \(\mathcal C\) gilt, deren Verkettung man bilden kann.
Unter einem Funktor verstehen wir, wenn nicht ausdrücklich gesagt wird, dass er kontravariant sei, einen kovarianten Funktor.
Ordnen wir jeder Gruppe die zugrundeliegende Menge und jedem Gruppenhomomorphismus die entsprechende Abbildung von Mengen zu, so erhalten wir einen (kovarianten) Funktor von der Kategorie der Gruppen in die Kategorie der Mengen. Diese Art von Funktor nennt man Vergissfunktor. Analog hat man zum Beispiel die Vergissfunktoren von der Kategorie der Vektorräume über einem Körper \(K\) in die Kategorie der (kommutativen) Gruppen und in die Kategorie der Mengen, von der Kategorie der Ringe in die Kategorie der Gruppen.
Sei \(K\) ein Körper und \(\mathcal C\) die Kategorie der \(K\)-Vektorräume. Ordnen wir jedem \(K\)-Vektorraum seinen Dualraum und jedem Homomorphismus die duale Abbildung zu, so erhalten wir einen kontravarianten Funktor von \(\mathcal C\) in sich selbst.
Sei \(K\) ein Körper. Sei \(\mathcal C\) die Kategorie der Paare \((V, W)\) von Vektorräumen, mit Paaren \((V\to V^\prime , W\to W^\prime )\) als Morphismen (und der offensichtlichen Verkettung). Dann ist die Zuordnung \((V, W)\mapsto V\otimes _KW\) (auf Objekten) und \((f, g)\mapsto f\otimes g\) (auf Morphismen) ein Funktor von \(\mathcal C\) in die Kategorie der \(K\)-Vektorräume. Eine analoge Aussage gilt für das Tensorprodukt von Moduln über einem kommutativen Ring \(R\).
Sei \(K\) ein Teilkörper eines Körpers \(L\) (allgemeiner kann man statt der Inklusion \(K\to L\) im folgenden irgendeinen Ringhomomorphismus \(R\to S\) betrachten). Dann ist die Zuordnung \(V\mapsto V\otimes _KL\) (auf Objekten) und \(f\mapsto f_L\) (auf Morphismen), wie in Abschnitt 18.5.3 (bzw. Bemerkung 18.87) betrachtet, ein Funktor von der Kategorie der \(K\)-Vektorräume in die Kategorie der \(L\)-Vektorräume.
Ist \(K\) ein Körper und \(n\in \mathbb N\), so ist das Bilden der \(n\)-ten äußeren Potenz ein Funktor von der Kategorie der \(K\)-Vektorräume in sich selbst.
Literatur zum Thema Kategorien:
Ein Klassiker ist das Buch [ Ma ] von MacLane (das im Grunde schon viel mehr Material enthält als viele »working mathematicians« überhaupt benötigen).
Das Buch von Brandenburg ist gut zugänglich und stellt an vielen Stellen die Verbindung von kategoriellen Konzepten zu verschiedenen anderen Gebieten der Mathematik her. (Auch wenn ich den ersten Satz des Vorworts so nicht unterschreiben würde …; es ist aber richtig, dass (ein bisschen, und manchmal auch eine ganze Menge) Kategorientheorie in vielen zentralen Gebieten der Mathematik benutzt (und benötigt) wird.)
M. Brandenburg, Einführung in die Kategorientheorie, Springer 2016.
https://doi.org/10.1007/978-3-662-47068-8
Eine weitere gute Einführung ist T. Leinster, Basic category theory, Cambridge University Press, 2014.
Eine Vorversion ist frei verfügbar unter https://arxiv.org/pdf/1612.09375.pdf.
Der Formalismus von Kategorien wird auch außerhalb der Mathematik benutzt, um »Strukturen zu beschreiben« bzw. »Daten zu organisieren«. Siehe zum Beispiel
Tai-Danae Bradley, What is applied category theory?,
https://arxiv.org/pdf/1809.05923.pdf
für einige Beispiele und weitere Referenzen.
18.8.2 Quotienten von Ringen nach Idealen
Wir geben hier noch einige Ergänzungen zu den Themen Ideale in kommutativen Ringen und Quotienten von kommutativen Ringen nach Idealen. Wir wiederholen aus Ergänzung 15.7 die Definition des Begriffs Primideal und definieren dazu den Begriff des maximalen Ideals.
Sei \(R\) ein kommutativer Ring.
Ein Ideal \(\mathfrak p\subset R\) heißt Primideal, wenn \(\mathfrak p\ne R\) ist und wenn für alle \(x, y\in R\) mit \(xy\in \mathfrak p\) gilt, dass \(x\in \mathfrak p\) oder \(y\in \mathfrak p\) ist.
