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6.4 Basen, Basissätze

Satz 6.36

Seien \(K\) ein Körper und \(V\) ein \(K\)-Vektorraum. Sei \(B\) eine Teilmenge von \(V\). Dann sind äquivalent:

  1. \(B\) ist eine Basis von \(V\).

  2. \(B\) ist ein linear unabhängiges Erzeugendensystem von \(V\).

  3. \(B\) ist ein minimales Erzeugendensystem von \(V\) (d.h. \(B\) ist ein Erzeugendensystem von \(V\), aber keine echte Teilmenge \(B^\prime \subsetneq B\) ist ein Erzeugendensystem von \(V\)).

  4. \(B\) ist eine maximale linear unabhängige Teilmenge in \(V\) (d.h. \(B\) ist linear unabhängig und für jedes \(v\in V\setminus B\) ist \(B\cup \{ v\} \) linear abhängig).

Beweis

Einige der Argumente hier werden Ihnen aus dem Beweis von Lemma 6.35 bekannt vorkommen, aber weil diese Techniken so wichtig sind, und wir in dem Lemma erstmal nur den Fall einer endlichen Familie von Vektoren behandelt haben, wiederholen wir sie hier noch einmal.

(i) \(\Rightarrow \) (ii). Sei \(B\) eine Basis von \(V\). Nach Definition des Begriffs Basis ist klar, dass \(B\) ein Erzeugendensystem ist. Da der Nullvektor (wie jeder andere Vektor) in eindeutiger Weise als Linearkombination der Elemente von \(B\) dargestellt werden kann, folgt auch, dass \(B\) linear unabhängig ist.

(ii) \(\Rightarrow \) (iii). Sei \(B\) ein linear unabhängiges Erzeugendensystem von \(V\). Angenommen, es gäbe \(b\in B\), so dass auch \(B\setminus \{ b \} \) ein Erzeugendensystem ist. Dann existieren \(b_1, \dots , b_r \in B\setminus \{ b \} \) und \(a_1, \dots , a_r\in K\) mit

\[ b = a_1 b_1 + \cdots + a_r b_r, \]

also ist \(a_1 b_1 + \cdots + a_r b_r - b = 0\) eine Linearkombination, die den Nullvektor darstellt. Da \(b_i\ne b\) für alle \(i\) gilt, ist das ein Widerspruch dazu, dass \(B\) linear unabhängig ist.

(iii) \(\Rightarrow \) (iv). Sei \(B\) ein minimales Erzeugendensystem von \(V\). Wir zeigen zuerst, dass \(B\) linear unabhängig ist. Sonst gäbe es \(b_1,\dots , b_r\in B\) und eine Linearkombination \(a_1 b_1 + \cdots + a_r b_r = 0\) mit \(a_1 \ne 0\), und dann wäre

\[ b_1 = -\frac{1}{a_1} ( a_2b_2 + \cdots a_rb_r), \]

und daher auch \(B\setminus \{ b_1\} \) ein Erzeugendensystem von \(V\), im Widerspruch zur Minimalität von \(B\). Da \(B\) ein Erzeugendensystem ist, ist andererseits auch klar, dass für \(v\in V\setminus B\) die Vereinigung \(B\cup \{ v\} \) nicht linear unabhängig sein kann.

(iv) \(\Rightarrow \) (i). Sei \(B\) eine maximale linear unabhängige Teilmenge von \(V\). Wegen der linearen Unabhängigkeit kann jeder Vektor \(v\in V\) in höchstens einer Weise als Linearkombination von Elementen aus \(B\) dargestellt werden (denn gäbe es zwei verschiedene Darstellungen, so wäre die Differenz eine nicht-triviale Linearkombination, die den Nullvektor darstellt). Es ist daher nur noch zu zeigen, dass \(B\) ein Erzeugendensystem ist. Ist \(v\in B\), so lässt sich \(v\) trivialerweise als Linearkombination von Elementen in \(B\) darstellen. Ist \(v\in V\setminus B\), so ist \(B\cup \{ v\} \) linear abhängig, es gibt also eine nicht-triviale Linearkombination

\[ av + a_1 b_1 + \cdots a_r b_r = 0 \]

mit \(a, a_i\in K\), \(b_i\in B\). Weil \(B\) linear unabhängig ist, kann hier nicht \(a=0\) sein. Daher können wir durch \(a\) teilen und sehen dann leicht, dass \(v\) eine Linearkombination von Elementen aus \(B\) ist.

