4.2 Algebraische Körpererweiterungen
Ein wesentlicher Aspekt ist im Folgenden die Untersuchung von (Polynom-)Gleichungen in einer Variablen und deren Lösungen. Wir stellen hier zunächst einige Grundbegriffe zur Verfügung, die es erlauben, die folgenden Situationen zu beschreiben:
Ist \(K\) ein Körper und \(f\in K[X]\) ein Polynom, dann hat \(f\) möglicherweise keine Nullstellen in \(K\). Es ist aber möglich, dass \(K\) Teilkörper eines Körpers \(L\) ist, in dem \(f\) eine Nullstelle hat. (Zum Beispiel \(K=\mathbb R\), \(f = X^2+1\), \(L=\mathbb C\).)
Wir werden später zeigen, dass es zu \(K\) und \(f\in K[X]\) mit \(\deg (f) {\gt} 0\) immer einen Körper \(L\) gibt, in dem \(K\) ein Teilkörper ist und in dem \(f\) eine Nullstelle besitzt.
Andererseits kann es für einen Körper \(L\) und einen Teilkörper \(K\) Elemente von \(L\) geben, die nicht Nullstelle eines Polynoms mit Koeffizienten in \(K\) sind. (Natürlich ist jedes \(\alpha \in L\) Nullstelle eines Polynoms in \(L[X]\), nämlich zum Beispiel von \(X-\alpha \).)
Ist \(K\) ein Teilkörper eines Körpers \(L\), so nennen wir auch \(L\) einen Erweiterungskörper von \(K\) und sprechen von der Körpererweiterung \(\left.L\middle /K\right.\).
Ist \(E\) ein Teilkörper von \(L\), der seinerseits \(K\) als Teilkörper enthält, \(K\subseteq E\subseteq L\), so heißt \(E\) ein Zwischenkörper der Erweiterung \(\left.L\middle /K\right.\).
Manchmal betrachten wir nicht nur die Inklusion eines Teilkörpers in einem Erweiterungskörper sondern allgemeiner auch einen (notwendigerweise injektiven) Körperhomomorphismus als Körpererweiterung.
Beispiele für Körpererweiterungen, die wir bereits kennen, sind
\(\left.\mathbb C\middle /\mathbb R\right.\).
\(\left.\mathbb C\middle /\mathbb Q\right.\).
\(\left.\mathbb Q[i]\middle /\mathbb Q\right.\), wobei \(\mathbb Q[i] = \{ a+ib;\ a,b\in \mathbb Q\} \) ist (dies ist ein Teilkörper von \(\mathbb C\), auch \(\left.\mathbb C\middle /\mathbb Q[i]\right.\) ist also eine Körpererweiterung).
Sei \(\left.L\middle /K\right.\) eine Körpererweiterung. Sei \(M\subseteq L\) eine Teilmenge.
Die von \(M\) erzeugte \(K\)-Algebra ist der kleinste Unterring von \(L\), der \(K\) und \(M\) enthält. Äquivalent ist dies das Bild des Einsetzungshomomorphismus \(K[X_m,\ m\in M]\to L\), \(X_m\mapsto m\), also die Menge aller polynomialen Ausdrücke in den Elementen von \(M\) mit Koeffizienten in \(K\). Wir bezeichnen diese \(K\)-Algebra mit \(K[M]\).
Der über \(K\) von \(M\) erzeugte Teilkörper von \(L\) ist der kleinste Teilkörper von \(L\), der \(K\) und \(M\) enthält. Dieser kann mit dem Quotientenkörper von \(K[M]\) identifiziert werden. Wir bezeichnen diesen Teilkörper von \(L\) mit \(K(M)\).
In der Situation der Definition gilt stets \(K[M] \subseteq K(M)\). Wir werden unten die Bedingung, dass hier Gleichheit besteht, genauer untersuchen.
Die Bezeichnung \(K[M]\) steht im Konflikt mit der Bezeichnung für den Polynomring in einer Variablen – man muss hier also aufpassen, ob \(M\) der Name der einen Variablen ist, oder eine Teilmenge einer \(K\)-Algebra.
Sei \(\left.L\middle /K\right.\) eine Körpererweiterung.
