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9.2 Die Determinante eines Endomorphismus

Wir betrachten nun einen endlich-dimensionalen Vektorraum \(V\) und einen Endomorphismus \(V\to V\).

Definition 9.21

Seien \(V\) ein \(n\)-dimensionaler Vektorraum, \(\Delta \) eine nicht-triviale Determinantenfunktion auf \(V\) und \(f\colon V\rightarrow V\) ein Endomorphismus von \(V\). Dann ist \(\Delta _f:V^n\rightarrow K\), \((v_1,\dots , v_n)\mapsto \Delta (f(v_1), \dots , f(v_n))\) eine Determinantenfunktion und das Element \(a\in K\) mit \(\Delta _f=a\Delta \) ist unabhängig von der Wahl von \(\Delta \). Es heißt die Determinante des Endomorphismus \(f\), in Zeichen: \(\det (f)\).

Es ist klar, dass die in der Definition angegebene Abbildung tatsächlich multilinear (weil \(f\) linear ist) und alternierend ist, da \(\Delta \) diese Eigenschaften hat, und daher eine Determinantenfunktion ist. Auch die Unabhängigkeit von \(\Delta \) folgt daraus, dass der Vektorraum \(\mathscr D_V\) der Determinantenfunktionen eindimensional ist. Denn ist \(\Delta ^\prime \) eine andere Determinantenfunktion, so existiert ein (eindeutig bestimmtes) \(c\in K\) mit \(\Delta ^\prime = c\Delta \), also ist \((\Delta ^\prime )_f = c \Delta _f = ca \Delta = a\Delta ^\prime \).

Satz 9.22

Ist \(\mathscr B\) eine Basis von \(V\), so gilt \(\det (f) = \det (M^{\mathscr B}_{\mathscr B}(f))\). Insbesondere ist \(\det (M^{\mathscr B}_{\mathscr B}(f))\) unabhängig von der Wahl von \(\mathscr B\).

Beweis

Wir können \(\det (f)\) mit der Determinantenfunktion \(\Delta \colon V^n \to M_n(K) \to K\) berechnen, die als Verkettung der Abbildungen \(V^n \to M_n(K)\), \((v_1, \dots , v_n)\mapsto (c_\mathscr B(v_1), \dots , c_\mathscr B(v_n))\in (K^n)^n = M_n(K)\) und \(\det \colon M_n(K)\to K\) entsteht. Schreiben wir \(\mathscr B= (b_1, \dots , b_n)\), so erhalten wir \(\Delta (b_1, \dots , b_n) = \det (E_n) = 1\) und mit der Notation wie in Definition 9.21, dass \(\Delta _f(b_1, \dots , b_n) = \det (M^\mathscr B_\mathscr B(f))\) ist. Daraus folgt die Behauptung.

Dass \(\det (M^{\mathscr B}_{\mathscr B}(f))\) unabhängig von der Wahl von \(\mathscr B\) ist, kann man natürlich auch anhand der Basiswechselformel aus dem Produktsatz für Determinanten folgern. Es ist eine Umformulierung der Tatsache, dass zueinander konjugierte Matrizen dieselbe Determinante haben.

Die Eigenschaften der Determinante von Matrizen übertragen sich in naheliegender Weise auf die Determinante von Endomorphismen.

Satz 9.23

Sei \(V\) ein endlich-dimensionaler Vektorraum.

  1. Es gilt \(\det (\operatorname{id}_V) = 1\).

  2. Seien \(f\) und \(g\) Endomorphismen von \(V\). Dann gilt \(\det (f\circ g) = \det (f)\det (g)\).

  3. Sei \(f\) ein Endomorphismus von \(V\). Es gilt genau dann \(\det (f)\ne 0\), wenn \(f\) ein Isomorphismus ist, und dann ist \(\det (f^{-1})= \det (f)^{-1}\).

  4. Für die Determinante des zu \(f\) dualen Endomorphismus \(f^\vee \colon V^\vee \to V^\vee \) gilt \(\det (f^\vee ) = \det (f)\).

