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4.3 Noether-Normalisierung und der Hilbertsche Nullstellensatz

In diesem Abschnitt werden wir mit dem Noetherschen Normalisierungslemma und dem Hilbertschen Nullstellensatz zwei Ergebnisse über endlich erzeugte Algebren über einem Körper beweisen, die in besonderem Maße einer geometrischen Interpretation im Sinne des Primspektrums bzw. Maximalspektrums zugänglich sind. Das folgende Theorem von Emmy Noether erlaubt es, zu einer endlich erzeugten \(k\)-Algebra \(R\), \(k\) ein Körper, einen injektiven endlichen Ringhomomorphismus \(k[X_1, \dots , X_n]\to R\) zu finden. Die zugehörige Abbildung auf den Primspektren ist dann surjektiv und hat endliche Fasern. Man erhält auch eine Abbildung zwischen den Maximalspektren (das ist eine Konsequenz des Nullstellensatzes von David Hilbert, Korollar 4.32 unten) mit denselben Eigenschaften.

Theorem 4.25 Noethersches Normalisierungslemma

Sei \(k\) ein Körper und sei \(R\ne 0\) eine endlich erzeugte \(k\)-Algebra. Dann existieren \(n\ge 0\) und ein injektiver endlicher \(k\)-Algebren-Homomorphismus \(k[X_1,\dots , X_n]\to R\).

Beweis

Seien \(y_1,\dots , y_m\in R\) Erzeuger von \(R\) als \(k\)-Algebra. Wir haben also einen surjektiven Homomorphismus \(\psi \colon k[Y_1,\dots , Y_m]\to R\), \(Y_i\mapsto y_i\), von \(k\)-Algebren.

Wir führen nun Induktion nach \(m\). Wenn \(\psi \) injektiv ist, dann sind wir fertig. Sei nun \(\operatorname{Ker}(\psi )\ne 0\). Es genügt dann, eine \(k\)-Unteralgebra \(S\subseteq R\) zu finden, die sich von \(m-1\) Elementen erzeugen lässt und so dass die Inklusion \(S\to R\) endlich (äquivalent: ganz) ist. Denn dann finden wir nach Induktionsvoraussetzung einen injektiven endlichen Ringhomomorphismus von einem Polynomring über \(k\) nach \(S\), und durch Verkettung mit der Inklusion \(S\to R\) einen solchen nach \(R\).

Sei \(f\in \operatorname{Ker}(\psi )\), \(f\ne 0\), also \(f(y_1,\dots , y_m) = 0\). Wir machen nun den folgenden Ansatz: Für \(r_2,\dots , r_m\in \mathbb N_{{\gt} 0}\) sei

\[ z_i := y_i - y_1^{r_i}. \]

Dann erzeugen \(y_1, z_2,\dots , z_m\) die \(k\)-Algebra \(R\). Wir werden zeigen, dass wir die \(r_i\) so wählen können, dass \(y_1\) ganz ist über \(S:=k[z_2,\dots , z_m]\). Daraus folgt dann die Behauptung.

Jedenfalls ist \(y_1\) eine Nullstelle des Polynoms \(g(Y_1):=f(Y_1, z_2 + Y_1^{r_1},\dots , z_m + Y_1^{r_m})\in S[Y_1]\). Es genügt dann zu zeigen, dass für eine geeignete Wahl der \(r_i\) dieses Polynom (in \(Y_1\)) Leitkoeffizient in \(k^\times \) hat, denn dann können wir durch den Leitkoeffizienten teilen und erhalten ein normiertes Polynom mit \(y_1\) als Nullstelle und mit Koeffizienten in \(S\).

Das Polynom \(g\) ist eine \(k\)-Linearkombination von Ausdrücken der Form \(Y_1^{b_1}\prod _{i=2}^m (z_i+Y_1^{r_i})^{b_i}\) für \(b_i\in \mathbb N\). (Welche Tupel \((b_i)_i\) hier auftreten, hängt von \(f\) ab.) Der Grad eines solchen Ausdrucks ist \(b_1+\sum _i r_ib_i\). Es genügt dann, die \(r_i\) so zu wählen, dass die Ausdrücke \(b_1+\sum _i r_ib_i\) für alle Tupel \((b_i)_i\), die mit Koeffizient \(\ne 0\) auftreten, paarweise verschieden sind, denn dann liefert das (eindeutig bestimmte) Tupel, für das der Ausdruck maximal wird, den höchsten Exponenten von \(Y_1\) in \(g\).