Ein Ideal \(\mathfrak m\subset R\) heißt maximales Ideal, wenn \(\mathfrak m\ne R\) ist und \(\mathfrak m\) maximal mit dieser Eigenschaft bezüglich der Inklusion von Idealen ist, d.h. wenn für jedes Ideal \(\mathfrak a\subseteq R\) mit \(\mathfrak m\subseteq \mathfrak a\subseteq R\) gilt: \(\mathfrak a = \mathfrak m\) oder \(\mathfrak a = R\).
Wir können nun Lemma 15.77 wie folgt verallgemeinern:
Seien \(R\) ein kommutativer Ring und \(\mathfrak p\subseteq R\) ein Ideal. Dann sind äquivalent:
der Quotient \(\left.R\middle /\mathfrak p\right.\) ist ein Integritätsring,
das Ideal \(\mathfrak p\) ist ein Primideal.
Der Beweis ist nicht schwierig, wir lassen ihn hier aus.
Auch für maximale Ideale können wir eine Charakterisierung anhand des Quotienten geben.
Sei \(R\) ein kommutativer Ring und \(\mathfrak m \subseteq R\) ein Ideal. Dann sind äquivalent:
der Quotient \(\left.R\middle /\mathfrak m\right.\) ist ein Körper,
das Ideal \(\mathfrak m\) ist ein maximales Ideal.
Wenn \(\left.R\middle /\mathfrak m\right.\) ein Körper und \(a\in R\setminus \mathfrak m\) ist, dann existiert \(b\in R\) mit \(ab-1\in \mathfrak m\). Daraus folgt, dass \(a\) und \(\mathfrak m\) zusammen das Einsideal erzeugen. Es kann außer \(R\) selbst also keine Ideale geben, die \(\mathfrak m\) als echte Teilmenge enthalten.
Für die Implikation (ii) \(\Rightarrow \) (i) ist zu zeigen, dass jedes Element von \(\left.R\middle /\mathfrak m\right.\), das von Null verschieden ist, eine Einheit in diesem Ring ist. Mit anderen Worten: Für \(a\in R\setminus \mathfrak m\) besitzt die Restklasse \(a+\mathfrak m\) ein multiplikatives Inverses in \(\left.R\middle /\mathfrak m\right.\). Weil \(a\not\in \mathfrak m\) und \(\mathfrak m\) maximal ist, ist das von \(a\) und \(\mathfrak m\) erzeugte Ideal der ganze Ring \(R\), es gibt also \(x\in R\) und \(m\in \mathfrak m\) mit \(xa+m = 1\). Dann ist \(x+\mathfrak m\) das gesuchte Inverse von \(a+\mathfrak m\).
Insbesondere sehen wir:
Sei \(R\) ein kommutativer Ring und \(\mathfrak m \subseteq R\) ein maximales Ideal. Dann ist \(\mathfrak m\) ein Primideal.
Die Umkehrung ist im allgemeinen falsch, zum Beispiel sind die Ideale \((0)\subset \mathbb Z\) und \((X)\subset \mathbb Z[X]\) Primideale, die nicht maximal sind. In Hauptidealringen sind aber alle Primideale \(\ne 0\) maximal.
Sei \(R\) ein Hauptidealring und \(\mathfrak p\subset R\) ein Primideal, das nicht das Nullideal ist. Dann ist \(\mathfrak p\) ein maximales Ideal.
Sei \(\mathfrak p \subseteq \mathfrak a\subseteq R\) ein Ideal. Es existieren Elemente \(p, a\in R\) mit \((p) = \mathfrak p\), \((a) = \mathfrak a\). Weil \(\mathfrak p\) ein Primideal ist, ist \(p\) ein Primelement. Aus \(\mathfrak p \subseteq \mathfrak a\) folgt, dass \(d\in R\) existiert mit \(p = da\). Wegen der Irreduzibilität des Primelements \(p\) folgt, dass \(p\) zu \(a\) oder zu \(d\) assoziiert ist. Daraus folgt \((p) = (a)\) oder \((a) = R\).
Dieser Satz kann als Verallgemeinerung der Tatsache betrachtet werden, dass für Primzahlen \(p\in \mathbb Z\) die Restklassenringe \(\left.\mathbb Z\middle /p\right.\) Körper sind.
Sei \(R\) ein Ring und sei \(\mathfrak a\subsetneq R\) ein Ideal. Dann besitzt \(R\) ein maximales Ideal, das \(\mathfrak a\) enthält. Insbesondere besitzt jeder Ring \(R\ne 0\) ein maximales Ideal.