Ein Element \(\alpha \in L\) heißt algebraisch über \(K\), wenn ein Polynom \(f\in K[X]\setminus \{ 0\} \) existiert mit \(f(\alpha )=0\). Das eindeutig bestimmte normierte Polynom kleinsten Grades in \(K[X]\), das \(\alpha \) als Nullstelle hat, heißt dann das Minimalpolynom von \(\alpha \) über \(K\).
Wir bezeichnen das Minimalpolynom von \(\alpha \) über \(K\) mit \(\operatorname{minpol}_{\alpha ,K}\).
Ein Element \(\alpha \in L\), das nicht algebraisch über \(K\) ist, heißt transzendent.
Die Körpererweiterung \(\left.L\middle /K\right.\) heißt algebraisch, wenn jedes Element von \(L\) über \(K\) algebraisch ist. Andernfalls heißt die Erweiterung transzendent.
In der Situation von Teil (1) ist jedenfalls klar, dass es ein normiertes Polynom \(f\) kleinsten Grades gibt, das \(\alpha \) als Nullstelle hat. Dies ist dann auch das normierte Polynom kleinsten Grades im Kern des Einsetzungshomomorphismus \(K[X]\to L\), \(X\mapsto \alpha \). Dieser Kern ist ein Hauptideal, und es folgt, dass \(f\) den Kern als Ideal erzeugt. Daraus folgt auch die Eindeutigkeit von \(f\).
- Wir betrachten die Körpererweiterung
- C/Q
- .
Die Elemente \(\sqrt{2}\) und \(i\) von \(\mathbb C\) sind algebraisch über \(\mathbb Q\), denn sie sind Nullstellen von \(X^2-2\) bzw. \(X^2+1\).
Allgemeiner sind die (positiven) \(n\)-ten Wurzeln \(\sqrt[n]{a}\) von Zahlen \(a\in \mathbb R_{{\gt} 0}\) algebraisch über \(\mathbb Q\). Natürlich ist überhaupt jede Zahl \(\alpha \in \mathbb C\), für die es \(n\in \mathbb N\) mit \(\alpha ^n \in \mathbb Q\) gibt, algebraisch über \(\mathbb Q\), denn es handelt sich dann um eine Nullstelle von \(X^n - a\in \mathbb Q[X]\) mit \(a = \alpha ^n\). Die Schreibweise \(\sqrt[n]{a}\) sollte man dann aber nicht verwenden (jedenfalls nicht, ohne es explizit zu präzisieren), weil es verschiedene Elemente gibt, deren \(n\)-te Potenz gleich \(a\) ist (wenn nicht gerade \(a=0\) oder \(n=1\) ist). 1
Die Erweiterung \(\left.\mathbb C\middle /\mathbb Q\right.\) ist nicht algebraisch. Zum Beispiel ist die Kreiszahl \(\pi \) nicht algebraisch über \(\mathbb Q\) – dies ist der Satz von Lindemann, der aber nicht einfach zu beweisen ist. Überhaupt ist es nicht ganz einfach, Elemente von \(\mathbb C\) konkret anzugeben, die transzendent über \(\mathbb Q\) ist. Das einfachste Argument, um zu begründen, dass \(\left.\mathbb C\middle /\mathbb Q\right.\) nicht algebraisch ist, ist ein Mächtigkeitsargument. Siehe Ergänzung 4.21.
Sei \(\left.L\middle /K\right.\) eine Körpererweiterung. Ist \(\alpha \in L\) algebraisch über \(K\), so ist \(K[\alpha ]\cong K[X]/(\operatorname{minpol}_{\alpha , K})\) ein Körper, und es gilt folglich \(K[\alpha ] = K(\alpha )\) und dass \(\operatorname{minpol}_{\alpha , K}\) irreduzibel ist.
Nach Definition ist \(K[\alpha ]\) das Bild des Einsetzungshomomorphismus \(K[X]\to L\), \(X\mapsto \alpha \). Aus dem Homomorphiesatz (und der Definition des Minimalpolynoms von \(\alpha \)) erhalten wir den Isomorphismus \(K[\alpha ]\cong K[X]/(\operatorname{minpol}_{\alpha , K})\). Als Unterring von \(L\) ist \(K[\alpha ]\) ein Integritätsring, also ist \(\operatorname{minpol}_{\alpha , K}\) irreduzibel (Lemma 3.17). Aus Satz 3.20 folgt dann auch, dass \(K[\alpha ]\) sogar ein Körper ist, und daher auch die Gleichheit \(K[\alpha ] = K(\alpha )\).
