Inhalt

4 Konstruktionen von Vektorräumen

23.5.

Sei $K$ ein Körper. Alle in diesem Kapitel betrachteten Vektorräume sind Vektorräume über $K$.

Sprechweise: Kommutatives Diagramm. Ein “Diagramm” von Abbildungen (von Vektorräumen, Gruppen, Mengen, …) heißt kommutativ, wenn für je zwei Objekte in dem Diagramm alle Verkettungen entlang verschiedener Wege vom ersten zum zweiten Objekt dieselbe Abbildung beschreiben. Zum Beispiel sind die folgenden beiden Diagramme

\begin{tikzcd} 
    A \arrow{d}{s}\arrow{r}{f} & B \arrow{d}{t} \\
    C \arrow{r}{g} & D
\end{tikzcd}
    
\begin{tikzcd} 
    A \arrow{dr}{h} \arrow{rr}{f} & & B \arrow{dl}{g}\\
 & C & 
\end{tikzcd}

genau dann kommutativ, wenn $t\circ f = g\circ s$ bzw. $g\circ f = h$.

4.1 Produkt, direkte Summe von VR

Sei $I$ eine Menge (“Indexmenge”), und sei für jedes $i\in I$ ein Vektorraum $V_i$ gegeben.

Erinnerung: Das Produkt $\prod _{i\in I} V_i$ ist definiert als die Menge aller Familien $(v_i)_{i\in I}$, $v_i\in V_i$.

Definition 4.1
  1. Das Produkt $\prod _{i\in I} V_i$ ist zusammen mit komponentenweiser Addition und Skalarmultiplikation ein Vektorraum und heißt das Produkt der Vektorräume $V_i$.

  2. Die Menge

    \[ \coprod _{i\in I} V_i := \{ (v_i)_i\in \prod _{i\in I} V_i;\ v_i = 0\ \text{für alle bis auf endlich viele} i \} \]

    ist ein Untervektorraum von $\prod _{i\in I}V_i$ und heißt das Koprodukt oder die (äußere) direkte Summe der $V_i$.

Ist $I=\{ 1,\dots n\} $, so schreiben wir auch $\prod _{i=1}^n V_i$ oder $V_1\times \cdots \times V_n$ statt $\prod _{i\in I} V_i$.

Satz 4.2 Universelle Eigenschaft des Produkts
  1. Mit den obigen Notationen sei $V:=\prod _{i\in I} V_i$. Die Projektionen $\pi _i\colon V\rightarrow V_i$, $(v_i)_i\mapsto v_i$, sind Vektorraumhomomorphismen.

  2. Sei $W$ ein Vektorraum zusammen mit Homomorphismen $p_i\colon W\rightarrow V_i$. Dann gibt es genau einen Homomorphismus $\varphi \colon W\rightarrow V$, so dass für alle $i\in I$: $p_i = \pi _i \circ \varphi $.

  3. Sei $V’$ ein Vektorraum zusammen mit Homomorphismen $\pi ’_i\colon V’\rightarrow V_i$, der auch die Eigenschaft in (2) hat. Dann gibt es einen eindeutig bestimmten Isomorphismus $\varphi \colon V\rightarrow V’$, so dass für alle $i$: $\pi _i = \pi ’_i\circ \varphi $.

Satz 4.3 Universelle Eigenschaft des Koprodukts
  1. Mit den obigen Notationen sei $V:=\coprod _{i\in I} V_i$. Die Inklusionen $\iota _i\colon V_i\rightarrow V$, $v\mapsto (\dots , 0, v, 0, \dots )$ ($v$ steht an der Stelle $I$) sind Homomorphismen.

  2. Sei $W$ ein Vektorraum zusammen mit Homomorphismen $f_i\colon V_i\rightarrow W$. Dann gibt es genau einen Homomorphismus $\varphi \colon \coprod _{i\in I}V_i\rightarrow W$, so dass für alle $i\in I$: $f_i = \varphi \circ \iota _i$.

