1.2 Wichtige Sätze und Folgerungen
Einige wichtige Sätze, die wir im Laufe der Vorlesung beweisen werden, sind die folgenden. Zum Teil fehlt uns im Moment allerdings noch die Terminologie, um ihren Inhalt präzise zu beschreiben.
Die Sylow-Sätze geben über die Untergruppen einer Gruppe Aufschluss, deren Ordnung eine Primzahlpotenz ist.
Der Satz von Gauß besagt, dass der Polynomring über einem faktoriellen Ring selbst faktoriell ist und gibt eine genaue Beschreibung der irreduziblen Elemente darin (in Termen der Irreduzibilität im Polynomring über dem Quotientenkörper des Grundrings).
Sind \(K\subseteq L\subseteq M\) Teilkörper, und ist \(x\in M\) Nullstelle eines normierten Polynoms mit Koeffizienten in \(L\), so dass jeder dieser Koeffizienten Nullstelle eines normierten Polynoms mit Koeffizienten in \(K\) ist, so ist auch \(x\) Nullstelle eines normierten Polynoms mit Koeffizienten in \(K\).
Ist \(K\) ein Körper, so existiert ein algebraisch abgeschlossener Erweiterungskörper von \(K\).
Zu jeder Primzahlpotenz \(q = p^r\) (mit \(r\ge 1\)) existiert ein Körper mit \(q\) Elementen (und dieser ist bis auf Isomorphie eindeutig bestimmt).
Der Hauptsatz der Galois-Theorie, der eine Bijektion zwischen den Zwischenkörpern einer galoisschen Körpererweiterung und den Untergruppen der sogenannten Galois-Gruppe dieser Erweiterung angibt und damit einen Zusammenhang zwischen der Theorie der Körpererweiterungen und der Gruppentheorie herstellt.
Als »Anwendungen« werden wir am Ende der Vorlesung dann
einen Beweis des Fundamentalsatzes der Algebra geben (also zeigen, dass der Körper der komplexen Zahlen algebraisch abgeschlossen ist), der nur ganz wenige Zutaten aus der Analysis benötigt (dass es ganz ohne Analysis nicht gehen kann, ist insofern klar, als die komplexen Zahlen von ihrer Natur aus ein »analytisches« Objekt sind),
zeigen, dass es Polynomgleichungen mit Koeffizienten in \(\mathbb Q\) gibt, deren Nullstellen (in \(\mathbb R\) bzw. \(\mathbb C\)) nicht mit den Grundrechenarten und dem Ziehen \(n\)-ter Wurzeln hingeschrieben werden können. (Man sagt, diese Gleichungen seien nicht »auflösbar durch Radikale«.) Insbesondere kann es keine allgemeine Lösungsformel ähnlich der Lösungsformel für quadratische Gleichungen im allgemeinen Fall geben. Wir werden auch sehen, warum dieses Phänomen nur in Grad \(\ge 5\) auftritt (und Methoden entwickeln, mit denen man die bekannten Lösungsformeln für Polynome vom Grad \(3\) und vom Grad \(4\) systematisch herleiten kann). Siehe auch die Einführung des Buchs [ Bo-A ] von Bosch, in dem das Thema ausführlich und auch aus historischer Sicht beleuchtet wird.
Wir werden verschiedene klassische Konstruktionsprobleme (»Konstruktion mit Zirkel und Lineal«) diskutieren und zum Beispiel sehen, dass die Verdoppelung des Würfels nicht möglich ist, dass der Satz von Lindemann über die Transzendenz von \(\pi \) zeigt, dass die Quadratur des Kreises unmöglich ist, und ein Kriterium dafür beweisen, dass das regelmäßige \(n\)-Eck mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist.
Einen konzeptionellen Beweis des quadratischen Reziprozitätsgesetzes geben, eines Grundpfeilers der Zahlentheorie, das in der Klassenkörpertheorie weitreichend verallgemeinert wird und insofern als Wegweiser auch für aktuelle Forschung in Zahlentheorie und benachbarten Gebieten betrachtet werden kann.
Sie sehen ja aus, als hätten Sie die Quadratur des Kreises gelöst!
Dies sagte (angeblich …) Oberstleutnant von dem Busche zu seinem Freund Ferdinand Lindemann, als er ihn eines Abends in außergewöhnlich guter Stimmung antraf. Der Grund für Lindemanns gute Laune war, dass er just an diesem Tag die Transzendenz (Definition 4.9) der Kreiszahl \(\pi \) bewiesen hatte. Wie wir sehen werden (und wie Lindemann natürlich wusste) folgt daraus mit der Theorie der Körpererweiterungen, wie wir sie in der Vorlesung kennenlernen werden, dass die »Quadratur des Kreises mit Zirkel und Lineal« nicht möglich ist (Satz 4.47).