Unser nächstes Ziel ist zu beweisen, dass eine Körpererweiterung der Form \(\left.K(M)\middle /K\right.\) genau dann algebraisch ist, wenn alle Elemente des Erzeugendensystems \(M\) algebraisch über \(K\) sind. Das bedeutet, dass Summen, Produkte und Quotienten algebraischer Elemente wieder algebraisch sind. Es ist nicht offensichtlich, wie man das beweisen könnte! (Denken Sie einmal darüber nach.) Mit ähnlichen Methoden können wir dann auch zeigen, dass sich die Eigenschaft »algebraisch« transitiv in einem »Turm« von Körpererweiterungen verhält, das heißt: Sind \(\left.E\middle /K\right.\) und \(\left.L\middle /E\right.\) algebraische Erweiterungen, so ist auch \(\left.L\middle /K\right.\) algebraisch.
Die entscheidende Zutat, mit der der Beweis dann letztlich nicht mehr schwierig ist, ist der Begriff der endlichen Körpererweiterung. Wir greifen hier auf (Grund-)Begriffe der Linearen Algebra zurück und verwenden, dass ein Erweiterungskörper \(L\) eines Körpers \(K\) insbesondere als \(K\)-Vektorraum betrachtet werden kann, wenn wir als Addition die Körperaddition und als Skalarmultiplikation die Einschränkung der Multiplikation \(L\times L\to L\) von \(L\) auf den Definitionsbereich \(K\times L\) verwenden.
Sei \(\left.L\middle /K\right.\) eine Körpererweiterung.
Sei \(\left.L\middle /K\right.\) eine Körpererweiterung.
Ein fundamentales Beispiel ist das folgende: Sei \(\alpha \in L\) algebraisch über \(K\) mit Minimalpolynom \(f\). Dann gilt \([K(\alpha ) : K] = \deg (f)\).
Denn wie wir gesehen haben ist \(K(\alpha ) = K[\alpha ] \cong K[X]/(f)\), und die Restklassen von \(1, X, \dots , X^{\deg (f)-1}\) bilden eine Basis dieses Quotienten als \(K\)-Vektorraum.
Ist andererseits \(\alpha \in L\) transzendent über \(K\), dann ist der Einsetzungshomomorphismus \(K[X]\to K(\alpha )\), \(X\mapsto \alpha \), injektiv. Daraus folgt \([K(\alpha ):K]\ge \dim _K K[X] = \infty \).
Weil \(X^7-2\) irreduzibel über \(\mathbb Q\) ist (Eisenstein-Kriterium für den faktoriellen Ring \(\mathbb Z\) und das Primelement \(p=2\)) und \(\alpha :=\sqrt[7]{2}\) als Nullstelle hat, ist \(X^7-2 = \operatorname{minpol}_{\alpha ,\mathbb Q}\).
Es gilt
Es ist nämlich klar, dass die linke Seite in der rechten Seite enthalten ist. Die Gleichheit kann man auf verschiedene Arten begründen: Wir haben gesehen, dass \(\mathbb Q(\sqrt[7]{2}) \cong \mathbb Q[X]/(X^7-2)\) ist, wobei hier die Restklasse von \(X\) genau dem Elemente \(\sqrt[7]{2}\) entsprechen soll. Weil die Restklassen von \(1\), \(X\), …, \(X^6\) eine Basis des \(\mathbb Q\)-Vektorraums \(\mathbb Q[X]/(X^7-2)\) bilden, bilden \(1\), \(\sqrt[7]{2}\), …, \((\sqrt[7]{2})^6\) eine Basis von \(\mathbb Q(\sqrt[7]{2})\).
Alternativ kann man nachprüfen, dass die Menge auf der linken Seite der obigen Gleichung ein Unterring von \(\mathbb Q(\sqrt[7]{2})\) ist. Weil dieser als \(\mathbb Q\)-Vektorraum endlichdimensional, und offenbar ein Integritätsring ist, handelt es sich um einen Körper (Übungsaufgabe). Daraus folgt die Gleichheit.
