Inhalt

18.2 Der Quotientenvektorraum

Wir kommen nun zur Konstruktion des Quotientenvektorraums. Dieser Konstruktion liegt die folgende Idee zugrunde: Sind \(K\) ein Körper, \(V\) ein \(K\)-Vektorraum und \(U\subseteq V\) ein Untervektorraum, so möchten wir einen neuen Vektorraum \(\left.V\middle /U\right.\) zusammen mit einem surjektiven Homomorphismus \(\pi \colon V\to \left.V\middle /U\right.\) konstruieren, der \(U\) als Kern hat. Die Konstruktion soll dabei nicht von irgendwelchen Wahlen abhängen (insbesondere wollen wir nicht benutzen, dass \(U\) ein Komplement in \(V\) besitzt – eine Tatsache, die den Basisergänzungssatz erfordert und die wir in der Linearen Algebra 1 deshalb auch nur für endlich erzeugte \(V\) bewiesen haben).

Bemerkung 18.13

Zur Einstimmung und Motivation stellen wir zwei Vorüberlegungen an.

  1. Seien \(K\) ein Körper, \(V\) ein \(K\)-Vektorraum und \(U\subseteq V\) ein Untervektorraum. Nehmen wir erstmal an, dass ein surjektiver Vektorraum-Homomorphismus \(p\colon V\to W\) mit Kern \(U\) gegeben ist. Wie sehen die Fasern von \(p\) aus?

    Jedenfalls gilt \(p^{-1}(0) = \operatorname{Ker}(p) = U\). Allgemeiner gilt für \(v, v^\prime \in V\), dass sie genau dann in derselben Faser liegen, wenn \(p(v)=p(v^\prime )\), oder äquivalent, wenn \(v-v^\prime \in U\) gilt.

    Wählen wir zu \(w\in W\) also irgendein \(v\in V\) mit \(p(v)=w\), so erhalten wir

    \[ p^{-1}(w) = v+U := \{ v+u;\ u\in U\} . \]

    Die Schreibweise \(v+U\) haben wir schon in den ersten Wochen der Vorlesung Lineare Algebra 1 eingeführt, um die Lösungsmengen von inhomogenen linearen Gleichungssystemen zu beschreiben. Teilmengen von \(V\) dieser Form entstehen einfach, indem man \(U\) »verschiebt«, d.h. zu allen Elementen von \(U\) denselben Vektor \(v\) addiert. Und ist \(v^\prime \) irgendein Element aus \(v+U\), so gilt \(v+U = v^\prime +U\). Mit anderen Worten haben wir

    \[ v+U = v^\prime +U \quad \Longleftrightarrow \quad v-v^\prime \in U. \]

    Diese Überlegungen können wir als Fahrplan benutzen, um in einer Situation, wo nur \(V\) und \(U\), aber nicht \(W\) und \(p\) gegeben sind, einen surjektiven Homomorphismus mit Kern \(U\) zu konstruieren.

  2. Die zweite Vorbereitung ist eine kurze Erinnerung an den Begriff der Äquivalenzrelation. Ist \(X\) eine Menge und \(\sim \) eine Äquivalenzrelation, dann bezeichnen wir \([x]\) die Äquivalenzklasse von \(x\in X\) und mit \(X/{\sim }\) die Menge der Äquivalenzklassen. Dann ist \(\pi \colon X\to X/{\sim }\), \(x\mapsto [x]\) eine surjektive Abbildung, und \(\pi (x) = \pi (x^\prime )\) gilt genau dann, wenn \(x\sim x^\prime \) ist.

    Ist umgekehrt \(p\colon X\to Y\) eine surjektive Abbildung, so ist

    \[ x\sim x^\prime \quad :\Longleftrightarrow \quad p(x)=p(x^\prime ) \]

    eine Äquivalenzrelation auf \(X\), und es gibt eine eindeutig bestimmte Abbildung \(X/{\sim }\to Y\), so dass das Diagramm

    \begin{tikzcd} 
            X\ar{rr}{p}\ar{dr}{\pi} & & Y\\
                                    & \aeklassen \ar{ur} 
        \end{tikzcd}

    kommutativ ist. Außerdem ist die Abbildung \(X/{\sim }\to Y\) bijektiv.

