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4.2 Going-up

Satz 4.14

Seien \(A\) und \(B\) Integritätsringe und sei \(\varphi \colon A\to B\) ein injektiver ganzer Ringhomomorphismus. Dann ist \(A\) ein Körper genau dann, wenn \(B\) ein Körper ist.

Beweis

Sei zunächst \(A\) ein Körper und \(b\in B\setminus \{ 0\} \) mit \(p(b)=0\) für ein normiertes Polynom \(p=\sum _{i=0}^d a_i X^i \in A[X]\), \(a_d=1\). Sei \(j\) minimal mit \(a_j \ne 0\). Weil \(A\) ein Körper ist, ist dann \(a_j\) in \(A\) invertierbar und wir erhalten

\[ (b^{d-j-1} + a_{d-1} b^{d-j-2} + \cdots + a_{j+1})b^{j+1} = -a_j b^j. \]

Weil \(B\) ein Integritätsring und \(b\ne 0\) ist, folgt

\[ -\frac{1}{a_j}(b^{d-j} + a_{d-1} b^{d-j-1} + \cdots + a_{j+1})b = 1. \]

Also ist \(b\) in \(A[b]\) und damit insbesondere in \(B\) invertierbar.

Ist andererseits \(B\) ein Körper und \(a\in A\setminus \{ 0\} \), dann existiert \(b\in B\) mit \(ab=1\), und \(b\) ist ganz über \(A\), also \(p(b)=0\) für ein normiertes Polynom \(p =\sum _{i=0}^d a_i X^i \in A[X]\), \(a_d=1\). Dann ist

\[ b- a^{d-1}p(b) = b - (a^{d-1}b^d + a_{d-1}a^{d-1}b^{d-1} + \cdots + a_0 a^{d-1}) = -(a_{d-1} + a_{d-2}a + \cdots + a_0 a^{d-1}) \in A, \]

also \(b\in A\).

Satz 4.15

Sei \(\varphi \colon A\to B\) ein ganzer Ringhomomorphismus, \(\mathfrak q\in \operatorname{Spec}B\), \(\mathfrak p=\varphi ^{-1}(\mathfrak q)\in \operatorname{Spec}A\). Dann ist \(\mathfrak q\) ein maximales Ideal genau dann, wenn \(\mathfrak p\) ein maximales Ideal ist.

Beweis

In der Situation des Satzes induziert \(\varphi \) einen Ringhomomorphismus \(A/\mathfrak p\to B/\mathfrak q\). Dieser ist ein injektiver ganzer Ringhomomorphismus zwischen Integritätsringen, so dass wir Satz 4.14 anwenden können. Das liefert die Behauptung.

Satz 4.16

Sei \(\varphi \colon A\to B\) ein ganzer Ringhomomorphismus und seien \(\mathfrak q\), \(\mathfrak q^\prime \) Primideale von \(B\) mit \(\mathfrak q\subseteq \mathfrak q^\prime \) und \(\varphi ^{-1}(\mathfrak q) = \varphi ^{-1}(\mathfrak q^\prime )\). Dann gilt \(\mathfrak q = \mathfrak q^\prime \).

Beweis

Wir setzen \(\mathfrak p= \varphi ^{-1}(\mathfrak q)\). Der Homomorphismus \(\varphi \) induziert einen ganzen Ringhomomorphismus \(A_{\mathfrak p}\to B_{\mathfrak p}\), wobei wir mit \(B_{\mathfrak p}\) die Lokalisierung von \(B\) bezüglich der multiplikativen Teilmenge \(\varphi (A\setminus \mathfrak p)\) bezeichnen. Wegen der Beschreibung von Primidealen in der Lokalisierung (Satz 2.47) können wir \(\varphi \) durch diesen Homomorphismus ersetzen und dadurch annehmen, dass \(\varphi ^{-1}(\mathfrak q) =\varphi ^{-1}(\mathfrak q^\prime )\) ein maximales Ideal von \(A\) ist. Satz 4.15 impliziert dann, dass \(\mathfrak q\) und \(\mathfrak q^\prime \) maximale Ideale von \(B\) sind. Aus der Inklusion \(\mathfrak q\subseteq \mathfrak q^\prime \) folgt also die Gleichheit.