In den folgenden Ergebnissen dieses Abschnitts sind oftmals gewisse Endlichkeitsvoraussetzungen (wie »endlich erzeugt«) in eckigen Klammern angegeben. Das soll bedeuten, dass die Sätze zwar auch im allgemeinen Fall richtig sind, wir sie aber nur unter der genannten Voraussetzung beweisen. Siehe Ergänzung 6.48 für Hinweise zu den Beweisen im allgemeinen Fall.

Satz 6.37

Jeder [endlich erzeugte] \(K\)-Vektorraum besitzt eine Basis.

Beweis

Wir geben hier den Beweis in dem Fall, dass \(V\) ein endliches Erzeugendensystem \(E\) besitzt. Ist das Erzeugendensystem \(E\) minimal, so haben wir schon eine Basis gefunden. Andernfalls ist die Menge \(E\) linear abhängig, und es existiert ein Element \(v\in E\), das in der linearen Hülle der anderen Elemente aus \(E\) liegt. Daher ist auch \(E \setminus \{ v\} \) ein Erzeugendensystem von \(V\). Indem wir diese Argumentation fortsetzen und gegebenenfalls weitere Elemente von \(E\) herausnehmen, finden wir in endlich vielen Schritten ein minimales Erzeugendensystem, also eine Basis.

Siehe auch Satz 6.40 für eine präzisere Form des Satzes. Für den Fall des Nullvektorraums ist die leere Menge eine (und die einzige) Basis.

Satz 6.38 Basisaustauschsatz

Seien \(K\) ein Körper, \(V\) ein \(K\)-Vektorraum, \(v_1,\dots , v_n\in V\) eine Basis, \(w_1, \dots , w_i\in V\) eine linear unabhängige Familie. Dann existiert eine Teilmenge \(I\subseteq \{ 1,\dots , n\} \), \(\# I=i\), so dass die \(n\) Elemente \(w_1, \dots , w_i, v_j, j\not \in I\), eine Basis von \(V\) bilden.

Beweis

Wir können das Ergebnis des Satzes auch so formulieren: Nach Umnummerieren der \(v_j\) (falls erforderlich), ist \(w_1, \dots , w_i, v_{i+1}, \dots , v_n\) eine Basis von \(V\).

Wir beweisen diese Behauptung durch vollständige Induktion nach \(i\). Induktionsanfang: \(i=0\). In diesem Fall ist nichts zu beweisen: Die Behauptung fällt nämlich mit der Annahme zusammen, dass \(v_1, \dots , v_n\) eine Basis ist. (Wenn Ihnen mit der Optimierung, für den Induktionsanfang \(i=0\) zu wählen, unwohl ist, dann überlegen Sie sich den Fall \(i=1\) zusätzlich direkt. Dann können Sie die Induktion von dort fortsetzen.)

Induktionsschritt: \(i-1\to i\). Sei nun \(i\ge 1\) und sei der Satz für linear unabhängige Familien mit \(i-1\) Elementen bereits bewiesen. Sei eine linear unabhängige Familie \(w_1, \dots , w_i\) gegeben. Dann ist erst recht die Familie \(w_1, \dots , w_{i-1}\) linear unabhängig, nach Induktionsvoraussetzung können wir die \(v_j\) also so umnummerieren, dass \(w_1, \dots , w_{i-1}, v_i, \dots , v_n\) eine Basis bildet. Dann können wir \(w_i\) als Linearkombination

\[ w_i = a_1 w_1 + \cdots + a_{i-1} w_{i-1} + a_i v_i + \cdots + a_n v_n \]

schreiben. Da \(w_1, \dots , w_i\) als linear unabhängig vorausgesetzt wurde, kann es keine Linearkombination von \(w_1, \dots , w_{i-1}\) geben, die \(w_i\) darstellt, es muss also mindestens einen Koeffizienten \(a_j\) mit \(j\ge i\) geben, der nicht gleich \(0\) ist (wir sehen an dieser Stelle auch, dass automatisch \(i\le n\) gelten muss). Nach Umnummerieren können wir annehmen, dass \(a_i \ne 0\) gilt. Wir können dann die obige Gleichheit umschreiben als

\[ v_i = -\frac{1}{a_i} (a_1 w_1 + \cdots + a_{i-1} w_{i-1} - w_i + a_{i+1} v_{i+1} + \cdots + a_n v_n). \]

