15.7 Ergänzungen *
Die Primeigenschaft (Definition 15.44) kann man nicht nur für Elemente, sondern auch für Ideale in einem Ring definieren (und zwar auch in Ringen, die keine Integritätsringe sind).
Ist \(R\) ein Integritätsring und \(p\in R\setminus \{ 0\} \), so sieht man mit Lemma 15.34 leicht, dass \(p\) genau dann ein Primelement ist, wenn das Hauptideal \((p)\) ein Primideal ist.
Andererseits kann zwar \(0\) per Definition kein Primelement sein, aber das Nullideal kann ein Primideal sein, genauer gilt:
Sei \(R\) ein Ring. Dann sind äquivalent:
Der Ring \(R\) ist ein Integritätsring.
Das Nullideal in \(R\) ist ein Primideal.
Mit etwas mehr Arbeit kann man die folgende Aussage zeigen:
Sei \(f\colon R\to S\) ein Ringhomomorphismus.
Wenn \(S\) ein Integritätsring ist, dann ist \(\operatorname{Ker}(f)\) ein Primideal in \(R\).
Wenn \(f\) surjektiv ist und \(\operatorname{Ker}(f)\) ein Primideal ist, dann ist \(S\) ein Integritätsring.
Sei nun \(K\) ein Körper. Sei \(f\colon \mathbb Z\to K\) der eindeutig bestimmte Ringhomomorphismus von \(\mathbb Z\) nach \(K\), siehe Beispiel 15.6. Der obige Satz sagt, dass \(\mathfrak p :=\operatorname{Ker}(f)\) ein Primideal von \(\mathbb Z\) ist.
Ist \(\mathfrak p \ne 0\), dann wird das Hauptideal \(\mathfrak p\) von einer ganzen Zahl \(p\ne 0\) erzeugt, von der wir ohne Einschränkung annehmen können, dass sie positiv ist. Da \(\mathfrak p \) ein Primideal ist, ist \(p\) eine Primzahl. Es ist dann leicht zu sehen, dass \(p\) die Charakteristik des Körpers \(K\) ist (Abschnitt LA1.4.2.2).
Gelte nun \(\mathfrak p = \operatorname{Ker}(\mathbb Z\to K) = 0\), mit anderen Worten: Sei der Ringhomomorphismus \(f\colon \mathbb Z\to K\) injektiv. Dann wird jede von Null verschiedene ganze Zahl auf eine Einheit in \(K\) abgebildet und wir können \(f\) fortsetzen zu einem Ringhomomorphismus
Dieser ist wieder injektiv, und sein Bild ist ein Teilkörper von \(K\). Wir können also \(\mathbb Q\) mit einem Teilkörper von \(K\) identifizieren, genauer: Es gibt einen Isomorphismus von \(\mathbb Q\) auf einen Teilkörper von \(K\).
Der Ring \(\mathbb Z[i]\) ist euklidisch, also insbesondere faktoriell. Das kann man benutzen um zu beweisen, dass sich eine Primzahl \(p {\gt} 2\) in \(\mathbb N\) genau dann als Summe von zwei Quadraten schreiben lässt, wenn \(p\equiv 1 \mod 4\) gilt. Siehe die Hausaufgaben auf den Übungsblättern 1, 2, 3.
Allgemein spielt die Ringtheorie eine sehr prominente Rolle in der elementaren und algebraischen Zahlentheorie, sowohl was die Untersuchung ähnlich konkreter (und einfacher) Fragen wie dieser angeht, als auch, was den weiteren konzeptionellen Aufbau der Theorie betrifft.
Im Skript zur Linearen Algebra war kurz von der abc-Vermutung die Rede (Abschnitt LA1.3.5), die man als Vermutung über eine Eigenschaft des Rings \(\mathbb Z\) der ganzen Zahlen verstehen sollte. Für den Polynomring \(K[X]\) über einem Körper \(K\) kann man eine analoge Aussage formulieren, deren Beweis interessanterweise gar nicht so schwierig ist. Dies ist der Satz von Mason und Stothers.
Um den Satz zu formulieren, definieren wir formal die »Ableitung« \(f^\prime \) eines Polynoms \(f=\sum _{i=0}^n a_iX^i \in R[X]\) (\(R\) ein kommutativer Ring) durch
also einfach durch Anwenden der üblichen Ableitungsregeln für Polynome. (Eine Interpretation wie über den reellen Zahlen, wo ein Grenzwertbegriff zur Verfügung steht, ist natürlich im allgemeinen Fall nicht möglich. Dennoch ist diese Definition öfters nützlich.) Man muss über allgemeinen Grundringen insofern ein bisschen aufpassen, als auch Polynome vom Grad \({\gt} 1\) als Ableitung das Nullpolynom haben können (zum Beispiel gilt das für \(X^2\in \mathbb F_2[X]\)). Über einem Körper der Charakteristik \(0\), also einem Körper, der den Körper \(\mathbb Q\) als Teilkörper enthält, tritt dieses Phänomen natürlich nicht auf.