Nach diesen vorbereitenden Überlegungen können wir den Quotientenvektorraum konstruieren. Sei \(K\) ein Körper. Es seien \(V\) ein \(K\)-Vektorraum und \(U\subseteq V\) ein Untervektorraum. Wir definieren auf \(V\) die folgende Äquivalenzrelation:

\[ v\sim v^\prime \quad :\Longleftrightarrow \quad v-v^\prime \in U. \]

Es ist fast offensichtlich, dass es sich um eine Äquivalenzrelation handelt: \(v\sim v\) gilt, weil \(U\) als Untervektorraum die \(0\) enthält, für \(v\sim v^\prime \) gilt auch \(v^\prime \sim v\), weil \(U\) mit jedem Element auch sein Negatives enthält, und die Transitivität folgt (für \(v\sim v^\prime \), \(v^\prime \sim v^{\prime \prime }\)) aus

\[ v^{\prime \prime }-v = (v^{\prime \prime }-v^\prime ) + (v^\prime -v) \in U, \]

weil \(U\) abgeschlossen ist unter der Addition. Wir bezeichnen die Menge der Äquivalenzklassen mit \(\left.V\middle /U\right.:= \left.V\middle /\sim \right.\).

Die Äquivalenzklasse von \(v\in V\) bezüglich dieser Äquivalenzrelation ist die Menge

\[ v + U = \{ v+u;\ u\in U\} . \]

Man nennt die Äquivalenzklassen die Nebenklassen (von \(U\) in \(V\)). Die Elemente der Äquivalenzklassen nennen wir auch Repräsentanten oder Vertreter der Äquivalenzklasse oder der Nebenklasse. Denn für jedes \(v^\prime \in v+U\) gilt \(v+U=v^\prime +U\) (denn zwei Nebenklassen sind – wie allgemein zwei Äquivalenzklassen bezüglich einer Äquivalenzrelation – entweder disjunkt oder gleich).

Als nächstes definieren wir auf \(\left.V\middle /U\right.\) die Struktur eines \(K\)-Vektorraums, d.h. wir definieren eine Addition und eine Skalarmultiplikation, so dass die Vektorraumaxiome erfüllt sind.

Addition. Wir würden für \(v, v^\prime \in V\) gerne die Definition

\[ (v+U)+(v^\prime +U):= (v+v^\prime )+U \]

machen. Wir müssen aber begründen, dass dies überhaupt wohldefiniert ist, weil die Nebenklassen \(v+U\) und \(v^\prime +U\) sich auch anders darstellen lassen:

\[ v+U = w +U\ \text{wenn}\ v-w\in U,\quad v^\prime +U = w^\prime +U\ \text{wenn}\ v^\prime -w^\prime \in U. \]

Dass die obige Definition tatsächlich sinnvoll ist, folgt daraus, dass wir dasselbe Ergebnis erhalten, wenn wir statt \(v\) und \(v^\prime \) die Vektoren \(w\) und \(w^\prime \) verwenden, um die Nebenklassen darzustellen:

\[ v-w, v^\prime -w^\prime \in U\quad \Rightarrow \quad (v+v^\prime ) - (w+w^\prime )\in U \quad \Rightarrow \quad (v+v^\prime )+U = (w+w^\prime )+U. \]

Weil die Zuordnungsvorschrift davon unabhängig ist, welche Repräsentanten der Nebenklassen wir verwenden, erhalten wir eine wohldefinierte Abbildung

\[ +\colon \left.V\middle /U\right.\times \left.V\middle /U\right.\longrightarrow \left.V\middle /U\right.,\quad (v+U)+(v^\prime +U) = (v+v^\prime )+U. \]

\begin{tikzpicture}  \begin{axis} [axis x line=middle, axis y line=middle, xmin=-12, xmax=11.5, ymin=-6.5, ymax=8.5, xtick={1}, ytick={1}] 