Seien \(\left.M\middle /L\right.\) und \(\left.L\middle /K\right.\) Körpererweiterungen. Dann sind äquivalent:
Die Erweiterungen \(\left.M\middle /L\right.\) und \(\left.L\middle /K\right.\) sind endlich.
Die Erweiterung \(\left.M\middle /K\right.\) ist endlich.
In diesem Fall gilt
Sei \((b_i)_{i\in I}\) eine Basis von \(L\) als \(K\)-Vektorraum und \((c_j)_{j\in J}\) eine Basis von \(M\) als \(L\)-Vektorraum.
Behauptung. Die Familie \((b_ic_j)_{i\in I,j\in J}\) ist eine Basis von \(M\) als \(K\)-Vektorraum.
Begründung. Wir zeigen zuerst, dass die angegebene Familie ein Erzeugendensystem ist. Sei dazu \(x\in M\). Wir können \(x = \sum \gamma _j c_j\) schreiben, mit \(\gamma _j\in L\), höchstens endlich viele \(\gamma _j\) sind \(\ne 0\). Jedes \(\gamma _j\) können wir in der Form \(\gamma _j =\sum _i \beta _{ij} b_i\) schreiben, \(\beta _{ij}\in K\), höchstens endlich viele \(\beta _{ij}\) sind \(\ne 0\). Damit erhalten wir insgesamt die Darstellung
von \(x\) als endliche Linearkombination der Elemente \(b_i c_j\) mit Koeffizienten in \(K\).
Nun zeigen wir, dass die Familie \((b_ic_j)_{i\in I,j\in J}\) linear unabhängig über \(K\) ist. In der Tat, ist \(\sum _{i,j} \beta _{ij} b_i c_j = 0\) eine Darstellung des Nullvektors mit \(\beta _{ij} \in K\), so folgt \(\sum _j \left( \sum _i \beta _{ij} b_i\right) c_j = 0\), wegen der linearen Unabhängigkeit der \(c_j\) über \(L\) also \(\sum _i \beta _{ij} b_i = 0\) für alle \(j\). Nun wenden wir an, dass die \(b_i\) linear unabhängig über \(K\) sind und erhalten \(\beta _{ij} = 0\) für alle \(i\) und \(j\), wie gewünscht.
Daraus folgt sowohl die Äquivalenz von (i) und (ii) als auch die Dimensionsformel.
Wenn man im nicht-endlichdimensionalen Fall nicht die Existenz von Basen benutzen möchte, kann man das Argument auch etwas modifizieren, um das zu vermeiden.
Die Gradformel hat viele nützliche einfache Anwendungen. Zum Beispiel:
Eine Körpererweiterung, deren Grad eine Primzahl ist, hat keine echten Zwischenkörper.
Es gilt \(\sqrt{2}\not\in \mathbb Q(\sqrt[3]{2})\). (Und analog kann man ähnliche Aussagen dieser Form beweisen.)
Das folgende Lemma fasst mehrere nützliche Charakterisierungen zusammen (die wir teilweise schon gesehen haben). Neu ist insbesondere die Implikation (iv) \(\Rightarrow \) (i), die zeigt, dass jede endliche Körpererweiterung algebraisch ist.
Sei \(\left.L\middle /K\right.\) eine Körpererweiterung, \(\alpha \in L\). Dann sind äquivalent:
Das Element \(\alpha \) ist algebraisch über \(K\).
Der Unterring \(K[\alpha ]\) von \(L\) ist ein Körper.
Es gilt \(K[\alpha ] = K(\alpha )\).
Die Erweiterung \(\left.K(\alpha )\middle /K\right.\) ist endlich.
In diesem Fall ist \(\operatorname{minpol}_{\alpha , K}\) irreduzibel in \(K[X]\) und \([K(\alpha ):K] = \deg (\operatorname{minpol}_{\alpha , K})\).
(i) \(\Rightarrow \) (ii). Wir haben bereits gesehen, dass in der Situation von (i) \(K[\alpha ] = K(\alpha )\) ein Körper ist.
(ii) \(\Leftrightarrow \) (iii). Dies ist klar.