Beweis

Die Aussagen in (1) und (2) folgen leicht aus der Definition, und (3) kann man dann aus (2) erhalten.

Alternativ kann man die Beschreibung von \(\det (f)\) als die Determinante einer darstellenden Matrix benutzen. Die Teile (1), (2), (3) folgen dann direkt aus den entsprechenden Eigenschaften der Determinante von Matrizen. Für Teil (4) benutzt man zusätzlich Satz 7.55 und Satz 9.17.

We [he and Halmos] share a philosophy about linear algebra: we think basis-free, we write basis-free , but when the chips are down we close the office door and compute with matrices like fury.

Kaplansky, Irving, in: P. Halmos, Celebrating 50 Years of Mathematics

Gefunden auf http://math.furman.edu/~mwoodard/mqs/data.html

There is hardly any theory which is more elementary [than linear algebra], in spite of the fact that generations of professors and textbook writers have obscured its simplicity by preposterous calculations with matrices.

J. Dieudonné, in: Foundations of Modern Analysis, Vol. 1

Ergänzung 9.24

Mit der Determinante können wir die »richtige« Definition des Begriffs der Drehung geben. Wir arbeiten über dem Körper der reellen Zahlen.

Definition 9.25

Sei \(n\in \mathbb N\). Ein Endomorphismus \(f\colon \mathbb R^n\to \mathbb R^n\) heißt Drehung, wenn für die darstellende Matrix \(A=M(f)\) gilt:

  1. \(A\, A^t = E_n\), und

  2. \(\det (A) = 1\).

Die Bedingung (1) ist damit äquivalent, dass \(f\) abstandserhaltend für den üblichen (»euklidischen«) Abstand \(d(v, w)\) von Punkten \(v,w\in \mathbb R^n\) ist, es gilt also \(d(f(v), f(w)) = d(v,w)\) für alle \(v, w\in \mathbb R^n\). Siehe Ergänzung 7.60 und die Abschnitte 11.2.1, 11.2.5. Daraus folgt \(1 = \det (E_n) =\det (A)\det (A^t) = \det (A)^2\), also \(\det (A) = 1\) oder \(\det (A) = -1\).

Die Äquivalenz dieser Definition mit der Definition in Ergänzung 7.60 werden wir für allgemeines \(n\) erst in der Linearen Algebra 2 sehen. (Es ist klar, dass ein Endomorphismus der Form \(g\circ g\) nicht Determinante \(-1\) haben kann, weil die Determinante von \(g\circ g\) gleich \(\det (g)^2\) ist. Um zu zeigen, dass man eine Drehung im Sinne der hier gegebenen Definition immer als die Verkettung eines Endomorphismus mit sich selbst schreiben kann, muss man aber etwas mehr arbeiten, und wir verschieben das noch. Für \(n=2\) ist es nicht so schwer, vergleiche Satz 11.27 und Abschnitt 11.5.)

Da eine Matrix \(A\) mit der Eigenschaft \(A\, A^t = E_n\) Determinante \(1\) oder \(-1\) hat, ist es äquivalent, \(\det (A)=1\) oder \(\det (A) {\gt} 0\) zu fordern. Eine abstandserhaltende Abbildung ist also genau dann eine Drehung, wenn sie »orientierungserhaltend« im Sinne der folgenden Ergänzung ist.

Ergänzung 9.26 Orientierung

Über den reellen Zahlen haben wir das besondere Phänomen, dass die Determinante einer invertierbaren Matrix \(A\) entweder positiv oder negativ ist. Das ermöglicht es uns zu definieren, wann zwei Basen eines reellen Vektorraums dieselbe Orientierung haben:

Definition 9.27
  1. Sei \(V\) ein endlich-dimensionaler \(\mathbb R\)-Vektorraum. Wir sagen, dass zwei (angeordnete) Basen \(\mathscr B\) und \(\mathscr B^\prime \) von \(V\) dieselbe Orientierung haben, wenn die Determinante der Basiswechselmatrix \(M^{\mathscr B^\prime }_\mathscr B\) positiv ist. Andernfalls sagen wir, dass die Basen die entgegengesetzte Orientierung haben.