  3. Sei $V’$ ein Vektorraum zusammen mit Homomorphismen $\iota _i’\colon V_i\rightarrow V’$, der auch die Eigenschaft in (2) hat. Dann gibt es einen eindeutig bestimmten Isomorphismus $\varphi \colon V\rightarrow V’$, so dass für alle $i$: $\iota _i’ = \varphi \circ \iota _i$.

Definition 4.4

Seien $I$ eine Menge, $V$ ein $K$-Vektorraum, und seien $V_i\subseteq V$, $i\in I$, Untervektorräume. Wir sagen, $V$ sei die (innere) direkte Summe der Untervektorräume $V_i$, wenn gilt

  1. Für jedes $v\in V$ gibt es $n\ge 0$, $i_1,\dots , i_n\in I$ und $v_1\in V_{i_1}$, …, $v_n\in V_{i_n}$ mit $v = \sum _{j=1}^n v_j$.

  2. Sind $n\ge 0$, $i_1,\dots , i_n\in I$ paarweise verschieden und $v_1\in V_{i_1}$, …, $v_n\in V_{i_n}$ mit $\sum _{j=1}^n v_j = 0$, so gilt $v_1=0$, …, $v_n=0$.

Notation: $V=\bigoplus _{i\in I} V_i$.

Wegen des folgenden Satzes macht man in der Regel keinen großen Unterschied zwischen Koprodukt und innerer direkter Summe von Vektorräumen (und bezeichnet oft auch das Koprodukt mit $\bigoplus $).

Satz 4.5
  1. Seien $V_i$, $i\in I$ Vektorräume. Sei $\iota _i$ die Inklusion $V_i\rightarrow \coprod _I V_i$. Dann ist $\coprod _{i\in I} V_i = \bigoplus _{i\in I} \iota _i(V_i)$.

  2. Sei $V$ ein Vektorraum, $V_i$, $i\in I$, Untervektorräume von $V$ mit $V = \bigoplus V_i$. Bezeichne mit $\iota _i$ die Inklusion $V_i\rightarrow \coprod _{i\in I} V_i$. Dann gibt es einen eindeutig bestimmten Isomorphismus $\varphi \colon \coprod _{i\in I} V_i\rightarrow V$, so dass für alle $i$ und $v\in V_i$: $\varphi (\iota _i(v)) = v$.

$\bullet $ Vergleiche die Definition des Produktes mit den Definitionen von $K^n$, $V^n$, $V_1\times V_2$, ${\rm Abb}(M, K)$ ($M$ eine Menge) aus der LA 1. Vergleiche die Definition der inneren direkten Summe mit dem in LA 1 eingeführten Begriff der direkten Summe.

$\bullet $ Sei $I$ eine Menge, $V$ ein Vektorraum und setze $V_i:=V$ für alle $i$. Welcher Homomorphismus $\coprod _I V \rightarrow V$ korrespondiert im Sinne der universellen Eigenschaft des Koprodukts zu den Abbildungen $\mathop{\rm id}\nolimits _V$ (für alle $i$)?

$\bullet $ Diskutiere an Beispielen, dass (für unendliches $I$) das Produkt nicht die universelle Eigenschaft des Koproduktes, und das Koprodukt nicht die universelle Eigenschaft des Produkts hat.

$\bullet $ Sei $V$ ein VR. Begründe, warum die Wahl einer Basis (mit Indexmenge $I$) dasselbe ist wie die Wahl eines Isomorphismus $V\cong \bigoplus _{i\in I}K$.

$\bullet $ Seien $I$ eine Menge, $V_i$, $i\in I$, Vektorräume. Zeige, dass für jeden VR $W$ gilt:

\[ \mathop{\rm Hom}\nolimits _K(\coprod _{i\in I} V_i, W) = \prod _{i\in I} \mathop{\rm Hom}\nolimits (V_i, W) \]

(was ist hier mit $=$ gemeint?). Zeige, dass die obige Aussage eine Umformulierung der universelles Eigenschaft des Koprodukts ist. Handelt es sich sogar um einen Isomorphismus von Vektorräumen?