\draw [blue, ultra thick] (-12, -6) – (18, 9) node at (-8, -3) {$U$}; \draw [violet, ultra thick] (-12, -8) – (18, 7) node at (7,-1.5) {$v^\prime +U=w^\prime +U$}; \draw [black, ultra thick] (-12, 0) – (18, 15) node at (-7.2,5) {$v+ U = w+U$}; \draw [red, ultra thick] (-12, -2) – (18, 13); 

\draw [gray] (0, 0) – (-6, 3) – (-8,0) – (-2, -3) – (0,0); \draw [gray] (0, 0) – (-1, 5.5) – (5, 6.5) – (6, 1) – (0,0); 

\fill [black] (-6, 3) circle[radius=.7mm] node[above left, black] {$v$}; \fill [violet] (-2, -3) circle[radius=.7mm] node[below right, black] {$v^\prime $}; \fill [red] (-8, 0) circle[radius=.7mm] node[below right, black] {$v+v^\prime $}; 

\fill [black] (-1, 5.5) circle[radius=.7mm] node[above left, black] {$w$}; \fill [violet] (6, 1) circle[radius=.7mm] node[below right, yshift=5, black] {$w^\prime $}; \fill [red] (5, 6.5) circle[radius=.7mm] node[below right, black] {$w+w^\prime $}; \end{axis} 

\end{tikzpicture}
Addition von Nebenklassen: In der Regel gilt zwar, wie in der Abbildung hier, dass \(v+v^\prime \ne w+w^\prime \) ist. Aber die beiden Elemente liegen in derselben Nebenklasse modulo \(U\), nämlich der rot gezeichneten Geraden. Dies ist die Summe von \(v+U\) und \(w+U\).

Analog definieren wir eine Skalarmultiplikation. Die Vorschrift

\[ \alpha (v+U) := (\alpha v+U),\qquad \text{für}\ v\in V, \ \alpha \in K \]

ist wohldefiniert, denn im Fall \(v+U=v^\prime +U\) gilt \(v-v^\prime \in U\), also auch \(\alpha v-\alpha v^\prime = \alpha (v-v^\prime )\in U\) und damit \(\alpha v+U=\alpha v^\prime + U\). Wir erhalten also eine Abbildung

\[ K\times \left.V\middle /U\right.\longrightarrow \left.V\middle /U\right.,\quad \alpha \cdot (v+U) = (\alpha v)+U. \]

Es ist dann leicht nachzuprüfen, dass alle Vektorraumaxiome erfüllt sind. Weil die Abbildung \(\pi \colon V\to \left.V\middle /U\right.\), \(\pi (v) = v+U\), die jeden Vektor \(v\) auf seine Äquivalenzklasse abbildet, mit den Verknüpfungen verträglich ist, d.h.

\[ \pi (v+v^\prime ) = \pi (v)+\pi (v^\prime ),\quad \pi (\alpha v)=\alpha \pi (v),\quad \text{für alle}\ v,v^\prime \in V,\ \alpha \in K, \]

kann man das als eine rein formale Angelegenheit erledigen. Zum Beispiel wie folgt für das Assoziativgesetz:

\[ ((v_1+U)+(v_2+U))+(v_3+U) = (\pi (v_1)+\pi (v_2))+\pi (v_3) = \pi (v_1+v_2)+\pi (v_3) = \pi (v_1+v_2+v_3), \]

und genauso gilt

\[ (v_1+U)+((v_2+U)+(v_3+U)) = \pi (v_1+v_2+v_3). \]

Der Nullvektor in \(\left.V\middle /U\right.\) ist \(0+U = U\). Das Negative von \(v+U\) ist \(-v+U\).