Dies folgt mit einem Standardargument aus dem Lemma von Zorn (siehe Abschnitt LA1.B.1): Die Menge der echten Ideale in \(R\), die \(\mathfrak a\) enthalten, ist nicht leer und ist bezüglich der Inklusion induktiv geordnet. Sie besitzt folglich ein maximales Element.
Wir können nun auch beweisen, dass von jedem kommutativen Ring \(R\), der nicht der Nullring ist, ein Homomorphismus \(R\to K\) in einen Körper \(K\) existiert. Dieses Ergebnis haben wir schon benutzt, um zu sehen, dass der Rang eines freien Moduls wohldefiniert ist.
Sei \(R\ne 0\) ein kommutativer Ring. Dann existiert ein Ringhomomorphismus \(R\to K\) von \(R\) in einen Körper \(K\).
Sei \(\mathfrak m\subset R\) ein maximales Ideal. Dann ist die kanonische Projektion \(R\to \left.R\middle /\mathfrak m\right.\) ein Ringhomomorphismus von \(R\) in einen Körper.
In den Vorlesungen Algebra und Kommutative Algebra wird die hier begonnene Theorie weitergeführt. Dort wird unter anderem erklärt, wie man die Menge aller Primideale eines kommutativen Rings \(R\), das sogenannte (Prim-)Spektrum von \(R\), mit einer geometrischen Struktur versehen kann. Diese Betrachtungsweise ist ein Kernelement der »modernen« algebraischen Geometrie, wie sie von A. Grothendieck eingeführt wurde. Grothendiecks Theorie der Schemata hat zu einer engen Verzahnung von (algebraischer) Geometrie und Zahlentheorie geführt. Viele Ergebnisse in diesen beiden Bereichen aus den letzten Jahrzehnten wären ohne sie nicht denkbar.
Wir geben zum Abschluss noch die folgende allgemeinere Form des chinesischen Restsatzes an, siehe Satz 15.61, Satz 18.36. Dafür bezeichnen wir für Ideale \(\mathfrak a\), \(\mathfrak b\) in einem Ring \(R\) mit
die Summe der beiden Ideale, das ist das von der Vereinigung \(\mathfrak a\cup \mathfrak b\) erzeugte Ideal, mit anderen Worten das kleinste Ideal von \(R\), das sowohl \(\mathfrak a\) als auch \(\mathfrak b\) enthält.
Seien \(R\) ein Ring und \(\mathfrak a_1, \dots , \mathfrak a_r\subseteq R\) Ideale, so dass \(\mathfrak a_i + \mathfrak a_j = R\) für alle \(i\ne j\) gilt. Sei \(\mathfrak a = \bigcap _{i=1}^r \mathfrak a_i\). Dann ist der natürliche Ringhomomorphismus
wobei \(\overline{x}\) die Restklasse von \(x\) im jeweiligen Quotienten bezeichne, surjektiv mit Kern \(\mathfrak a\) und induziert folglich einen Isomorphismus
Wir lassen den Beweis, den man ähnlich wie für Satz 15.61 führen kann, hier aus.
18.8.3 Konstruktion des Körpers der reellen Zahlen
Den Begriff des Quotienten von Ringen können wir benutzen, um den Körper \(\mathbb R\) der reellen Zahlen aus dem Körper \(\mathbb Q\) zu konstruieren. (Und zwar in wesentlich eleganterer Art und Weise als auf dem »naiven Weg«, dass \(\mathbb R\) die Menge aller Dezimalzahlen sei. Denn dabei muss man für die folgenden Probleme Lösungen finden: Erstens ist die Darstellung einer reellen Zahl als Dezimalzahl nicht unbedingt eindeutig, zum Beispiel gilt \(1 = 0,999\dots \). Zweitens ist es lästig, Addition und Multiplikation für (möglicherweise nach dem Komma unendliche) Dezimalzahlen überhaupt zu definieren, und dann die Körperaxiome zu beweisen. Es lohnt sich, ein bisschen darüber nachzudenken und sich klarzumachen, dass man diesen naiven Weg vermeiden möchte.) Wir benutzen den Begriff der Cauchy-Folge, wie er in der Vorlesung Analysis 1 eingeführt wird.