Formuliere und löse eine analoge Aufgabe für das Produkt.

4.2 Quotientenvektorraum

25.5.

Sei $V$ ein $K$-Vektorraum, und sei $U\subseteq V$ ein Untervektorraum. Betrachte auf $V$ die folgende Äquivalenzrelation:

\[ v\sim w \quad :\Longleftrightarrow \quad v-w\in U. \]

Wir bezeichnen die Menge der Äquivalenzklassen mit $V/U$.

Die Äquivalenzklasse von $v\in V$ bezüglich dieser Äquivalenzrelation ist die Menge

\[ v + U = \{ v+u;\ u\in U\} . \]

In diesem Fall nennt man die Äquivalenzklassen oft Nebenklassen (von $U$).

Wir machen $V/U$ zu einem $K$-Vektorraum, indem wir Addition und Skalarmultiplikation definieren durch

\[ (v+U)+(w+U):= (v+w)+U,\quad \alpha (v+U) := (\alpha v+U),\qquad v,w\in V, \ \alpha \in K. \]

Diese Verknüpfungen sind wohldefiniert!

Die Abbildung $\pi \colon V\rightarrow V/U$, $v\mapsto v+U$, ist ein surjektiver Vektorraumhomomorphismus und wird als die kanonische Projektion oder Quotientenabbildung bezeichnet. Der Vektorraum $V/U$ zusammen mit der kanonischen Projektion $\pi $ heißt der Quotientenvektorraum oder einfach der Quotient von $V$ nach $U$.

Der Kern der kanonischen Projektion $\pi \colon V\rightarrow V/U$ ist $\mathop{\rm Ker}\pi =U$.

Wie der folgende Satz zeigt, lässt sich auch der Quotientenvektorraum durch eine universelle Eigenschaft beschreiben. Wie im Fall von Produkt und Koprodukt charakterisiert die universelle Eigenschaft den Quotientenvektorraum (zusammen mit der kanonischen Projektion) eindeutig bis auf eindeutigen Isomorphismus. Zusammen mit der Präzisierung in Teil (2) wird der Satz oft als Homomorphiesatz bezeichnet.

Satz 4.6
  1. (Universelle Eigenschaft des Quotienten) Sei $W$ ein $K$-Vektorraum und $p\colon V\rightarrow W$ ein Homomorphismus. Wenn $U\subseteq \mathop{\rm Ker}p$, dann existiert ein eindeutig bestimmter Homomorphismus $f\colon V/U\rightarrow W$ mit $f\circ \pi = p$.

  2. Existiert $f$ mit $f\circ \pi = p$, so folgt $U\subseteq \mathop{\rm Ker}p$. Sind $p$ mit $U\subseteq \mathop{\rm Ker}p$ und $f$ wie in (1), so gilt: $\mathop{\rm Im}f = \mathop{\rm Im}p$. Die Abbildung $f$ ist genau dann injektiv wenn $U=\mathop{\rm Ker}p$, genauer gilt stets $\mathop{\rm Ker}f = \mathop{\rm Ker}p/U$.

30.5.

Korollar 4.7

Sei $f\colon V\rightarrow W$ ein Vektorraumhomomorphismus, $\pi \colon V\rightarrow V/\mathop{\rm Ker}f$ die kanonische Projektion, $\iota \colon \mathop{\rm Im}f\rightarrow W$ die Inklusion. Dann faktorisiert $f$ eindeutig als $f=\iota \circ g\circ \pi $ mit einem Isomorphismus $g\colon V/\mathop{\rm Ker}f\rightarrow \mathop{\rm Im}f$.

Bemerkung 4.8

Sei $f\in \mathop{\rm End}\nolimits _K(V)$ und sei $U\subseteq V$ ein $f$-invarianter Untervektorraum. Dann induziert $f$ einen Homomorphismus $V/U\rightarrow V/U$, $v+U\mapsto f(v)+U$.

Satz 4.9

Sei $V$ endlich-dimensional, $U\subseteq V$ ein Untervektorraum. Dann ist $\dim U + \dim V/U = \dim V$.