Theorem 4.17

Sei \(\varphi \colon A\to B\) ein injektiver ganzer Ringhomomorphismus. Dann ist die von \(\varphi \) induzierte Abbildung \(\operatorname{Spec}B\to \operatorname{Spec}A\) surjektiv, d.h. für jedes \(\mathfrak p\in \operatorname{Spec}A\) existiert \(\mathfrak q\in \operatorname{Spec}B\) mit \(\mathfrak p = \varphi ^{-1}(\mathfrak q)\).

Beweis

Indem wir wie im Beweis von Satz 4.16 zu den Lokalisierungen \(A_{\mathfrak p}\) und \(B_{\mathfrak p}\) übergehen, können wir uns auf die Situation reduzieren, dass \(A\) lokal mit maximalem Ideal \(\mathfrak p\) ist.

Sei dann \(\mathfrak q\) in \(B\) irgendein maximales Ideal. Weil \(\mathfrak p\) das einzige maximale Ideal von \(A\) ist, folgt \(\mathfrak p = \varphi ^{-1}(\mathfrak q)\) aus Satz 4.16.

Frage: Wo wurde im Beweis die Injektivität von \(\varphi \) benutzt? Geben Sie ein Beispiel eines (nicht-injektiven) ganzen Ringhomomorphismus an, so dass die auf den Spektren induzierte Abbildung nicht surjektiv ist. (Es gibt aber auch nicht-injektive ganze Ringhomomorphismen \(\varphi \), so dass \(\varphi ^a\) surjektiv ist.)

Induktiv können wir dieses Ergebnis zu dem folgenden Theorem verfeinern, das auch als going up theorem bezeichnet wird, weil man in der vorgegebenen Kette von Primidealen \(\mathfrak p_i\in \operatorname{Spec}(A)\) »nach oben gehen« und jeweils Urbilder in \(\operatorname{Spec}(B)\) finden kann.

Theorem 4.18 going-up

Sei \(\varphi \colon A\to B\) ein injektiver ganzer Ringhomomorphismus, sei

\[ \mathfrak p_1 \subseteq \cdots \subseteq \mathfrak p_n \subset A \]

eine Kette von Primidealen, und sei

\[ \mathfrak q_1 \subseteq \cdots \subseteq \mathfrak q_m \subset B \]

eine Kette von Primidealen in \(B\) mit \(m\le n\) und \(\varphi ^{-1}(\mathfrak q_i) = \mathfrak p_i\) für \(i=1, \dots , m\).

Dann existieren Primideale \(\mathfrak q_{m+1}\subseteq \dots \subseteq \mathfrak q_n\subset B\), so dass \(\mathfrak q_m\subseteq \mathfrak q_{m+1}\) und so dass \(\varphi ^{-1}(\mathfrak q_i) = \mathfrak p\) für alle \(i\) gilt.

Beweis

Per Induktion können wir uns auf den Fall \(m=1\), \(n=2\), einschränken, so dass nur ein Schritt in der Kette der \(\mathfrak q_i\) zu ergänzen ist, nämlich \(\mathfrak q_2\).

Nun induziert \(\varphi \) einen injektiven ganzen Ringhomomorphismus \(A/\mathfrak p_1\to B/\mathfrak q_1\), und auf diesen können wir Satz 4.17 anwenden. Die Behauptung folgt dann aus Satz 2.31.

Endlichkeit von Ringhomomorphismen spiegelt sich auch in der auf den Primspektren induzierten Abbildung wider, unter anderem dadurch, dass die Fasern dieser Abbildung endlich (und als topologische Räume diskret) sind.

Theorem 4.19

Sei \(\varphi \colon A\to B\) ein endlicher Ringhomomorphismus. Dann sind die Fasern der Abbildung \({}^a\varphi :\operatorname{Spec}B\to \operatorname{Spec}A\) endliche Mengen, und zwischen den Primidealen in einer Faser bestehen keine echten Inklusionen.