Es ist dann leicht zu sehen, dass \(w_1, \dots , w_i, v_{i+1}, \dots , v_n\) wieder ein linear unabhängiges Erzeugendensystem von \(V\) ist, also eine Basis.

Direkt aus dem Satz ergibt sich (weil eine Teilmenge von \(\{ 1, \dots , n\} \) höchstens \(n\) Elemente haben kann):

Korollar 6.39

Seien \(K\) ein Körper, \(V\) ein \(K\)-Vektorraum, \(v_1,\dots , v_n\in V\) eine Basis, \(w_1, \dots , w_i\in V\) eine linear unabhängige Familie. Dann gilt \(i\le n\).

Satz 6.40 Basisergänzungssatz

Seien \(K\) ein Körper und \(V\) ein \(K\)-Vektorraum. Sei \(M\) eine linear unabhängige Teilmenge von \(V\), und sei \(E\subseteq V\) ein [endliches] Erzeugendensystem von \(V\), das \(M\) enthält. Dann existiert eine Basis \(B\) von \(V\) mit \(M\subseteq B \subseteq E\).

Insbesondere: Jede linear unabhängige Teilmenge von \(V\) lässt sich zu einer Basis ergänzen, [sofern \(V\) endlich erzeugt ist.]

Beweis

Wir betrachten den Fall, dass \(E\) endlich ist. Wir können dann \(E\) zu einem minimalen Erzeugendensystem, also einer Basis, verkleinern. Mit dem Basisaustauschsatz können wir gegebenenfalls die Elemente von \(M\), die bei diesem Prozess herausgefallen sind, wieder hinzunehmen (und dafür andere Elemente fortlassen).

Für den zweiten Teil ergänzen wir die gegebene linear unabhängige Teilmenge zunächst in beliebiger Weise zu einem endlichen Erzeugendensystem (zum Beispiel, indem wir irgendein endliches Erzeugendensystem hinzufügen).

Theorem 6.41

Sei \(K\) ein Körper und sei \(V\) ein [endlich erzeugter] \(K\)-Vektorraum. Je zwei Basen von \(V\) besitzen dieselbe Mächtigkeit (d.h. im endlich erzeugten Fall einfach, dass je zwei Basen gleich viele Elemente haben; im allgemeinen Fall kann man sagen, dass es zwischen je zwei Basen eine Bijektion gibt).

Diese Zahl wird als Dimension \(\dim V\) von \(V\) bezeichnet (zumindest sofern sie endlich ist, sonst sagen wir einfach, die Dimension von \(V\) sei unendlich; präziser kann man die Dimension als Kardinalzahl verstehen).

Beweis

Wir beweisen den Satz in dem Fall, dass \(V\) endlich erzeugt ist. In diesem Fall folgt die Behauptung unmittelbar aus Korollar 6.39.

Nach dem Theorem hat jeder endlich erzeugte Vektorraum endliche Dimension. Wir sprechen daher auch von endlich-dimensionalen Vektorräumen.

Beispiel 6.42
  1. Es gilt \(\dim (K^n) =n\), denn die Standardbasisvektoren \(e_1, \dots , e_n\) bilden eine Basis. (Ist \(n=0\), so ist \(K^n=0\) und die leere Menge eine Basis, also ist auch \(\dim K^0 =0\).)

  2. Es gilt \(\dim (M_{m\times n}(K)) = mn\). Die \(mn\) Matrizen, in denen ein einziger Eintrag \(1\) und alle anderen Einträge \(0\) sind, bilden eine Basis.