$\bullet $ Wiederhole die Definition des Begriffs Äquivalenzrelation. Überprüfe, dass die oben betrachtete Relation $\sim $ (für $U\subseteq V$) tatsächlich eine Äquivalenzrelation ist.

$\bullet $ Wähle einen eindimensionalen Untervektorraum $U$ von $\mathbb R^2$ und veranschauliche die Äquivalenzklassen $v+U$ geometrisch.

$\bullet $ Was ist $V/\{ 0\} $? Was ist $V/V$ Was ist $(U_1\oplus U_2)/U_2$?

$\bullet $ Begründe anhand der universellen Eigenschaft des Quotienten, dass die kanonische Projektion $V\rightarrow V/U$ surjektiv ist.

$\bullet $ Sei $f\in \mathop{\rm End}\nolimits _K(V)$ und sei $U\subseteq V$ ein $f$-invarianter Untervektorraum. Sei $\mathscr B = (b_1, \dots , b_n)$ eine Basis von $V$, die durch Ergänzen einer Basis $(b_1, \dots , b_d)$ von $U$ entsteht. Was bedeutet es für die Form von $A:=M_{\mathscr B}^{\mathscr B}$, dass $f(U)\subseteq U$? Zeige, dass unter der kanonischen Projektion $\pi $ die Vektoren $b_{d+1}, \dots , b_n$ auf eine Basis von $V/U$ abgebildet werden. Was ist die Matrix, die den von $f$ induzierten Endomorphismus $V/U\rightarrow V/U$ bezüglich dieser Basis beschreibt?

$\bullet $ Begründe, dass Satz 4.9 auch ohne die Voraussetzung, dass $V$ endlich-dimensional ist, als korrekt angesehen werden kann.

$\bullet $ Wann gibt es einen nichttrivialen VR-Homomorphismus $\prod _{i\in I} K/\coprod _{i\in I}K\rightarrow K$? Kann man einen solchen explizit angeben?

4.3 Quotienten abelscher Gruppen

Sei $G$ eine Gruppe (wir schreiben die Verknüpfung als $\cdot $) und $H\subseteq G$ eine Untergruppe. Für $x,y\in G$ sei $x\sim y :\Leftrightarrow y^{-1}x\in H$. Dies ist eine Äquivalenzrelation und wir bezeichnen mit $G/H$ die Menge der Äquivalenzklassen ($H$-Linksnebenklassen). Die Nebenklasse von $x\in G$ ist

\[ xH = \{ xh;\ h\in H\} . \]

(Schreibt man $G$ additiv, so wird die Nebenklasse mit $x+H$ bezeichnet. Analog zu Linksnebenklassen kann man von Rechtsnebenklassen sprechen. Ist $G$ kommutativ, so muss man nicht zwischen der Linksnebenklasse $xH$ und der Rechtsnebenklasse $Hx$ unterscheiden.)

Weil $G$ die disjunkte Vereinigung der $H$-Nebenklassen ist (wie bei jeder Äquivalenzrelation), erhalten wir im endlichen Fall den

Satz 4.10 Euler-Lagrange

Sei $G$ eine endliche (kommutative) Gruppe, $H\subseteq G$ eine Untergruppe und $[G:H]:=\# (G/H)$ die Anzahl der Äquivalenzklassen in $G$ bezüglich der oben definierten Äquivalenzrelation. Dann gilt

\[ \# G = \# H \cdot [G:H]. \]

Insbesondere gilt $\# H | \# G$.

Lemma 4.11

Sei $G$ eine (multiplikativ geschriebene) endliche Gruppe mit $n$ Elementen und neutralem Element $e$, und sei $g\in G$. Dann gilt $g^n = e$.

Sei nun $G$ abelsch. Mit der Verknüpfung

\[ (xH)+(yH):= (xy)+H \]

ist $G/H$ eine abelsche Gruppe. Die kanonische Abbildung $\pi \colon G\rightarrow G/H$, die jedem $x\in G$ seine Äquivalenzklasse zuordnet, ist ein surjektiver Gruppenhomomorphismus und heißt die kanonische Projektion. Analog zum Vektorraumfall haben wir.

