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15.6 Determinanten über Ringen

Sei \(R\) ein kommutativer Ring. Wir bezeichnen mit \(M_{m\times n}(R)\) die Menge aller \(m\times n\)-Matrizen mit Einträgen in \(R\), d.h.

\[ M_{m\times n}(R) = \{ (a_{ij})_{i=1, \dots , m,\ j=1,\dots , n};\ a_{ij}\in R\} . \]

Addition von Matrizen gleicher Größe, Multiplikation einer Matrix mit einem Skalar aus \(R\) und das Produkt von Matrizen zueinander passender Größen definieren wir durch dieselben Formeln wie im Fall von Körpern. Es ist dann \(M_{m\times n}(R)\) eine kommutative Gruppe bezüglich der Addition, es gilt das Assoziativgesetz für die Multiplikation (immer unter der Voraussetzung, dass alle Größen zueinander passen) und es gelten die Distributivgesetze. Diese Aussagen kann man mit denselben Rechnungen überprüfen, die wir in der Linearen Algebra 1 für Matrizen über einem Körper durchgeführt haben (Abschnitt LA1.5.3).

Wir schreiben wie gehabt \(M_{n}(R) = M_{n\times n}(R)\) für die Menge der quadratischen Matrizen. Aus dem oben Gesagten folgt, dass es sich hierbei mit der Addition und Multiplikation von Matrizen um einen Ring handelt.

Die Leibniz-Formel ergibt über jedem Ring \(R\) Sinn, und wir erhalten eine Abbildung

\[ M_n(R)\to R,\quad A=(a_{ij})_{i,j} \mapsto \det (A) := \sum _{\sigma \in S_n} \operatorname{sgn}(\sigma )\prod _{i=1}^n a_{i,\sigma (i)}. \]

Wir nennen \(\det (A)\) die Determinante der Matrix \(A\).

Weil wir unten die folgende einfache Tatsache benötigen, halten wir sie als Lemma fest.

Lemma 15.71

Sei \(n\in \mathbb N\) und \(\varphi \colon R\to S\) ein Ringhomomorphismus. Indem wir \(\varphi \) auf jeden Eintrag anwenden, erhalten wir einen Ringhomomorphismus \(M_n(R)\to M_n(S)\), den wir ebenfalls mit \(\varphi \) bezeichnen. Dann gilt für alle Matrizen \(A\in M_n(R)\), dass

\[ \varphi (\det (A)) = \det (\varphi (A)) \]

ist.

Beweis

Der Beweis ist (hoffentlich) nicht schwierig für Sie – überlegen Sie sich, warum die Aussage des Lemmas richtig ist!

Man kann die Theorie der Determinante auch recht allgemein von Anfang an über Ringen entwickeln, aber man müsste dann an einigen Stellen vorsichtiger argumentieren, weil man über einem allgemeinen Ring beispielsweise nicht jede Matrix mit dem Gauß-Algorithmus auf Zeilenstufenform bringen kann. Das hatten wir aber im Kapitel über Determinanten in der Linearen Algebra 1 benutzt. Um nicht alles noch einmal durchgehen zu müssen, wählen wir eine etwas andere Strategie und führen die Ergebnisse, die wir benötigen, auf den Fall von Körpern zurück.

Sei dazu \(R\) ein Integritätsring, \(K\) sein Quotientenkörper. Wir können dann \(M_{n}(R)\) als Teilmenge von \(M_{n}(K)\) betrachten. Für \(A\in M_{n}(R)\) ist dann die Determinante \(\det (A)\), die wir gerade definiert haben, gleich der Determinante, die wir aus der Theorie über Körpern erhalten, wenn wir \(A\) als Element von \(M_n(K)\) betrachten. Es gelten, wie über jedem Körper, auch über \(K\) die üblichen Rechenregeln, zum Beispiel:

Satz 15.72

Seien \(A,B\in M_{n}(R)\). Dann gilt \(\det (AB) = \det (A)\det (B)\). (Da beide Seiten dieser Gleichung Elemente von \(R\) sind, gilt diese Gleichheit auch in \(R\).)

Zu einer Matrix \(A\in M_n(R)\) können wir die Komplementärmatrix \(A^{\text{ad}}\) bilden (siehe Abschnitt LA1.9.3), die wieder in \(M_n(R)\) liegt. Die Cramersche Regel Satz LA1.9.32 besagt, dass

\[ AA^{\text{ad}} = A^{\text{ad}}A = \det (A) E_n \]

gilt. Alle hier auftretenden Matrizen liegen in \(M_n(R)\), und für die Gleichheit spielt es keine Rolle, ob wir die Matrizen als Elemente von \(M_n(R)\) oder von \(M_n(K)\) auffassen. Daraus erhalten wir (vergleiche Korollar LA1.9.33) das folgende Korollar.