  3. Ist \(A\in M_{m\times n}(K)\) die Koeffizientenmatrix eines homogenen linearen Gleichungssystems, so ist die Zahl \(r\) der Spalten mit führenden Einsen in jeder Matrix in Zeilenstufenform, die aus \(A\) durch elementare Zeilenumformungen entsteht, gleich \(n-\dim \operatorname{Ker}A\). Siehe Satz 6.22.

  4. Der \(\mathbb R\)-Vektorraum \(\mathbb C\) hat Dimension \(\dim _{\mathbb R} \mathbb C= 2\). (Natürlich können wir \(\mathbb C\) auch als Vektorraum über sich selbst auffassen und es ist \(\dim _{\mathbb C} \mathbb C= 1\).)

Der Dimensionsbegriff gibt uns die Möglichkeit, die »Größe« eines Vektorraums (oder Untervektorraums in einem Vektorraum) zu messen/zu quantifizieren. Das ist der erste wichtige Schritt zur Beantwortung von Frage 5.27 (2).

Theorem 6.43

Seien \(K\) ein Körper und \(V\) ein \(n\)-dimensionaler Vektorraum, \(n\in \mathbb N\).

  1. Jedes linear unabhängige System von \(n\) Vektoren in \(V\) ist eine Basis.

  2. Jedes Erzeugendensystem von \(V\), das aus \(n\) Elementen besteht, ist eine Basis von \(V\).

Beweis

zu (1). Sei ein linear unabhängiges System gegeben, das aus \(n\) Vektoren besteht. Nach dem Basisergänzungssatz können wir dieses System zu einer Basis ergänzen. Da alle Basen aus genau \(n\) Elementen bestehen, kann eine echte Ergänzung in diesem Fall aber gar nicht erforderlich/möglich sein. Das gegebene System muss selbst schon eine Basis sein.

zu (2). Ähnlich wie Teil (1).

Mit diesem Ergebnis kann man sich auch leicht überlegen, dass man im Basisergänzungssatz die Voraussetzung, dass \(E\) endlich sei, ersetzen kann durch die Bedingung, dass \(V\) endlich erzeugt ist, also überhaupt irgendein endliches Erzeugendensystem besitzt. (Mit dem Lemma von Zorn kann man natürlich, wie durch die eckigen Klammern angedeutet, die Endlichkeitsvoraussetzung ohnehin vollständig fallenlassen.)

Satz 6.44

Sei \(V\) ein endlich erzeugter \(K\)-Vektorraum und \(U\subseteq V\) ein Untervektorraum.

  1. Der Vektorraum \(U\) ist endlich erzeugt und \(\dim U \le \dim V\).

  2. Gilt \(\dim U = \dim V\), so folgt \(U=V\).

Beweis

Wäre \(U\) nicht endlich erzeugt, so müsste \(U\) zu jeder natürlichen Zahl \(r\) eine linear unabhängige Teilmenge mit \(r\) Elementen enthalten (denn sonst könnten wir eine endliche maximale linear unabhängige Teilmenge, also eine endliche Basis, finden). Es kann aber nicht sein, dass \(U\) eine linear unabhängige Teilmenge mit mehr als \(\dim V\) Elementen enthält. Also ist \(U\) endlich erzeugt. Jede Basis von \(U\) ist linear unabhängig, auch als Teilmenge von \(V\) betrachtet, und wir können sie zu einer Basis von \(V\) ergänzen. Also muss \(\dim (U)\le \dim (V)\) gelten.

Gilt \(\dim U = \dim V\), so folgt aus Theorem 6.43, dass jede Basis von \(U\) auch eine Basis von \(V\) ist. Das impliziert \(U=V\).

Wir können nun auch beweisen, dass jeder Untervektorraum in einem Vektorraum ein Komplement (Def. 6.12) besitzt.

Korollar 6.45

Sei \(V\) ein [endlich erzeugter] \(K\)-Vektorraum und sei \(U\subseteq V\) ein Untervektorraum. Dann besitzt \(U\) einen Komplementärraum.