Satz 4.12
  1. (Universelle Eigenschaft des Quotienten) Sei $T$ eine abelsche Gruppe und $p\colon G\rightarrow T$ ein Gruppenhomomorphismus mit $H\subseteq \mathop{\rm Ker}p$. Dann existiert ein Gruppenhomomorphismus $f\colon G/H\rightarrow T$ mit $f\circ \pi = p$.

  2. (Homomorphiesatz) Sei $T$ eine abelsche Gruppe und $p\colon G\rightarrow T$ ein Gruppenhomomorphismus. Es existiert ein Gruppenhomomorphismus $f\colon G/H\rightarrow T$ mit $f\circ \pi = p$ genau dann, wenn $H\subseteq \mathop{\rm Ker}p$. In diesem Fall ist $f$ eindeutig bestimmt und es gilt $\mathop{\rm Im}f = \mathop{\rm Im}p$, und die Abbildung $f$ ist genau dann injektiv wenn $H=\mathop{\rm Ker}p$.

$\bullet $ Sei $G$ eine (multiplikativ geschriebene, nicht notwendig kommutative) Gruppe und $H\subseteq G$ eine Untergruppe. Zeige, dass durch $x\sim y :\Leftrightarrow xy^{-1}\in H$ eine Äquivalenzrelation definiert wird.

$\bullet $ Zeige am Beispiel $G=GL_2(K)$, $B\subset G$ die Untergruppe der oberen Dreiecksmatrizen, dass man die obige Definition nicht einfach auf den nichtkommutativen Fall übertragen kann, weil es keine wohldefinierte Multiplikation auf der Menge der $B$-Nebenklassen gibt.

$\bullet $ Vollziehe den Satz von Euler-Lagrange in konkreten Beispielen nach. (Zum Beispiel: $K$ ein endlicher Körper, $G=GL_n(K)$, $B$ die Untergruppe der oberen Dreiecksmatrizen.)

4.4 Quotienten von Ringen nach Idealen

1.6.

Sei $R$ ein kommutativer Ring und $I\subseteq R$ ein Ideal. Für $x,y\in R$ definiere $x\sim y :\Leftrightarrow x-y\in I$. Dies ist eine Äquivalenzrelation, wir nennen die Äquivalenzklassen auch als $I$-Nebenklassen und bezeichnen die Menge aller $I$-Nebenklassen mit $R/I$. Die Nebenklasse von $x\in R$ ist

\[ x+I = \{ x+y;\ y\in I\} . \]

Mit den Verknüpfungen

\[ (x+I)+(y+I):=(x+y)+I,\quad (x+I)\cdot (y+I):=(xy)+I,\qquad x,y\in R \]

ist $R$ ein kommutativer Ring mit Einselement $1+I$. Er wird als Restklassenring oder Quotient von $R$ modulo $I$ bezeichnet.

Beispiel 4.13
  1. $R=\mathbb Z$ der Ring der ganzen Zahlen, $m\in \mathbb Z$. Das Rechnen im Restklassenring $\mathbb Z/(m)$ ist gerade das Rechnen modulo (Division mit Rest durch) $m$.

  2. Der Restklassenring $\mathbb Q[X]/(X^2-2)$ ist isomorph zum Körper $\mathbb Q(\sqrt{2})$.

Satz 4.14
  1. (Universelle Eigenschaft des Quotienten) Sei $T$ ein kommutativer Ring und $p\colon R\rightarrow T$ ein Ringhomomorphismus mit $I\subseteq \mathop{\rm Ker}p$. Dann existiert ein Ringhomomorphismus $f\colon R/I\rightarrow T$ mit $f\circ \pi = p$.