Wir betrachen das unendliche Produkt \(\mathbb Q^\mathbb N= \prod _{i\in \mathbb N} \mathbb Q\), dessen Elemente wir als Folgen rationaler Zahlen betrachen. Mit komponentenweiser Addition und Multiplikation ist \(\mathbb Q^\mathbb N\) ein Ring. Sei \(R\subseteq \mathbb Q^\mathbb N\) der Unterring aller Cauchy-Folgen, d. h. der Unterring aller derjenigen Folgen \((a_i)_i\), für die gilt:
Man beachte, dass wir nur \(\epsilon \in \mathbb Q_{{\gt} 0}\) (und nicht \(\in \mathbb R_{{\gt} 0}\)) betrachten, weil wir uns hier auf den Standpunkt stellen, die Existenz des Körpers \(\mathbb R\) noch nicht bewiesen zu haben.
Es ist leicht zu sehen, dass es sich bei \(R\) tatsächlich um einen Ring handelt.
Sei nun \(I\subseteq R\) das Ideal aller Nullfolgen, also aller derjenigen Folgen \((a_i)_i\), für die gilt:
Es ist leicht zu sehen, dass es sich bei \(I\) um ein Ideal von \(R\) handelt, das von \(R\) verschieden ist.
Behauptung. Das Ideal \(I\) ist ein maximales Ideal in \(R\).
Begründung. Es genügt, die stärkere Aussage zu zeigen, dass jedes Element von \(R\setminus I\) eine Einheit in \(R\) ist, denn dann kann es offensichtlich keine Ideale \(\ne R\) geben, die \(I\) echt enthalten. Sei also \((a_i)_i\) eine Cauchy-Folge, die keine Nullfolge ist. Es ist dann nicht schwer zu zeigen, dass \(N\in \mathbb N\) existiert, so dass \(a_i\ne 0\) für alle \(i\ge N\) gilt. Indem wir zu \((a_i)_i\) eine geeignete Nullfolge addieren (die wir so wählen können, dass alle Einträge mit Index \(\ge N\) gleich Null sind), können wir erreichen, dass alle Folgenglieder von Null verschieden sind. Die Restklasse von \((a_i)_i\) in \(\left.R\middle /I\right.\) ändert sich dadurch nicht, und wir nehmen nun an, dass \(a_i\ne 0\) für alle \(i\) gelte. Dann besitzt die Folge \((a_i)_i\) aber sogar in \(R\) ein multiplikatives Inverses, nämlich \((a_i^{-1})_i\). Dessen Restklasse ist ein Inverses der Restklasse von \((a_i)_i\).
Nach Lemma 18.130 ist \(K:=\left.R\middle /I\right.\) ein Körper. Dieser Körper »ist« der Körper der reellen Zahlen. Wir bezeichnen für \((a_i)_i\in R\) mit \([(a_i)_i]\in K\) die zugehörige Restklasse, also das Bild unter der kanonischen Projektion \(R\to K\). Ist \(a\in \mathbb Q\), so ist die konstante Folge \((a, a, \dots )\) ein Element von \(R\). Die Abbildung \(\mathbb Q\to K\), \(a\mapsto [(a, a, \dots )]\), ist ein injektiver Ringhomomorphismus, so dass wir \(\mathbb Q\) als Teilkörper von \(K\) betrachten können.
Hätten wir \(\mathbb R\) schon auf andere Weise konstruiert, so könnten wir folgendermaßen argumentieren, dass \(K\) und \(\mathbb R\) übereinstimmen: Weil jede Cauchy-Folge in \(\mathbb R\) einen (eindeutig bestimmten) Grenzwert besitzt, haben wir eine Abbildung
die surjektiv ist, weil sich jede reelle Zahl als Grenzwert einer (konvergenten) Folge von rationalen Zahlen schreiben lässt. Diese Abbildung ist ein Ringhomomorphismus mit Kern \(I\), induziert also einen Isomorphismus \(K=\left.R\middle /I\right.\to \mathbb R\).
Will man die obige Konstruktion benutzen, um die Existenz des Körpers der reellen Zahlen zu beweisen, ist nachzuweisen, dass der so konstruierte Körper \(K\) alle Axiome aus einem Axiomensystem erfüllt, die den Körper der reellen Zahlen charakterisieren. Beispielsweise genügt es, die folgenden Punkte abzuarbeiten (siehe zum Beispiel O. Forster, Analysis 1, Springer-Verlag):
(Anordnung) In \(K\) sind gewisse Elemente als positive Elemente ausgezeichnet (wir schreiben \(x {\gt} 0\), wenn \(x\) positiv ist, und bezeichnen mit \(K_{{\gt} 0}\) die Teilmenge aller positiven Elemente). Für jedes \(x\in K\) gilt genau eine der Aussagen \(x {\gt} 0\), \(x = 0\), \(0 {\gt} x\). Im letzteren Fall nennen wir \(x\) negativ.