Beweis

Wir wählen eine Basis \(b_1, \dots , b_m\) von \(U\). Diese Vektoren sind linear unabhängig, egal, ob wir sie als Elemente von \(U\) oder von \(V\) betrachten. Wir können daher die Familie der \(b_i\) nach dem Basisergänzungssatz zu einer Basis \(b_1, \dots , b_n\) von \(V\) ergänzen. Dann ist \(W:= \langle b_{m+1}, \dots , b_n\rangle \) ein Komplement von \(U\).

Wir sehen am Beweis auch, dass für einen Untervektorraum \(U\subseteq V\) in einem endlich erzeugten Vektorraum mit Komplement \(W\) gilt, dass \(\dim U + \dim W = \dim V\). Diese Formel verallgemeinert der folgende Satz:

Satz 6.46 Dimensionsformel für den Durchschnitt von zwei Untervektorräumen

Seien \(V\) ein [endlich erzeugter] \(K\)-Vektorraum und seien \(U, W\subseteq V\) Untervektorräume. Dann gilt

\[ \dim (U+W) + \dim (U\cap W) = \dim (U) + \dim (W). \]

Beweis

Wir geben den Beweis im Fall dass \(V\) und damit auch alle Untervektorräume von \(V\) endlich erzeugt sind und demnach endliche Dimension haben.

Sei \(v_1,\dots , v_r\) eine Basis von \(U\cap W\). Wir ergänzen diese einerseits durch Vektoren \(u_1, \dots , u_s\) zu einer Basis \(v_1,\dots , v_r, u_1, \dots , u_s\) von \(U\), andererseits durch Vektoren \(w_1, \dots , w_t\) zu einer Basis \(v_1,\dots , v_r, w_1, \dots , w_t\) von \(W\).

Es ist klar, dass es dann genügt, die folgende Behauptung zu zeigen:

Behauptung. \(v_1, \dots , v_r, u_1, \dots , u_s, w_1,\dots w_t\) ist eine Basis von \(U+W\).

Begründung. Offenbar handelt es sich um ein Erzeugendensystem von \(U+W\), weil die gegebene Familie sowohl ein Erzeugendensystem von \(U\) als auch eines von \(W\) enthält. Es bleibt also nur noch die lineare Unabhängigkeit zu zeigen. Sei dazu

\[ a_1 v_1 + \cdots + a_r v_r + b_1 u_1 + \cdots + b_s u_s + c_1 w_1 + \cdots c_t w_t = 0 \]

eine Linearkombination, die den Nullvektor darstellt. Dann gilt \(-\sum c_i w_i = \sum a_i v_i + \sum b_i u_i \in U\cap W\). Ein Vektor aus \(U\cap W\) lässt sich (in eindeutiger Weise) als Linearkombination der Vektoren \(v_1, \dots , v_r\) darstellen, und da \(v_1, \dots , v_r, u_1, \dots , u_s\) eine Basis von \(U\) bilden, auch in eindeutiger Weise als Linearkombination von \(v_1, \dots , v_r, u_1, \dots , u_s\). Es folgt, dass \(b_1 = \cdots = b_s = 0\). Damit erhalten wir dann

\[ a_1 v_1 + \cdots + a_r v_r + c_1 w_1 + \cdots c_t w_t = 0, \]

und da \(v_1, \dots , v_r, w_1, \dots , w_t\) (als Basis von \(W\)) linear unabhängig ist, folgt, dass alle Koeffizienten verschwinden.

Um sich die Formel zu merken, vergleichen Sie den Fall endlicher Mengen: Sind \(U\) und \(W\) Teilmengen einer endlichen Menge \(X\), so gilt für die Anzahlen der Elemente \(\# (U\cup W) - \# (U\cap W) = \# U + \# W\). Das natürliche Analogon im Vektorraumfall ist es, die Vereinigung durch die Summe von Untervektorräumen und die Anzahl der Elemente durch die Dimension zu ersetzen. Man erhält dann genau die obige Formel. Eine ähnliche Analogie kann man für Satz 6.44 herstellen: Teilmengen endlicher Mengen sind endlich, und hat eine Teilmenge ebenso viele Elemente wie die umgebende (endliche!) Menge, so sind die beiden notwendigerweise gleich.