Zudem ist dann klar, dass \(\pi \) ein surjektiver Vektorraum-Homomorphismus ist. Der Kern des Homomorphismus \(\pi \colon V\rightarrow \left.V\middle /U\right.\) ist \(\operatorname{Ker}\pi =U\), denn \(\pi (v) = 0+U\) ist gleichbedeutend mit \(v+U = 0+U\), also mit \(v\in U\).

Definition 18.14

Der oben konstruierte \(K\)-Vektorraum \(\left.V\middle /U\right.\) heißt der Quotient des Vektorraums \(V\) nach dem Untervektorraum \(U\).

Den surjektiven Homomorphismus \(\pi \colon V\to \left.V\middle /U\right.\) nennen wir die kanonische Projektion auf den Quotienten (oder manchmal die Quotientenabbildung).

Das Bild \(\pi (v)\) eines Elements \(v\in V\) unter der kanonischen Projektion \(\pi \colon V\to \left.V\middle /U\right.\) nennt man auch die Restklasse des Vektors \(v\) in \(\left.V\middle /U\right.\).

Beispiel 18.15
  1. Für \(U=\{ 0\} \) ist die kanonische Projektion \(V\to \left.V\middle /U\right.\) ein Isomorphismus, wir können also \(\left.V\middle /0\right.\) mit \(V\) identifizieren.

  2. Für \(U=V\) ist \(\left.V\middle /U\right.\) der Nullvektorraum, und für \(U\subsetneq V\) gilt \(\left.V\middle /U\right.\ne 0\).

  3. Seien \(U, W\subseteq V\) Komplementärräume, d.h. es gelte \(V=U\oplus W\). Dann ist die Verkettung

    \[ f\colon W\to V \to \left.V\middle /U\right. \]

    der Inklusion von \(W\) in \(V\) mit der kanonischen Projektion \(\pi \) ein Isomorphismus. (Einerseits ist \(\operatorname{Ker}(f) = \operatorname{Ker}(\pi )\cap W = U\cap W=0\), andererseits gilt für \(v=u+w\in V\) (mit \(u\in U\), \(w\in W\)) \(f(w) = w+U = v+U\), und daraus folgt die Surjektivität.)

\begin{tikzpicture}  \begin{axis} [axis x line=middle, axis y line=middle, xmin=-2.5, xmax=4.5, ymin=-2.5, ymax=3.5, xtick={-2, -1, ..., 4}, ytick={-2, -1, 1, 2, 3}] 

\draw [blue] (-3, -1.5) – (4.5,2.25) node at (3,2) {$U$}; \draw [black] (-3, 0.5) – (6.5,5.25) node at (-1.5,1.75) {$t+ U$}; \draw [green] (-1, 3) – (1, -3) node at (1, -2) {$W$}; 

\fill [red] (1, 2.5) circle[radius=.5mm] node[below right, black] {$t$}; \end{axis} 

\end{tikzpicture}
Im hier gezeigten Beispiel ist \(V=\mathbb R^2\) und \(U\) eindimensional. Die Nebenklassen sind die zu \(U\) parallelen Geraden. Für jeden Komplementärraum \(W\) von \(U\) in \(\mathbb R^2\) (also für jede Ursprungsgerade \(W\ne U\)) gilt, dass jede Nebenklasse die Gerade \(W\) in genau einem Punkt schneidet. Das besagt genau, dass die Abbildung
\[ W\to \mathbb R^2\to \left.\mathbb R^2\middle / U\right. \]
bijektiv ist.

Wie der folgende Satz zeigt, lässt sich auch der Quotientenvektorraum durch eine universelle Eigenschaft beschreiben. Wie im Fall von Produkt und Koprodukt charakterisiert die universelle Eigenschaft den Quotientenvektorraum (zusammen mit der kanonischen Projektion) eindeutig bis auf eindeutigen Isomorphismus. Zusammen mit der Präzisierung in Teil (2) wird der Satz oft als Homomorphiesatz bezeichnet.