(iii) \(\Rightarrow \) (iv). Da \(K[\alpha ]\) ein Körper ist, kann der Homomorphismus \(K[X]\to L\) nicht injektiv sein. (Denn sonst wäre \(K[\alpha ]\cong K[X]\), und der Polynomring \(K[X]\) hat Einheitengruppe \(K^\times \), ist also kein Körper.) Also ist \(K(\alpha ) = K[\alpha ] \cong K[X]/(f)\) für ein Polynom \(f\ne 0\), und der Quotient ist ein endlichdimensionaler \(K\)-Vektorraum (Beispiel 4.13).
(iv) \(\Rightarrow \) (i). Die Elemente \(1, \alpha , \dots , \alpha ^{[K(\alpha ):K]}\) sind linear abhängig, und eine nicht-triviale Linearkombination liefert uns ein Polynom \(\ne 0\) mit \(\alpha \) als Nullstelle.
Die Aussagen im letzten Satz haben wir schon Satz 4.11 bewiesen.
Sei \(\left.L\middle /K\right.\) eine Körpererweiterung. Dann sind äquivalent:
Die Erweiterung \(\left.L\middle /K\right.\) ist endlich.
Die Erweiterung \(\left.L\middle /K\right.\) ist algebraisch und endlich erzeugt.
Es existieren Elemente \(\alpha _1,\dots , \alpha _r\in L\), die über \(K\) algebraisch sind und die \(L\) als Erweiterungskörper von \(K\) erzeugen, also so dass \(L=K(\alpha _1,\dots , \alpha _r)\) gilt.
Die Implikation (i) \(\Rightarrow \) (ii) ist nach dem oben Gesagten klar. Für \(\alpha \in L\) ist mit \(\left.L\middle /K\right.\) auch \(\left.K(\alpha )\middle /K\right.\) endlich, also \(\alpha \) algebraisch über \(L\). Zudem ist jede Vektorraumbasis von \(L\) über \(K\) erst recht ein Erzeugendensystem von \(L\) als Erweiterungskörper von \(K\).
Dass (iii) aus (ii) folgt, ist offensichtlich. Ist andererseits \(L = K(\alpha _1, \dots , \alpha _r)\) für algebraische Elemente \(\alpha _i\), so sind die Erweiterungen \(\left.K(\alpha _1,\dots , \alpha _i)\middle /K(\alpha _1, \dots , \alpha _{i-1})\right.\) alle endlich, und damit wegen Satz 4.15 auch \(\left.L\middle /K\right.\).
Insbesondere folgt also, dass für Elemente \(\alpha _1,\dots , \alpha _r\) eines Erweiterungskörpers eines Körpers \(K\), die über \(K\) algebraisch sind, auch alle Elemente, die sich aus den \(\alpha _i\) durch Summen, Produkte, Quotienten und Multiplikation mit Elementen von \(K\) bilden lassen, über \(K\) algebraisch sind. Konkret ist zum Beispiel \(\frac{\sqrt{7}+\sqrt[3]{6}}{9+\sqrt[4]{3}}\) algebraisch über \(\mathbb Q\). Es ist offensichtlich wesentlich bequemer, das aus dem obigen Satz folgern zu können, als ein normiertes Polynom mit Koeffizienten in \(\mathbb Q\) finden zu müssen, das dieses Element als Nullstelle hat.
Entsprechend gilt für nicht notwendig endlich erzeugte Erweiterungen das folgende Korollar: Jede Erweiterung, die von algebraischen Element erzeugt wird, ist algebraisch.
Sei \(\left.L\middle /K\right.\) eine Körpererweiterung und sei \(M\subseteq L\) eine Teilmenge, die \(L\) als Erweiterungskörper von \(K\) erzeugt, d.h. es gilt \(L=K(M)\), und so dass alle Elemente von \(M\) algebraisch über \(K\) sind. Dann ist die Erweiterung \(\left.L\middle /K\right.\) algebraisch.
Es ist
wobei die Vereinigung über alle endlichen Teilmengen von \(M\) gebildet werde. Denn die rechte Seite ist (warum?) ein Teilkörper von \(L\), der \(K\) und \(M\) enthält, und enthält daher \(K(M)\). Die andere Inklusion ist klar. Die Behauptung folgt daher aus dem vorherigen Satz.