Ergänzung 6.47

Es ist möglich, den Begriff der Dimension noch direkter auf der Theorie der linearen Gleichungssysteme aufzubauen. Dazu würde man zeigen, dass für jeden Vektorraum \(V\) mit einem endlichen Erzeugendensystem \(E\) und jede linear unabhängige Teilmenge \(L\subseteq V\) die Abschätzung \(\# L \le \# E\) gilt.

Um das zu zeigen, schreiben wir die Elemente von \(E\) als \(e_1, \dots , e_m\) und die von \(L\) als \(l_1,\dots , l_n\). Da \(E\) ein Erzeugendensystem ist, gibt es \(a_{ij}\in K\) mit

\[ l_j = a_{1j} e_1 + \cdots + a_{nj} e_n,\quad j=1,\dots n. \]

Sei \(A=(a_{ij})_{i,j}\in M_{m\times n}(K)\). Für jede Lösung \((x_1,\dots , x_n)^t\) des linearen Gleichungssystems \(Ax=0\) gilt dann \(\sum _j a_{ij}x_j = 0\), also

\[ \sum _{j=1}^m x_j l_j = \sum _{i,j} a_{ij}x_j e_i = 0, \]

also \(x_1 = \cdots = x_n=0\) wegen der linearen Unabhängigkeit von \(L\). Das homogene Gleichungssystem \(Ax=0\) hat also nur die triviale Lösung, die Zeilenstufenform von \(A\) hat in jeder Spalte eine Stufe. Daher muss \(A\) mindestens so viele Zeilen wie Spalten haben, es gilt somit \(m \ge n\). Siehe auch  [ So ]  1.7.

Ergänzung 6.48 Existenz von Basen, allgemeiner Fall

Wir haben in Satz 6.37 behauptet, aber nicht bewiesen, dass jeder Vektorraum eine Basis besitzt. Es ist klar, dass der Beweis, den wir für den endlich erzeugten Fall gegeben haben, nicht ohne weiteres auf den allgemeinen Fall übertragen werden kann. Es ist zwar klar, dass jeder Vektorraum \(V\) ein Erzeugendensystem besitzt (zum Beispiel die Menge \(V\) selbst). Aber wenn dieses unendlich ist, kann man nicht erwarten, es durch Entfernen endlich vieler Vektoren zu einem minimalen Erzeugendensystem zu machen.

Im allgemeinen Fall ist es daher günstiger zu zeigen, dass in \(V\) eine maximale linear unabhängige Teilmenge existiert. Wie wir gesehen haben, ist dies eine Basis von \(V\).

Dafür verwenden wir das Lemma von Zorn, siehe Abschnitt B.1. Wir betrachten die Menge \(\mathscr U\) aller linear unabhängigen Teilmengen von \(V\) mit der Inklusion als »partieller Ordnung«. Das Lemma von Zorn liefert uns die Existenz eines maximalen Elements in \(\mathscr U\) bezüglich \(\subseteq \), also einer Basis von \(V\), wenn wir die folgende Behauptung zeigen können:

Behauptung. Sei \(\mathscr U^\prime \subseteq \mathscr U\) eine Teilmenge von \(\mathscr U\) mit der Eigenschaft, dass für alle \(L_1, L_2\in \mathscr U^\prime \) gilt, dass \(L_1\subseteq L_2\) oder \(L_2\subseteq L_1\). Dann existiert ein Element \(L\in \mathscr U\), so dass \(L^\prime \subseteq L\) für alle \(L^\prime \in \mathscr U^\prime \).

(Die Bedingung an \(\mathscr U^\prime \) beschreibt man, indem man sagt, \(\mathscr U^\prime \) sei bezüglich \(\subseteq \) total geordnet. Das Element \(L\) von \(\mathscr U\) nennt man eine obere Schranke von \(\mathscr U\).)

Begründung. Sei also \(\mathscr U^\prime \) wie in der Behauptung gegeben. Wir definieren \(L\) als die Vereinigung aller Teilmengen von \(\mathscr U^\prime \). Es ist klar, dass \(L^\prime \subseteq L\) für alle \(L^\prime \in \mathscr U^\prime \) gilt. Aber wir müssen noch zeigen, dass überhaupt \(L\in \mathscr U\) gilt, dass also \(L\) eine lineare unabhängige Teilmenge von \(V\) ist.