  2. Ist speziell \(V = \mathbb R^n\) der Standardvektorraum, so sagen wir auch, eine Basis sei positiv orientiert, wenn sie dieselbe Orientierung wie die Standardbasis hat.

Weil \(M^\mathscr B_{\mathscr B^\prime } = (M^{\mathscr B^\prime }_\mathscr B)^{-1}\) ist, haben die Determinanten der beiden Basiswechselmatrizen dasselbe Vorzeichen. Genauer ist die Eigenschaft, dieselbe Orientierung zu haben, eine Äquivalenzrelation auf der Menge aller Basen von \(V\) (Abschnitt 3.14.2).

Für \(\mathbb R^2\) besitzt eine Basis \(v, w\) genau dann dieselbe Orientierung wie die Standardbasis \(e_1, e_2\), wenn »der Winkel von \(v\) nach \(w\) gegen den Uhrzeigersinn« kleiner als \(180^\circ \) ist. Zum Beispiel haben die Basen

\[ \left( \begin{pmatrix} 1 \\ 0 \end{pmatrix},\ \begin{pmatrix} 1 \\ 1 \end{pmatrix} \right),\quad \left( \begin{pmatrix} 1 \\ 0 \end{pmatrix},\ \begin{pmatrix} -1 \\ 1 \end{pmatrix} \right),\quad \left( \begin{pmatrix} 0 \\ -1 \end{pmatrix},\ \begin{pmatrix} 1 \\ 0 \end{pmatrix} \right),\quad \left( \begin{pmatrix} -1 \\ -1 \end{pmatrix},\ \begin{pmatrix} 1 \\ 0 \end{pmatrix} \right) \]

alle dieselbe Orientierung wie die Standardbasis. Wenn man die Reihenfolge der beiden Basisvektoren vertauscht, wechselt die Orientierung.

Definition 9.28

Ein Automorphismus \(f\colon V\to V\) eines endlich-dimensionalen \(\mathbb R\)-Vektorraums heißt orientierungserhaltend, wenn er die folgenden äquivalenten Bedingungen erfüllt:

  1. Es gibt eine Basis \(\mathscr B=(v_1, \dots , v_n)\), so dass die Basis \((f(v_1), \dots , f(v_n))\) dieselbe Orientierung hat wie \(\mathscr B\).

  2. Für jede Basis \(\mathscr B=(v_1, \dots , v_n)\) hat die Basis \((f(v_1), \dots , f(v_n))\) dieselbe Orientierung wie \(\mathscr B\).

  3. Es gilt \(\det (f) {\gt} 0\).

Seien \(a_{ij}\colon I\to \mathbb R\) stetige Funktionen, die auf einem Intervall \(I\subseteq \mathbb R\) definiert sind. Dann ist auch die Funktion \(I\to \mathbb R\), \(t\mapsto d(t):= \det \left((a_{ij}(t))_{i,j}\right)\) stetig, weil die Determinante ein polynomieller Ausdruck in den Einträgen der Matrix ist und Summen und Produkte stetiger Funktionen wieder stetig sind. Daraus folgt: Ist \(x_0\in I\) ein innerer Punkt, so dass \(d(t)\ne 0\) ist, so existiert \(\varepsilon {\gt} 0\), so dass \(I^\prime :=(x_0-\varepsilon , x_0+\varepsilon )\) in \(I\) enthalten ist, und dass \(d(t) \ne 0\) für alle \(t\in I^\prime \) ist. Aus dem Zwischenwertsatz folgt, dass die Determinanten \(d(t)\) dann für alle \(t\in I^\prime \) dasselbe Vorzeichen haben. Wenn wir zu der Matrix \((a_{ij}(t))_{i,j}\) die von ihren Spalten gebildete Basis betrachten, haben diese Basen für alle \(t\in I^\prime \) dieselbe Orientierung. Wir sagen, dass sich »die Orientierung in einer stetigen Familie von Basen nicht ändere«.