Satz 18.16 Homomorphiesatz für Vektorräume

Seien \(K\) ein Körper, \(V\) ein Vektorraum über \(K\) und \(U\subseteq V\) ein Untervektorraum. Sei \(\pi \colon V\to \left.V\middle /U\right.\) die kanonische Projektion auf den Quotienten.

Sei \(W\) ein \(K\)-Vektorraum und \(f\colon V\rightarrow W\) ein Homomorphismus.

  1. (Universelle Eigenschaft des Quotienten) Wenn \(U\subseteq \operatorname{Ker}f\) gilt, dann existiert ein eindeutig bestimmter Homomorphismus \(\varphi \colon \left.V\middle /U\right.\rightarrow W\) mit \(\varphi \circ \pi = f\).

  2. Existiert \(\varphi \) mit \(\varphi \circ \pi = f\), so folgt \(U\subseteq \operatorname{Ker}f\). Sind \(f\) mit \(U\subseteq \operatorname{Ker}f\) und \(\varphi \) wie in (1), so gilt: \(\operatorname{Im}\varphi = \operatorname{Im}f\). Die Abbildung \(\varphi \) ist genau dann injektiv wenn \(U=\operatorname{Ker}f\) gilt, genauer gilt stets \(\operatorname{Ker}\varphi = \left.\operatorname{Ker}(f)\middle /U\right.\).

Beweis

zu (1). Da \(\pi \) surjektiv ist, gibt es wegen der Bedingung \(\varphi \circ \pi = f\) höchstens eine Möglichkeit, die Abbildung \(\varphi \) zu definieren: Es muss

\[ \varphi (v+U) = f(v) \]

gelten. Zu beweisen ist hier aber (als erstem Schritt), dass diese Vorschrift wohldefiniert ist! Für \(v,v^\prime \in V\) mit \(v+U=v^\prime +U\) gilt \(v-v^\prime \in U\subseteq \operatorname{Ker}(f)\), also \(f(v-v^\prime )=0\), d.h. tatsächlich \(f(v)=f(v^\prime )\). Wir können also \(\varphi (v+U)=f(v)\) definieren, weil der Wert \(f(v)\) nicht von der Wahl des Repräsentanten der Nebenklasse \(v+U\) abhängt.

Dass \(\varphi \) linear ist, ist dann leicht nachzuprüfen, zum Beispiel gilt

\[ \varphi ((v+U)+(v^\prime +U)) = \varphi ((v+v^\prime )+U)=f(v+v^\prime )=f(v)+f(v^\prime ) = \varphi (v+U)+\varphi (v^\prime +U). \]

Die Verträglichkeit mit der Skalarmultiplikation kann man anhand einer ähnlichen Rechnung einsehen.

zu (2). Wenn andererseits \(\varphi \colon \left.V\middle /U\right.\to W\) mit \(f=\varphi \circ \pi \) existiert, dann gilt \(\operatorname{Ker}(\varphi )\subseteq \operatorname{Ker}(\pi )=U\).

Dass \(\operatorname{Im}\varphi = \operatorname{Im}f\) gilt, ist ebenfalls eine direkte Konsequenz der Gleichheit \(f=\varphi \circ \pi \), weil \(\pi \) surjektiv ist.

Weil \(U\subseteq \operatorname{Ker}(f)\) ist, können wir den Quotientenvektorraum \(\left.Ker(f)\middle /U\right.\) bilden. Wir erhalten einen injektiven Vektorraum-Homomorphismus \(\left.\operatorname{Ker}(f)\middle /U\right.\to \left.V\middle /U\right.\), \(v+U\mapsto v+U\) (für \(v\in \operatorname{Ker}(f)\)), so dass wir \(\left.\operatorname{Ker}(f)\middle /U\right.\) als Untervektorraum von \(\left.V\middle /U\right.\) auffassen können. Es gilt dann

\[ v+U\in \operatorname{Ker}(\varphi ) \Leftrightarrow f(v) = 0 \in W \Leftrightarrow v\in \operatorname{Ker}(f) \Leftrightarrow v+U\in \left.\operatorname{Ker}(f)\middle /U\right.. \]