Sei nun \(K\) ein Körper. Das Radikal \(\operatorname{rad}(f)\) eines Polynoms \(f\in K[X]\) wird definiert als das Produkt aller normierten irreduziblen Polynome, die \(f\) teilen. Es unterscheidet sich von \(f\) also höchstens um den Leitkoeffizienten und dadurch, dass diese Teiler in der Primfaktorzerlegung von \(f\) mit einem höheren Exponenten auftreten können. Zum Beispiel ist \(\operatorname{rad}(X^n)=X\) für alle \(n\ge 1\). Wenn \(f\) vollständig in Linearfaktoren zerfällt (also zum Beispiel, wenn \(K\) algebraisch abgeschlossen ist), dann ist \(\deg (\operatorname{rad}(f))\) die Anzahl der verschiedenen Nullstellen von \(f\) in \(K\).
Sei \(K\) ein Körper und seien \(a,b,c\in K[X]\setminus \{ 0\} \). Es gelte \(\operatorname{ggT}(a, b)=1\) und mindestens eines der Polynome \(a^\prime \), \(b^\prime \), \(c^\prime \) sei ungleich Null. Außerdem gelte
Dann gilt
Ein Beweis von Snyder wird auf der englischen Wikipedia-Seite skizziert.
Als eine leichte Folgerung aus dem Theorem kann man zeigen, dass im Polynomring \(K[X]\) über einem Körper der Charakteristik \(0\) das Analogon der Fermatschen Vermutung gilt:
Seien \(K\) ein Körper der Charakteristik \(0\), \(n\in \mathbb N\) und \(x, y, z\in K[X]\) paarweise teilerfremde Polynome, von denen mindestens eines Grad \(\ge 1\) hat und so dass
im Ring \(K[X]\) gilt. Dann ist \(n\le 2\).
Da \(x\), \(y\) und \(z\) paarweise teilerfremd sind, gilt \(\operatorname{rad}(xyz) = \operatorname{rad}(x)\operatorname{rad}(y)\operatorname{rad}(z)\), und natürlich gilt \(\operatorname{rad}(x)\, |\, x\), also \(\deg (\operatorname{rad}(x))\le \deg (x)\), entsprechend für \(y\) und \(z\). Aus dem Satz von Mason und Stothers erhalten wir demnach
und dieselbe Abschätzung auch für \(n\deg (y)\) und \(n\deg (z)\). Indem wir diese Ungleichungen addieren, sehen wir, dass
Da die Summe der Grade der drei Polynome als \({\gt} 0\) vorausgesetzt wurde, ist das nur für \(n\le 2\) möglich.
Zusatzfrage, die vermutlich nicht einfach ist. Die Bedingung, dass \(K\) Charakteristik \(0\) habe, ist hier nicht verzichtbar. Können Sie sehen, warum?
In der algebraischen Zahlentheorie und in der algebraischen Geometrie zeigt sich, dass die Ringe \(\mathbb Z\) und \(K[X]\) (\(K\) ein Körper) viele Gemeinsamkeiten haben, und diese Analogie wird dort ausgebaut auf eine größere Klasse von Ringen (die nicht mehr notwendig Hauptidealringe, noch nicht einmal unbedingt faktoriell sind), die sogenannten Ganzheitsringe in Zahlkörpern einerseits und in Funktionenkörpern andererseits. Das ermöglicht es manchmal, zwischen eher zahlentheoretischen und eher geometrischen Fragestellungen und Methoden hin- und herzugehen und hat zu einer sehr engen Verzahnung der modernen algebraischen Zahlentheorie mit der algebraischen Geometrie geführt.
Und noch zwei »Platzhalter«, die ich hoffentlich später einmal mit mehr Inhalt füllen kann. Für den Moment gebe ich Ihnen nur Verweise auf andere Quellen.
Bernstein-Polynome, siehe auch die englische Wikipedia. Dies ist eine interessante Familie von Polynomen, die sowohl für theoretische Fragen als auch in der Praxis (Stichworte Computergrafik, Bezier-Kurven, Computer Aided Design) eine Rolle spielen.
Siehe zum Beispiel [ Bo-A ] 4.4. Die Diskriminante eines Polynoms (mit Koeffizienten in einem Körper \(K\)) ist ein allgemeiner Ausdruck in den Koeffizienten des Polynoms (eine »Formel«), die genau dann den Wert \(0\) hat, wenn das Polynom (in irgendeinem Erweiterungskörper von \(K\)) eine mehrfache Nullstelle hat.
Zum Beispiel ist die Diskriminante eines quadratischen Polynoms \(aX^2+bX+c\) gleich \(b^2-4ac\) und Sie wissen (oder können es anhand der Lösungsformel für quadratische Gleichungen leicht nachprüfen), dass dieses Polynom genau dann eine doppelte Nullstelle hat, wenn \(b^2-4ac = 0\) gilt.
Es ist interessant, dass es für Polynome beliebigen Grades möglich ist, anhand einer solchen Formel festzustellen, ob mehrfache Nullstellen vorliegen (in irgendeinem Erweiterungskörper von \(K\)), dass es aber andererseits für Polynome vom Grad \(\ge 5\) keine allgemeine Formel für die Nullstellen selbst gibt.