  2. (Homomorphiesatz) Sei $T$ ein kommutativer Ring und sei $p\colon R\rightarrow T$ ein Ringhomomorphismus. Es existiert genau dann ein Ringhomomorphismus $f\colon R/I\rightarrow T$ mit $f\circ \pi = p$, wenn $I\subseteq \mathop{\rm Ker}p$. In diesem Fall ist $f$ eindeutig bestimmt und es gilt: $\mathop{\rm Im}f = \mathop{\rm Im}p$. Die Abbildung $f$ ist genau dann injektiv wenn $I=\mathop{\rm Ker}p$.

$\bullet $ Sei $R=\mathbb Q$ der Ring der rationalen Zahlen. Kann man, analog zum Quotienten nach Idealen, den Quotient von $\mathbb Q$ nach dem Unterring $\mathbb Z$ definieren?

$\bullet $ Vergleiche die Konstruktion des Restklassenrings $\mathbb Z/(m)$ mit der Konstruktion in der Übungsaufgabe aus Blatt 3, LA 1.

$\bullet $ Vergleiche die Konstruktionen von Quotienten von Vektorräumen, abelschen Gruppen und kommutativen Ringen. Begründe, dass man in jedem Fall gerade nach Kernen von Morphismen den Quotienten bilden kann. Schwieriger: Versuche geeignete Quotientenkonstruktionen im Fall nichtkommutativer Gruppen und nichtkommutativer Ringe zu finden.

4.5 Das RSA-Verfahren

Satz 4.15 Kleiner Satz von Fermat

Sei $p$ eine Primzahl, und $a\in \mathbb Z$. Dann gilt

\[ a^p \equiv a \mod p. \]

Wenn $p$ die Zahl $a$ nicht teilt, so gilt

\[ a^{p-1} \equiv 1 \mod p. \]

Seien $p$, $q$ verschiedene (in der Praxis: große) Primzahlen, sei $N:=pq$ und sei $e$ eine Zahl, die teilerfremd ist zu $(p-1)(q-1)$, und sei $d\in \mathbb Z$ mit

\[ de \equiv 1 \mod (p-1)(q-1). \]

Lemma 4.16

Mit den obigen Notationen gilt für alle $a\in \mathbb Z$:

\[ a^{de} \equiv a \mod N. \]

Das RSA-Verfahren (entwickelt 1977 von Rivest, Shamir und Adleman) ist ein “public key” Verschlüsselungsverfahren, das den Austausch geheimer Nachrichten über nicht abhörsichere Kanäle ohne den vorherigen Austausch eines geheimen Schlüssels ermöglicht. Dazu veröffentlicht der spätere Empfänger der Nachricht seinen öffentlichen Schlüssel, der dann allgemein bekannt ist, und zum Verschlüsseln von Nachrichten verwendet werden kann. Das Entschlüsseln ist aber nur mit zusätzlichen Informationen möglich, die sich zwar im Prinzip aus dem öffentlichen Schlüssel gewinnen lassen, aber nicht mit akzeptablem Rechenaufwand (d.h. mit heute bekannten Verfahren wüde es Jahre dauern, diese Berechnungen durchzuführen). Der hohe Rechenaufwand resultiert beim RSA-Verfahren daraus, das kein schnelles Verfahren bekannt ist, die Primteiler $p$ und $q$ von $N$ zu bestimmen, wenn nur $N$ gegeben ist und $p$ und $q$ sehr groß sind.

Öffentlicher Schlüssel. Der öffentliche Schlüssel besteht aus $N$ und $e$.

Verschlüsselung. Der Sender der Nachricht beschreibt seine Nachricht durch natürliche Zahlen $K

Entschlüsselung. Der Empfänger kennt nicht nur $N$ und $e$, sondern auch $p$ und $q$, also auch $(p-1)(q-1)$, und kann damit recht schnell eine Zahl $d$ mit $de\equiv 1\mod (p-1)(q-1)$ berechnen. Nach Erhalt der kodierten Nachricht $C$ berechnet er $C^d$ und erhält

\[ C^d \equiv K^{ed} \equiv K \mod N \]

zurück.

