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5.1 Definition und einfache Eigenschaften

Definition 5.1

Ein Ring \(R\) heißt noethersch, wenn die folgenden äquivalenten Bedingungen erfüllt sind:

  1. Jede aufsteigende Kette

    \[ \mathfrak a_0 \subseteq \mathfrak a_1 \subseteq \mathfrak a_2 \subseteq \cdots \]

    von Idealen in \(R\) wird stationär, d.h. es existiert \(n\ge 0\), so dass \(\mathfrak a_m = \mathfrak a_n\) für alle \(m\ge n\).

  2. Jedes Ideal von \(R\) ist endlich erzeugt.

  3. Jede nichtleere Menge von Idealen in \(R\) besitzt ein maximales Element bezüglich Inklusion.

Beweis der Äquivalenz

Ist \(\mathfrak a\subseteq R\) ein Ideal, das nicht endlich erzeugt ist, dann können wir eine Folge \(a_i\in \mathfrak a\) von Elementen finden, \(i\in \mathbb N\), so dass \((a_1,\dots , a_n)\subsetneq (a_1,\dots , a_{n+1})\) für alle \(n\) gilt. Das liefert eine Kette von Idealen in \(R\), die nicht stationär wird. Das zeigt die Implikation (i) \(\Rightarrow \) (ii).

Ist andererseits jedes Ideal von \(R\) endlich erzeugt und \(\mathscr M\) eine nichtleere Menge von Idealen in \(R\), dann folgt aus dem Lemma von Zorn (siehe Abschnitt LA1.B.1 oder Axiom ALG.3.24), dass \(\mathscr M\) ein maximales Element besitzt. Wir müssen dazu zeigen, dass jede (bezüglich Inklusion) total geordnete Menge \((\mathfrak a_i)_i\) von Idealen in \(R\) eine obere Schranke in \(\mathscr M\) besitzt. Da die Menge total geordnet ist, ist die Vereinigung \(\mathfrak a\) aller \(\mathfrak a_i\) ein Ideal von \(R\). Weil dieses nach Voraussetzung endlich erzeugt ist, folgt, dass \(\mathfrak a\) mit einem der \(\mathfrak a_i\) übereinstimmt (für \(i\) so groß, dass \(\mathfrak a_i\) alle Elemente irgendeines fixierten endlichen Erzeugendensystems enthält). Also liegt \(\mathfrak a\) in \(\mathscr M\). Das zeigt (ii) \(\Rightarrow \) (iii) und die Implikation (iii) \(\Rightarrow \) (i) ist klar (setze \(\mathscr M := \{ \mathfrak a_i;\ i\ge 0\} \)).

Die Kettenbedingung in der obigen Definition ähnelt formal derjenigen in Definition 4.21, wo wir aufsteigende Ketten betrachtet und damit den Begriff des Artin-Rings definiert haben. Interessanterweise ist aber die Bedingung, artinsch zu sein, eine wesentlich stärkere Einschränkung. Insbesondere kann man zeigen, dass jeder artinsche Ring noethersch ist.

Beispiel 5.2
  1. Jeder Hauptidealring ist noethersch (Lemma LA2.15.46).

  2. Ist \(R\) ein noetherscher Ring und \(\mathfrak a\subseteq R\) ein Ideal, so ist auch \(R/\mathfrak a\) noethersch. Das folgt leicht aus Satz 2.17.

  3. Sei \(R\ne 0\) ein Ring. Dann ist der Polynomring \(R[X_i;\ i\in \mathbb N]\) in unendlich vielen Unbestimmten nicht noethersch. Insbesondere sind Unterringe noetherscher Ringe nicht notwendig noethersch: Ist \(R\) ein Integritätsring, so ist dieser Polynomring ebenfalls ein Integritätsring und daher ein Unterring seines Quotientenkörpers.

Satz 5.3

Sei \(R\) ein noetherscher Ring, \(S\subseteq A\) eine multiplikative Teilmenge. Dann ist \(S^{-1}R\) noethersch.