Beweis

Dass zwischen Primidealen von \(B\), die unter \(f\) auf dasselbe Primideal von \(A\) abgebildet werden, keine Inklusionen bestehen, folgt aus Satz 4.16. In Satz 4.23 unten sehen wir noch einen anderen Beweis für diese Tatsache.

Um zu zeigen, dass jede Faser nur endlich viele Elemente hat, brauchen wir einige Vorbereitungen. Der Beweis nimmt den Rest dieses Abschnitts in Anspruch.

Sei \(\varphi \colon A\to B\) ein Ringhomomorphismus und \(f\colon \operatorname{Spec}B\to \operatorname{Spec}A\) die auf den Primspektren induzierte Abbildung. Wir beginnen damit, die Faser \(f^{-1}(\mathfrak p)\) von \(f\) über einem Primideal \(\mathfrak p\in \operatorname{Spec}(A)\) als Spektrum eines Rings zu beschreiben.

Satz 4.20

Sei \(\varphi \colon A\to B\) ein Ringhomomorphismus. Sei \(f\colon \operatorname{Spec}B\to \operatorname{Spec}A\) die von \(\varphi \) induzierte Abbildung, sei \(\mathfrak p\in \operatorname{Spec}A\) und sei \(\kappa (\mathfrak p)\) der Restklassenkörper von \(A\) in \(\mathfrak p\). Dann induziert die natürliche Abbildung \(\operatorname{Spec}(B\otimes _A\kappa (\mathfrak p))\to \operatorname{Spec}B\) eine Bijektion [genauer: sogar einen Homöomorphismus] von \(\operatorname{Spec}(B\otimes _A\kappa (\mathfrak p))\) auf die Faser \(f^{-1}(\mathfrak p)\) von \(f\) über \(\mathfrak p\).

Beweis

Es ist \(\kappa (\mathfrak p) = \operatorname{Quot}(A/\mathfrak p)\), und folglich \(B\otimes _A\kappa (p) = S^{-1}(B/\mathfrak p B)\), wobei die multiplikative Teilmenge \(S\), bezüglich der wir lokalisieren, gegeben ist durch \(S = \pi (\varphi (A\setminus \mathfrak p))\). Hier ist \(\pi \colon B\to B/\mathfrak p B\) die kanonische Projektion.

Mit den Sätzen 2.31 und 2.47 können wir die Menge der Primideale von \(B\otimes _A\kappa (p)\) als Teilmenge von \(\operatorname{Spec}(B)\) beschreiben, und zwar als die Teilmenge derjenigen Primideale \(\mathfrak q\subset B\), die \(\mathfrak p B\) enthalten (und für jedes solche gilt \(\varphi ^{-1}(\mathfrak q) \supseteq \mathfrak p\)), und die \(S\) nicht treffen. Insgesamt erhalten wir so genau diejenigen Primideale, für die \(\varphi ^{-1}(\mathfrak q) = \mathfrak p\) gilt.

Dass die Inklusion \(\operatorname{Spec}(B\otimes _A\kappa (\mathfrak p)) \to \operatorname{Spec}(B)\) sogar ein Homöomorphismus auf diese Teilmenge ist, folgt daraus, dass die Bijektionen zu Primidealen in Lokalisierung/im Quotienten aus den gerade genannten Sätzen jeweils Homöomorphismen sind.

Wenn wir mit einem endlichen Ringhomomorphismus \(\varphi \colon A\to B\) beginnen, dann sind die auf diese Weise auftretenden Ringe \(B\otimes _A\kappa (\mathfrak p)\) artinsche Ringe im Sinne der folgenden Definition.

Definition 4.21

Ein Ring \(R\) heißt Artin-Ring oder artinsch, wenn für die Ideale in \(R\) die absteigende Kettenbedingung gilt, d.h., falls jede absteigende Kette

\[ \mathfrak a_0 \supseteq \mathfrak a_1 \supseteq \mathfrak a_2 \supseteq \cdots \]

von Idealen in \(R\) stationär wird, d.h. es existiert \(N\ge 0\), so dass \(\mathfrak a_n = \mathfrak a_N\) für alle \(n\ge N\).