Korollar 15.73

Sei \(A\in M_{n}(R)\). Es existiert genau dann eine Matrix \(B\in M_{n}(R)\) mit \(AB=BA=E_n\) (also ein multiplikatives Inverses von \(A\) in dem Ring \(M_{n}(R)\)), wenn \(\det (A)\in R^\times \).

Ergänzung 15.74

Es ist nicht schwer zu zeigen, dass beide Sätze auch über beliebigen kommutativen Ringen gelten. Für den Determinantenproduktsatz kann man folgendermaßen vorgehen.

Als Vorüberlegung bemerken wir, dass für einen Ringhomomorphismus \(f\colon R_1\to R_2\) und eine Matrix \(A = (a_{ij})_{i,j}\in M_n(R_1)\) gilt, dass \(f(\det (A)) = \det (f(A))\), wenn wir mit \(f(A)\) die Matrix bezeichnen, die aus \(A\) durch Anwenden von \(f\) auf jeden Eintrag von \(A\) entsteht. Diese Gleichheit folgt direkt aus der Definition der Determinante durch die Leibniz-Formel.

Sei \(R\) ein kommutativer Ring, und seien \(A = (a_{ij})_{i,j}, B=(b_{ij})_{i,j}\in M_n(R)\).

Wir betrachten nun den Ring \(\mathbb Z[X_{i,j}, Y_{i,j},\ i,j=1,\dots , n]\), also den Polynomring über \(\mathbb Z\) in \(2n^2\) Unbestimmten \(X_{i,j}\), \(Y_{i,j}\). Wir erhalten einen (eindeutig bestimmten) Einsetzungshomomorphismus

\[ \varphi \colon \mathbb Z[X_{i,j}, Y_{i,j},\ i,j=1,\dots , n]\to R,\quad X_{i,j}\mapsto a_{ij},\ Y_{i,j}\mapsto b_{ij}. \]

Die Bilder der Elemente von \(\mathbb Z\) unter \(\varphi \) sind eindeutig festgelegt, denn \(1\in \mathbb Z\) muss auf \(1\in R\) abgebildet werden, und daraus ergeben sich die Bilder aller ganzen Zahlen daraus, dass \(\varphi \) insbesondere ein Homomorphismus der zugrundeliegenden additiven Gruppen ist. (Vergleiche Beispiel 15.6.)

Wir schreiben \(\tilde{A} = (X_{i,j})_{i,j}, \tilde{B} = (Y_{i,j})_{i,j} \in M_n(\mathbb Z[X_{i,j}, Y_{i,j}])\). Weil \(\mathbb Z[X_{i,j}, Y_{i,j}]\) ein Integritätsring ist, gilt \(\det (\tilde{A}\tilde{B}) = \det (\tilde{A})\det (\tilde{B})\), wie wir oben begründet haben.

Auf diese Gleichheit können wir den Ringhomomorphismus \(\varphi \) anwenden. Mit Lemma 15.71 erhalten wir dann

\[ \det (A)\det (B) = \varphi (\det (\tilde{A}))\varphi (\det (\tilde{B})) = \varphi (\det (\tilde{A}\tilde{B})) = \det (AB). \]

Im Fall der Cramerschen Regel können wir ähnlich argumentieren. Zunächst folgt aus dem Produktsatz, dass die Determinante einer über \(R\) invertierbaren Matrix eine Einheit in \(R\) ist. Sei nun andererseits \(A\in M_n(R)\) eine Matrix mit \(\det (A)\in R^\times \). Wie über einem Körper können wir zu \(A\) die Komplementärmatrix \(A^{\text{ad}}\) bilden. Durch Reduktion auf den Fall des Integritätsrings \(\mathbb Z[X_{ij}]\) genau wie beim Beweis des Produktsatzes sehen wir, dass das Produkt von \(A\) und \(A^{\text{ad}}\) die Matrix \(\det (A) E_n\) ist. Es folgt nun aus der Invertierbarkeit von \(\det (A)\), dass auch \(A\) invertierbar ist, und genauer erhalten wir die Formel \(A^{-1}\ = \det (A)^{-1} A^{\text{ad}}\).

Man nennt diese Methode die »Reduktion auf den universellen Fall«.