Natürlich ist im allgemeinen die Vereinigung von linear unabhängigen Teilmengen nicht linear unabhängig; aber hier sind wir ja in einer speziellen Situation.

Wir beginnen mit dem folgenden Lemma:

Lemma 6.49

Seien \(V\) ein \(K\)-Vektorraum und \(L\subseteq V\) eine Teilmenge. Die Teilmenge \(L\) ist genau dann linear unabhängig, wenn jede endliche Teilmenge von \(L\) linear unabhängig ist.

Beweis

Wenn \(L\) linear unabhängig ist, dann ist erst recht jede Teilmenge von \(L\) linear unabhängig. Wenn \(L\) linear abhängig ist, dann gibt es eine nicht-triviale Linearkombination von Elementen aus \(L\) , die den Nullvektor darstellt, und in jeder Linearkombination treten nur endlich viele Vektoren auf. Daher existiert dann eine endliche Teilmenge von \(L\), die linear abhängig ist.

Nun zurück zum Beweis der obigen Behauptung. Es genügt also zu zeigen, dass jede endliche Teilmenge \(\{ v_1,\dots , v_r\} \) von \(L\) linear unabhängig ist. Da \(L\) die Vereinigung der Elemente von \(\mathscr U^\prime \) ist, existieren \(L_1,\dots , L_r\in \mathscr U^\prime \) mit \(v_i\in L_i\). Da je zwei Elemente von \(\mathscr U^\prime \) ineinander enthalten sind, können wir, wenn wir die \(v_i\) und \(L_i\) umnummerieren, falls erforderlich, annehmen, dass

\[ L_1\subseteq L_2 \subseteq \cdots \subseteq L_r. \]

Dann liegen aber \(v_1, \dots , v_r\) alle in \(L_r\), und da \(L_r\) linear unabhängig ist, folgt auch die lineare Unabhängigkeit der Familie \(v_1, \dots , v_r\). Damit ist die Behauptung bewiesen und wir können das Lemma von Zorn anwenden.

Es ist auch leicht, den Beweis so anzupassen, dass die Basis ein vorgegebenes linear unabhängiges System enthält und in einem vorgegebenen Erzeugendensystem von \(V\) enthalten ist, indem man die Definition von \(\mathscr U\) entsprechend modifiziert.

Durch ein geschicktes Vorgehen kann man (mithilfe des Lemmas von Zorn) auch den Basisaustauschsatz auf unendliche Mengen erweitern und zeigen, dass für jeden Vektorraum \(V\), jedes Erzeugendensystem \(E\) von \(V\) und jede linear unabhängige Teilmenge \(M\) von \(V\) eine injektive Abbildung \(\iota \colon M\to E\) existiert, so dass auch \((E\setminus \iota (M)) \cup M\) ein Erzeugendensystem von \(V\) ist. Es werden also sozusagen die Elemente in \(\iota (M)\) durch die Elemente in \(M\) ausgetauscht. Dazu versieht man die Menge aller injektiven Abbildungen \(\iota ^\prime \colon M^\prime \to E\), so dass \(M^\prime \subseteq M\) und \((E\setminus \iota ^\prime (M^\prime )) \cup M^\prime \) ein Erzeugendensystem von \(V\) ist, mit einer geeigneten partiellen Ordnung, benutzt eine ähnliche Methode wie oben, um zu zeigen, dass die Voraussetzungen das Lemmas von Zorn erfüllt sind, und überlegt sich unter Ausnutzung des (»endlichen«) Basisaustauschprinzips, dass ein maximales Element dieser Menge notwendigerweise \(M\) als Definitionsbereich haben muss.

Zusammen mit dem Satz von Schröder-Bernstein (Theorem 3.85) erhält man dann, dass es zwischen je zwei Basen eines Vektorraums eine Bijektion gibt. Siehe auch  [ So-AZT ]  5.3 für eine etwas ausführlichere Diskussion.