Varianten des Verfahrens kann man statt zur Verschlüsselung auch zum Signieren von Nachrichten einsetzen (d.h. um zu Belegen, dass die Nachricht tatsächlich vom Absender kommt und nicht unterwegs verändert wurde).

$\bullet $ Zeige an einem Beispiel, dass man auf die Voraussetzung, dass $p$ prim ist, im kleinen Satz von Fermat nicht verzichten kann.

$\bullet $ Vollziehe das Verfahren an einem konkreten Beispiel nach.

4.6 Der Dualraum

6.6.

Definition 4.17
  1. Sei $K$ ein Körper, $V$ ein Vektorraum. Dann heißt der Vektorraum $V^\vee :=\mathop{\rm Hom}\nolimits (V,K)$ der Dualraum von $V$.

  2. Sei $f\colon V\rightarrow W$ ein Vektorraumhomomorphismus. Dann heißt der Vektorraumhomomorphismus

    \[ f^\vee \colon W^\vee \rightarrow V^\vee ,\quad \lambda \mapsto \lambda \circ f, \]

    die zu $f$ duale Abbildung.

Bemerkung 4.18
  1. Es gilt $(\mathop{\rm id}\nolimits _V)^\vee = \mathop{\rm id}\nolimits _{V^\vee }$ und $(f\circ g)^\vee = g^\vee \circ f^\vee $. (Man sagt, das Bilden des Dualraums und der dualen Abbildung sei ein kontravarianter Funktor.)

  2. $(K^n)^\vee = \mathop{\rm Hom}\nolimits (K^n,K)=M_{1\times n}(K)$.

  3. Aus den beiden vorherigen Punkten folgt insbesondere: Ist $\dim V=n<\infty $, so ist $\dim V^\vee =n$.

Lemma 4.19

Sei $f\colon V\rightarrow W$ ein Vektorraumhomomorphismus und $f^\vee \colon W^\vee \rightarrow V^\vee $ die duale Abbildung.

  1. Ist $f$ injektiv, so ist $f^\vee $ surjektiv.

  2. Ist $f$ surjektiv, so ist $f^\vee $ injektiv.

Man kann das Lemma in der folgenden Form verallgemeinern:

Satz 4.20

Seien $V$, $W$ [endlich-dimensionale] $K$-Vektorräume und $f\colon V\rightarrow W$ eine lineare Abbildung. Seien $V^\vee $, $W^\vee $ die Dualräume von $V$ und $W$ und sei $f^\vee $ die zu $f$ duale Abbildung.

  1. Sei $\iota ^\vee \colon V^\vee \rightarrow (\mathop{\rm Ker}f)^\vee $ die zur Inklusion $\iota \colon \mathop{\rm Ker}f\rightarrow V$ duale Abbildung. Dann faktorisiert $\iota ^\vee $ über einen Isomorphismus

    \[ V^\vee /f^\vee (W^\vee ) \overset {\sim }{\to }(\mathop{\rm Ker}f)^\vee . \]
  2. Sei $\pi ^\vee \colon (W/f(V))^\vee \rightarrow W^\vee $ die zur kanonischen Projektion $\pi \colon W\rightarrow W/f(V)$ duale Abbildung. Dann ist $\pi ^\vee $ injektiv und identifiziert

    \[ (W/f(V))^\vee = \mathop{\rm Ker}(f^\vee ) \]

    als Teilmengen von $W^\vee $.

Insbesondere gilt $\mathop{\rm rg}\nolimits f = \mathop{\rm rg}\nolimits f^\vee $.

8.6.

Lemma 4.21

Sei $V$ ein Vektorraum. Dann existiert eine natürliche Abbildung

\[ V\rightarrow V^{\vee \vee }:=(V^\vee )^\vee ,\quad v\mapsto (V^\vee \rightarrow K,\ \lambda \mapsto \lambda (v)). \]

Diese Abbildung ist ein injektiver Vektoraumhomomorphismus, [sofern $V$ endlich-dimensional ist].

