Inhalt

1 Einleitung

Die Kommutative Algebra behandelt die Theorie der kommutativen Ringe und von Moduln über solchen Ringen. Der Begriff des Moduls über einem Ring ist die natürliche Verallgemeinerung des Begriffs des Vektorraums über einem Körper. Zwei wichtige Beispielklassen kommutativer Ringe sind

Polynomringe über einem (algebraisch abgeschlossenen) Körper und ihre Quotienten nach Idealen. Ist \(k\) ein (algebraisch abgeschlossener) Körper und \(I=(f_1, \dots , f_m) \subseteq R = k[X_1, \dots , X_n]\) ein Ideal, so reflektiert der Ring \(R/I\) viele geometrische Eigenschaften der gemeinsamen Nullstellenmenge

\[ V(I) = \{ (x_1, \dots , x_n)\in k^n;\ \forall i:\ f_i(x_1, \dots , x_n) = 0 \} \subseteq k^n \]

der Polynome \(f_i\) (siehe Korollar 4.29, Korollar 4.30). Wegen der Möglichkeit, geometrische Eigenschaften in algebraische Eigenschaften eines Rings zu übersetzen, ist die Kommutative Algebra ein essenzielles Hilfsmittel der modernen algebraischen Geometrie.

Ganzheitsringe algebraischer Zahlkörper. Sei \(\left.K\middle /\mathbb Q\right.\) eine endliche Körpererweiterung, und sei

\[ \mathcal O_K = \{ x \in K; \ \operatorname{minpol}_{x, \mathbb Q} \in \mathbb Z[X] \} . \]

Diese Menge ist ein Unterring von \(K\) und der Ring \(\mathcal O_K\) heißt der Ring der ganzen Zahlen von \(K\). Er reflektiert wesentliche zahlentheoretische Eigenschaften des Körpers \(K\). Dies wird in der Vorlesung Algebraische Zahlentheorie genauer untersucht. Siehe auch Kapitel 7. Zum Beispiel hängt die Fermatsche Vermutung

\[ \text{für}\ n {\gt} 2\ \text{und}\ x,y,z\in \mathbb Z\ \text{gilt}\ x^n+y^n=z^n\ \text{höchstens, wenn}\ xyz=0 \]

– mit der Struktur der Ganzheitsringe in den Körpern \(\mathbb Q(\zeta )\), die durch Adjunktion einer primitiven \(n\)-ten Einheitswurzel entstehen, zusammen. (Jedenfalls in dem Sinne, dass man für diejenigen \(n\), für die dieser Ring faktoriell ist, die obige Aussage ziemlich leicht beweisen kann. Allerdings kann man zeigen, dass das nur für endlich viele \(n\) (die alle \(\le 90\) sind) der Fall ist. Inzwischen wurde die Fermatsche Vermutung für alle \(n\) von Wiles und anderen bewiesen, mit Methoden der algebraischen Zahlentheorie und algebraischen Geometrie, die über den üblichen Umfang des Master-Studiums deutlich hinausgehen.)

Im Sinne der Übersetzung von algebraischen zu geometrischen Fragen (und umgekehrt), werden wir für jeden Ring \(R\) die Menge \(\operatorname{Spec}R\) aller Primideale von \(R\) zu einem »geometrischen Objekt« machen (einem topologischen Raum), siehe Abschnitt 2.1. In der algebraischen Geometrie wird diese Sichtweise dann noch wesentlich ausgebaut. Die so verfügbare geometrische Intuition kann dann auch auf Situationen angewendet werden, die von zahlentheoretischen Fragen herkommen, etwa von Ringen der Form \(\mathcal O_K\). (Solange hier noch nicht mehr dazu steht: Siehe auch Abschnitt ALG.3.8.)

Neben dem Nutzen in der »Reinen Mathematik« haben Methoden der Kommutativen Algebra und Algebraischen Geometrie auch immer größere Bedeutung in Anwendungen. Polynomgleichungen treten überall in der Mathematik und auch in vielen Anwendungen in den (Natur-)Wissenschaften auf, und die Kommutative Algebra kann zu ihrer Untersuchung oft einen wichtigen Beitrag leisten.


Verweise der Form Kapitel LA1.4, Abschnitt LA2.15.1, Satz ALG.3.22 verweisen auf die Vorlesungsskripte zur Linearen Algebra 1  [ LA1 ] , Linearen Algebra 2  [ LA2 ] und Algebra  [ ALG ] . Wenn Sie die entsprechenden PDF-Dateien unter den Dateinamen la1.pdf, la2.pdf beziehungsweise algebra.pdf im selben Verzeichnis ablegen wie dieses Skript, dann sollten diese Referenzen »anklickbar« sein.