Beweis

Sei \(\mathfrak a\subseteq S^{-1}R\) ein Ideal. Wir zeigen, dass dieses endlich erzeugt ist. Bezeichne dazu \(\tau \colon R\to S^{-1}R\) die natürliche Abbildung von \(R\) in die Lokalisierung und sei \(\mathfrak b = \tau ^{-1}(\mathfrak a)\). Dann ist \(\mathfrak b\) endlich erzeugt, etwa \(\mathfrak b = (b_1,\dots , b_n)\). Es ist dann leicht zu sehen, dass \(\mathfrak a = \left(\frac{b_1}{1}, \dots , \frac{b_n}{1}\right)\) gilt. Jedenfalls ist die Inklusion \(\supseteq \) klar. Ist andererseits \(\frac as \in \mathfrak a\), \(s\in S\), dann ist \(a\in \mathfrak b\), und daraus folgt, dass \(\frac as\in \left(\frac{b_1}{1}, \dots , \frac{b_n}{1}\right)\) gilt.

Definition 5.4

Sei \(R\) ein Ring (nicht notwendig noethersch). Ein \(R\)-Modul \(M\) heißt noethersch, wenn die folgenden äquivalenten Bedingungen erfüllt sind:

  1. Jede aufsteigende Kette von Untermoduln von \(M\) wird stationär.

  2. Jeder Untermodul von \(M\) ist endlich erzeugt.

  3. Jede nichtleere Menge von Untermoduln von \(M\) besitzt ein maximales Element bezüglich Inklusion.

Beweis der Äquivalenz

Dies beweist man wie in Definition 5.1.

Insbesondere folgt aus Bedingung (ii), dass jeder noethersche Modul endlich erzeugt ist. Ist \(R\) ein noetherscher Ring, dann gilt auch die Umkehrung, wie wir unten sehen werden; für allgemeine Ringe ist diese aber nicht richtig.

Mit dieser Definition gilt: Ein Ring \(R\) ist genau dann noethersch, wenn der \(R\)-Modul \(R\) noethersch ist.

Satz 5.5

Sei \(R\) ein Ring.

  1. Sei

    \[ 0 \to M^\prime \to M \to M^{\prime \prime } \to 0 \]

    eine kurze exakte Sequenz von \(R\)-Moduln. Dann gilt: \(M\) ist genau dann noethersch, wenn \(M^\prime \) und \(M^{\prime \prime }\) noethersch sind.

  2. Sei \(R\) ein noetherscher Ring und \(M\) ein endlich erzeugter \(R\)-Modul. Dann ist \(M\) noethersch.

Beweis

Zu (1). Es ist leicht zu zeigen, dass \(M^\prime \) und \(M^{\prime \prime }\) noethersch sind, wenn das für \(M\) gilt. Seien nun \(M^\prime \) und \(M^{\prime \prime }\) noethersch und sei \(N\subseteq M\) ein Untermodul. Seien \(f\colon M^\prime \to M\) und \(g\colon M\to M^{\prime \prime }\) die Homomorphismen aus der gegebenen kurzen exakten Sequenz. Aus der Voraussetzung folgt, dass \(g(N)\) und \(f^{-1}(N)\) endlich erzeugt sind, etwa \(g(N) = \langle c_1,\dots , c_s\rangle \), \(f^{-1}(N) = \langle a_1,\dots , a_r\rangle \). Wir wählen für \(i=1,\dots , s\) jeweils ein Urbild \(b_i\) von \(c_i\) unter \(g\). Man prüft dann leicht nach, dass \(f(a_1),\dots , f(a_r), b_1,\dots , b_s\) ein Erzeugendensystem von \(N\) bilden.

Zu (2). Aus Teil (1) folgt zunächst mit Induktion, dass jeder endlich erzeugte freie \(R\)-Modul, also jeder Modul der Form \(R^n\), noethersch ist, denn wir haben offensichtliche kurze exakte Sequenzen \(0\to R^{n-1}\to R^n\to R\to 0\). Ist \(M\) irgendein endlich erzeugter \(R\)-Modul, dann existieren \(n\ge 0\) und eine Surjektion \(R^n\to M\), und erneute Anwendung von Teil (1) liefert, dass \(M\) noethersch ist.