Aus \(x, y {\gt} 0\) folgt \(x+y {\gt} 0\) und \(xy {\gt} 0\).
(Archimedisches Axiom) Wir definieren eine totale Ordnung \(\ge \) auf \(K\) durch
\[ x \ge y\quad \Longleftrightarrow \quad x-y {\gt} 0\ \text{oder}\ x = y. \]Dass es sich um eine totale Ordnung handelt, bedeutet dass für \(x,y\in K\) gilt \(x\ge y\) oder \(y\ge x\), es gilt \(x\ge x\) für alle \(x\), aus \(x\ge y\) und \(y\ge z\) folgt \(x\ge z\), und aus \(x\ge y\) und \(y\ge x\) folgt \(x = y\)
Als weiteres Axiom fordern wir: Für alle \(x, y {\gt} 0\) existiert \(n\in \mathbb N\) mit \(nx {\gt} y\).
(Vollständigkeitsaxiom) Wir definieren die Betragsfunktion \(\lvert \cdot \rvert \colon K\to K\) durch
\[ \lvert x\rvert := \begin{cases} x & \text{falls}\ x {\gt} 0,\\ 0 & \text{falls}\ x = 0,\\ -x & \text{falls}\ 0 {\gt} x. \end{cases} \]und erhalten so die Begriffe der Kovergenz und des Grenzwerts einer Folge von Elementen von \(K\) und der Cauchy-Folge von Elementen von \(K\): Eine Folge \((x_i)_i\) von Elementen von \(K\) heißt Cauchy-Folge, falls gilt:
\[ \forall \epsilon \in K_{{\gt} 0}\colon \exists N\in \mathbb N\colon \forall n, m\ge N\colon \lvert x_n-x_m\rvert \le \epsilon . \]Aus Bedingung (b) folgt, dass die Formulierung, die wir oben benutzt haben (mit \(\epsilon \in \mathbb Q_{{\gt} 0}\)), zu dieser Definition äquivalent ist. Insbesondere ist eine Folge \((a_i)_i\) rationaler Zahlen genau dann eine Cauchy-Folge im obigen Sinne, wenn es sich um eine Cauchy-Folge von Elementen in \(K\) handelt (wo wir jedes \(a_i\in \mathbb Q\) wie oben beschrieben als Element von \(K\) auffassen). In diesem Fall konvergiert die Folge \((a_i)_i\), als Folge in \(K\) betrachtet, in \(K\) gegen das Element \([(a_i)_i]\). Es ist also jedes Element von \(K\) der Grenzwert einer konvergenten Folge von Zahlen in \(\mathbb Q\).
Als letztes Axiom verlangen wir nun, dass jede Cauchy-Folge in \(K\) einen Grenzwert in \(K\) besitzt.
zu (a). Wir setzen \([(a_i)_i] {\gt} 0\), falls \(N\in \mathbb N\) existiert mit \(a_i {\gt} 0\) für alle \(i\ge N\). Man überprüft nun, dass diese Definition wohldefiniert, also unabhängig von der Wahl des Repräsentanten \((a_i)_i\) ist, und dass die in (a) genannten Eigenschaften erfüllt sind.
zu (b). Dies folgt aus einem Standardargument mit Cauchy-Folgen und der entsprechenden Eigenschaft der rationalen Zahlen.
zu (c). Sei \((x_i)_i\) eine Cauchy-Folge in \(K\). Jedes \(x_i\) ist ein Element von \(K=\left.R\middle /I\right.\). Wir haben oben gesehen, dass sich \(x_i\) dann als Grenzwert einer Folge rationaler Zahlen ausdrücken lässt, insbesondere existiert \(a_i\in \mathbb Q\) mit \(\lvert x_i-a_i\rvert {\lt} \frac1i\). Daraus folgt, weil \((x_i)_i\) eine Cauchy-Folge ist, dass \((a_i)_i\) eine Cauchy-Folge und damit ein Element von \(R\) ist. Man zeigt nun, dass in \(K\) gilt, dass \(\lim _{n\to \infty } x_n = [(a_i)_i]\) ist. Damit ist auch Teil (c) bewiesen.
Man kann auf die übliche Weise zeigen, dass die positiven Elemente in \(K\) genau diejenigen Elemente von \(K^\times \) sind, die sich als Quadrat eines Elements in \(K\) ausdrücken lassen. Daraus folgt, dass es keine andere Möglichkeit gibt, eine Teilmenge von »positiven Elementen« in \(K\) auszuzeichnen, so dass alle obigen Axiome erfüllt sind.
Siehe auch Beispiel LA1.4.2 und die in Abschnitt LA1.4.1.2 angegebenen Literaturverweise.