Satz 4.22

Sei \(A\) ein Körper und \(A\to B\) ein endlicher Ringhomomorphismus. Dann ist \(B\) ein Artin-Ring.

Beweis

Wir können \(B\) als \(A\)-Vektorraum auffassen. Jedes Ideal von \(B\) ist dann insbesondere ein Untervektorraum. Weil \(B\) als \(A\)-Vektorraum endlich-dimensional ist, gilt die obige Kettenbedingung sogar für Untervektorräume, also erst recht für Ideale.

Ist \(\varphi \colon A\to B\) ein endlicher Ringhomomorphismus und \(\mathfrak p\in \operatorname{Spec}(A)\), dann erhalten wir durch den Basiswechsel \(A\to \kappa (\mathfrak p)\) einen Ringhomomorphismus \(\kappa (\mathfrak p)\to B\otimes _A\kappa (\mathfrak p)\), der nach Satz 4.13 ebenfalls endlich ist. Folglich ist \(B\otimes _A\kappa (\mathfrak p)\) in dieser Situation ein Artin-Ring. Angesichts dessen schließt der Beweis des folgenden Satzes auch den Beweis von Theorem 4.19 ab.

Satz 4.23

Sei \(B\) ein Artin-Ring.

  1. Alle Primideale von \(B\) sind maximale Ideale.

  2. Der Ring \(B\) besitzt nur endlich viele Primideale.

Beweis

Zu (1). Sei \(\mathfrak p\subset B\) ein Primideal. Der Quotient \(B/\mathfrak p\) ist ebenfalls ein Artin-Ring. Es genügt also zu zeigen, dass jeder artinsche Integritätsring \(B\) ein Körper ist. Ist \(x\in B\setminus \{ 0\} \), dann bilden die Ideale \((x^i)\) für \(i\ge 0\) eine absteigende Kette. Weil diese stationär wird, existiert \(i\) mit \(x^i\in (x^{i+1})\), etwa \(x^i = x^{i+1} y\) und damit \(xy = 1\), weil \(B\) ein Integritätsring ist. Also ist \(x\) eine Einheit in \(B\).

Zu (2). Angenommen, es gäbe unendlich viele paarweise verschiedene maximale Ideale \(\mathfrak m_1, \mathfrak m_2,\dots \) in \(B\). Dann ist

\[ B \supsetneq \mathfrak m_1 \supsetneq \mathfrak m_1\cap \mathfrak m_2 \supsetneq \mathfrak m_1\cap \mathfrak m_2 \cap \mathfrak m_3 \supsetneq \cdots \]

eine absteigende Kette, in der alle Inklusionen echt sind.

Um zu zeigen, dass es sich um echte Inklusionen handelt, kann man entweder direkt argumentieren: Denn wäre \(\bigcap _{i=1}^r \mathfrak m_i = \bigcap _{i=1}^{r+1} \mathfrak m_i\) für ein \(r\ge 0\), dann erhalten wir \(\bigcap _{i=1}^r \mathfrak m_i \subseteq \mathfrak m_{r+1}\) und damit nach Lemma 2.63 eine Inklusion \(\mathfrak m_i\subseteq \mathfrak m_{r+1}\) für ein \(i\), \(1\le i\le r\). Weil \(\mathfrak m_i\) und \(\mathfrak m_{r+1}\) verschiedene maximale Ideale sind, ist das unmöglich.

Oder man benutzt den chinesischen Restsatz (Satz ALG.3.14), der zeigt, dass für jedes \(r\) die Projektion \(B\to \bigoplus _{i=1}^r B/\mathfrak m_i\) surjektiv mit Kern \(\bigcap _{i=1}^r\mathfrak m_i\) ist. Wäre nun \(\bigcap _{i=1}^r \mathfrak m_i = \bigcap _{i=1}^{r+1} \mathfrak m_i\) für ein \(r\), dann wäre die Projektion \(\bigoplus _{i=1}^{r+1} B/\mathfrak m_i\to \bigoplus _{i=1}^r B/\mathfrak m_i\) ein Isomorphismus, was offensichtlich nicht der Fall ist.