Damit haben wir gezeigt, dass \(\operatorname{Ker}\varphi = \left.\operatorname{Ker}(f)\middle /U\right.\) gilt. Insbesondere erhalten wir

\[ \varphi \ \text{injektiv} \Leftrightarrow \operatorname{Ker}(\varphi ) = 0 \Leftrightarrow \left.\operatorname{Ker}(f)\middle /U\right. = 0 \Leftrightarrow U=\operatorname{Ker}(f). \]

In der Situation des Homomorphiesatzes sagt man auch, die Abbildung \(f\) faktorisiere über \(\pi \) (oder über den Quotienten \(V/U\)) um auszudrücken, dass Sie sich als Verkettung von \(\pi \) und einem Homomorphismus \(V/U\to W\) schreiben lässt.

Wir halten noch einen besonders wichtigen Spezialfall fest, der sich direkt aus dem Satz ergibt.

Korollar 18.17

Sei \(f\colon V\rightarrow W\) ein Vektorraumhomomorphismus, \(\pi \colon V\rightarrow \left.V\middle /\operatorname{Ker}f\right.\) die kanonische Projektion, \(\iota \colon \operatorname{Im}f\rightarrow W\) die Inklusion. Dann faktorisiert \(f\) eindeutig als \(f=\iota \circ g\circ \pi \) mit einem Isomorphismus \(g\colon \left. V\middle /\operatorname{Ker}f\right. \rightarrow \operatorname{Im}f\).

Satz 18.18

Sei \(V\) endlichdimensional, \(U\subseteq V\) ein Untervektorraum. Dann ist \(\dim U + \dim \left.V\middle /U\right.= \dim V\).

Beweis

Das ist eine unmittelbare Konsequenz der Dimensionsformel für die lineare Abbildung \(\pi \colon V\to \left.V\middle /U\right.\), denn \(\pi \) ist surjektiv und hat Kern \(U\).

Alternativ kann man Beispiel 18.15 (3) heranziehen, um den Satz über die Dimension des Quotienten eines endlichdimensionalen Vektorraums zu beweisen. Dann erhält man aus Korollar 18.17 einen neuen Beweis der Dimensionsformel für lineare Abbildungen.

Satz 18.19

Seien \(V\) ein \(K\)-Vektorraum, \(f\colon V\to V\) ein Endomorphismus und \(U\subseteq V\) ein \(f\)-invarianter Untervektorraum. Dann »induziert« \(f\) einen Endomorphismus des Quotienten \(\left.V\middle /U\right.\), das heißt es gibt einen eindeutig bestimmten Endomorphismus \(\bar{f}\colon \left.V\middle /U\right.\to \left.V\middle /U\right.\), so dass das folgende Diagramm kommutiert:

\begin{tikzcd} 
            V\ar{r}{f}\ar{d}{\pi} & V\ar{d}{\pi}\\ \VmodU\ar{r}{\bar{f}} & \VmodU. 
        \end{tikzcd}

Beweis

Wir wenden den Homomorphiesatz auf das Diagramm

\begin{tikzcd}  V\ar{rr}{\pi\circ f} \ar{dr}{\pi} & & \VmodU \\
            & \VmodU. \ar[dashed]{ur}{}
        \end{tikzcd}

Weil \(U \subseteq \operatorname{Ker}(\pi \circ f)\) gilt (hier benutzen wir die Voraussetzung \(f(U)\subseteq U\)), erhalten wir eine eindeutig bestimmte gestrichelte Abbildung \(\bar{f}\colon \left.V\middle /U\right.\to \left.V\middle /U\right.\), so dass das Dreieck kommutativ ist. Mit dieser Abbildung ist dann auch das Quadrat in der Aussage des Satzes kommutativ.