Satz 4.22

Sei $V$ ein endlich-dimensionaler Vektorraum. Ist $\mathscr B=(b_1,\dots , b_n)$ eine Basis von $V$, so definiere $b_i^\vee \in V^\vee $ durch

\[ b_i^\vee \colon V\rightarrow K,\ v=\sum _{j=1}^n a_jb_j\mapsto a_i \]

(also $b_i^\vee (b_j)=\delta _{ij}$ (Kronecker-Symbol)). Dann ist $b_1^\vee , \dots , b_n^\vee $ eine Basis von $V^\vee $, die sogenannte duale Basis zur Basis $\mathscr B$. Insbesondere gilt $\dim V = \dim V^\vee $, und die Wahl der Basis $\mathscr B$ liefert einen Isomorphismus $V\rightarrow V^\vee $, $b_i\mapsto b_i^\vee $.

Die beiden vorhergehenden Sätze liefern einen neuen Beweis dafür, dass der Spaltenrang und der Zeilenrang jeder Matrix übereinstimmen. Dieser Beweis kommt ganz ohne Rechnungen mit Matrizen aus.

Korollar 4.23

Sei $V$ ein endlich-dimensionaler Vektorraum. Die natürliche Abbildung $V\rightarrow V^{\vee \vee }$ ist ein Isomorphismus.

Satz 4.24

Seien $V$, $W$ endlich-dimensionale Vektorräume mit Basen $\mathscr B$, $\mathscr C$ und sei $f\colon V\rightarrow W$ ein Homomorphismus. Seien $\mathscr B^\vee $, $\mathscr C^\vee $ die dualen Basen von $V^\vee $, $W^\vee $, und sei $f^\vee $ die zu $f$ duale Abbildung. Dann gilt

\[ M^{\mathscr C^\vee }_{\mathscr B^\vee }(f^\vee ) = M^{\mathscr B}_{\mathscr C}(f)^t, \]

wobei $A^t$ die transponierte Matrix einer Matrix $A$ bezeichnet.

$\bullet $ Überprüfe die Richtigkeit von Bemerkung 4.18.

$\bullet $ Zeige, dass für jeden $K$-VR $V$ der $K$-VR $\mathop{\rm Hom}\nolimits (K,V)$ “kanonisch” isomorph zu $V$ ist. (Deshalb ist es nicht besonders interessant, diesen VR zu betrachten; er unterscheidet sich nicht von $V$.)

$\bullet $ Sei $W$ ein $K$-VR. Welche der Definitionen und Ergebnisse lassen sich auf die Zuordnung $V\mapsto \mathop{\rm Hom}\nolimits _K(V,W)$ übertragen?

$\bullet $ Überprüfe, dass die duale Basis der Standardbasis von $K^n$ gerade die “Standardbasis” von $M_{n\times 1}(K)$ ist.

$\bullet $ Belege anhand eines Beispiels, dass der in Satz 4.22 konstruierte Isomorphismus $V\rightarrow V^\vee $ abhängig von der Wahl der Basis $\mathscr B$ ist.

$\bullet $ Sei $V$ ein endlich-dimensionaler Vektorraum mit Basis $\mathscr B$. Wende die Konstruktion von Satz 4.22 auf $V$ und $\mathscr B$, und dann auf den Dualraum $V^\vee $ und die duale Basis $\mathscr B^\vee $ an. Ist die Verkettung der so erhaltenen Isomorphismen $V\rightarrow V^\vee $, $V^\vee \rightarrow V^{\vee \vee }$ die natürliche Abbildung $V\rightarrow V^{\vee \vee }$?

$\bullet $ Sei $V = \bigoplus _{i\in \mathbb N} K$. Zeige, dass die natürliche Abbildung $V\rightarrow V^{\vee \vee }$ injektiv, aber nicht surjektiv ist.

  1. Hier benutzen wir, dass $f(V)\subseteq W$ einen Komplementärraum besitzt, d.h. letztlich den Basisergänzungssatz, den wir in der LA 1 nur für den Fall bewiesen haben, dass $W$ endlich erzeugt ist.