Seien \(\left.L\middle /K\right.\) und \(\left.M\middle /L\right.\) Körpererweiterungen. Dann sind äquivalent:
Die Erweiterungen \(\left.M\middle /L\right.\) und \(\left.L\middle /K\right.\) sind algebraisch.
Die Erweiterung \(\left.M\middle /K\right.\) ist algebraisch.
Es ist klar, dass (i) aus (ii) folgt. Sei andererseits (i) gegeben und \(\alpha \in M\). Dann existiert ein Polynom \(f = \sum _{i=0}^n \beta _iX^i\ne 0\) mit \(f(\alpha )=0\) und \(\beta _i\in L\). Sei \(E = K(\beta _0,\dots \beta _n)\). Dies ist nach Satz 4.18 eine endliche Körpererweiterung, denn die \(\beta _i\) sind als Elemente von \(L\) nach Voraussetzung algebraisch über \(K\). Weil \(f\) in \(E[X]\) liegt, ist aber \(\alpha \) algebraisch über \(E\), die Erweiterung \(\left.E(\alpha )\middle /E\right.\) ist mithin endlich. Wegen der Transitivität der Eigenschaft »endlich« ist auch \(\left.E(\alpha )\middle /K\right.\) endlich, und es folgt, dass \(\alpha \) algebraisch ist über \(K\).
Um zu begründen, dass es überhaupt Körpererweiterungen gibt, die nicht algebraisch sind, also transzendente Elemente enthalten, kann man einfach einen Körper \(K\) und als Erweiterungskörper den Quotientenkörper \(K(X) = \operatorname{Quot}(K[X])\) des Polynomrings über \(K\) betrachten. Offenbar ist \(X\) nicht Nullstelle eines Polynoms \(\ne 0\) mit Koeffizienten in \(K\). Interessanter ist, dass die Erweiterungen \(\left.\mathbb R\middle /\mathbb Q\right.\) und \(\left.\mathbb C\middle /\mathbb Q\right.\) nicht algebraisch sind. Das kann man folgendermaßen begründen.
Am einfachsten ist es, die Mächtigkeit von \(\mathbb C\) (oder \(\mathbb R\)) mit der Mächtigkeit der Teilmenge aller über \(\mathbb Q\) algebraischen Elemente zu vergleichen. Siehe Anhang B.1 für die nötigen Begriffe.
Der Polynomring \(\mathbb Q[X]\) ist abzählbar, und es folgt, dass die Teilmenge von \(\mathbb C\), die aus allen über \(\mathbb Q\) algebraischen komplexen Zahlen besteht, ebenfalls abzählbar ist: Wir können sie darstellen als die Vereinigung der endlichen Nullstellenmengen aller nicht-konstanten Polynome in \(\mathbb Q[X]\).
Andererseits ist \(\mathbb C\) selbst überabzählbar. Es muss sich daher um eine echte Teilmenge handeln.
Dieses Argument beweist die Existenz transzendenter Zahlen, allerdings liefert es keine Möglichkeit, irgendeine transzendente Zahl anzugeben.
Ein berühmtes Beispiel einer transzendenten Zahl ist die Zahl \(\pi \), deren Transzendenz 1882 von Lindemann bewiesen wurde. Der Beweis ist nicht einfach und benötigt, wie angesichts der Definition von \(\pi \) zu erwarten ist, analytische Methoden. Siehe zum Beispiel [ Lo ] Kapitel 17, [ Po ] Anhang A oder [ Bu ] Kapitel 6. Siehe auch Abschnitt 4.5.1.
Die Eulersche Zahl \(e\) ist transzendent, wie 1876 von Hermite gezeigt werden konnte. Auch dies ist nicht einfach (wenn auch etwas leichter als für \(\pi \)).
Die ersten konkreten Beispiele transzendenter Zahlen wurden 1844 von J. Liouville gegeben, die sogenannten Liouville-Zahlen. Die entscheidende Beobachtung (die auch in den meisten anderen Transzendenzbeweisen essenziell ist) ist, dass sich algebraische Zahlen nur »schlecht« durch rationale Zahlen annähern lassen (d.h. dass man große Nenner verwenden muss, um die Zahl gut anzunähern – natürlich ist es wichtig, dies dann genauer zu quantifizieren). Siehe zum Beispiel [ Bu ] Kapitel 6.