Es ist leicht zu sehen, dass man die \(r_i\) so wählen kann, dass das der Fall ist, zum Beispiel folgendermaßen: Wir betrachten die endlich vielen Polynome \(\sum b_i X^{i-1}\in \mathbb Z[X]\) für Tupel \((b_i)_i\) wie oben, und wählen \(x\in \mathbb Z\) so, dass die Werte aller dieser Polynome bei \(x\) paarweise verschieden sind. Dann können wir \(r_i := x^{i-1}\), \(i=2,\dots , m\), setzen.

Beispiel 4.26

Sei \(k\) ein Körper.

  1. Ist \(f\in k[X_1,\dots , X_n]\) normiert als Polynom in \(X_n\), dann induziert die Inklusion \(k[X_1,\dots , X_{n-1}]\to k[X_1,\dots , X_n]\) einen endlichen injektiven \(k\)-Algebren-Homomorphismus \(k[X_1,\dots , X_{n-1}]\to k[X_1,\dots , X_n]/(f)\).

  2. Der injektive Ringhomomorphismus \(k[X]\to k[X, Y]/(XY)\) ist nicht endlich. (Warum?)

  3. Der injektive Ringhomomorphismus \(k[X]\to k[X, Y]/(XY-1)\) ist nicht endlich. (Warum?) Der injektive Ringhomomorphismus \(k[T]\to k[X, Y]/(XY-1)\), \(T\mapsto X-Y\) ist endlich. (Warum?)

Definition 4.27

Ein Ring \(A\) heißt Jacobsonsch, wenn für jedes Primideal \(\mathfrak p\in \operatorname{Spec}A\) gilt

\[ \mathfrak p = \bigcap _{\mathfrak m\in \operatorname{Spm}A, \mathfrak p\subseteq \mathfrak m} \mathfrak m. \]

Theorem 4.28 Hilbertscher Nullstellensatz

Sei \(k\) ein Körper und \(A\) eine endlich erzeugte \(k\)-Algebra.

  1. Ist \(\mathfrak m\) ein maximales Ideal von \(A\), so ist \(k\to A/\mathfrak m\) eine endliche Körpererweiterung.

  2. Der Ring \(A\) ist Jacobsonsch.

Beweis

Für Teil (1) verwenden wir das Noethersche Normalisierungslemma, mit dem wir einen injektiven endlichen \(k\)-Algebren-Homomorphismus \(\varphi \colon k[X_1,\dots , X_n]\to A/\mathfrak m\) finden. Weil \(\varphi \) endlich und \(A/\mathfrak m\) ein Körper ist, ist \(k[X_1,\dots , X_n]\) nach Satz 4.14 ebenfalls ein Körper, aber das bedeutet \(n=0\). Also ist \(A/\mathfrak m\) endlich über \(k\).

Für Teil (2) beginnen wir mit einer Vorbemerkung. Ist \(\left.k'\middle /k\right.\) eine endliche Körpererweiterung und \(\varphi \colon A\to k'\) ein Homomorphismus von \(k\)-Algebren, dann ist das Bild ein Integritätsring, der als \(k\)-Vektorraum endlichdimensional ist, also ein Körper. Deshalb ist \(\operatorname{Ker}(\varphi )\) ein maximales Ideal von \(A\).

Sei nun \(\mathfrak p\subset A\) ein Primideal. Indem wir \(A\) durch \(A/\mathfrak p\) ersetzen, können wir ohne Einschränkung der Allgemeinheit annehmen, dass \(A\) ein Integritätsring und \(\mathfrak p=0\) ist. Zu zeigen ist dann, dass \(\operatorname{Jac}(A) = 0\) gilt.

Sei \(x\in A\setminus \{ 0\} \). Dann ist die Lokalisierung \(A_x\) (die isomorph ist zu \(A[Y]/(xY-1)\)) eine endlich erzeugte \(k\)-Algebra \(\ne 0\). Sei \(\mathfrak n\subset A_x\) ein maximales Ideal. Nach dem zuvor Gezeigten ist \(A_x/\mathfrak n\) ein endlicher Erweiterungskörper von \(k\) und der Kern \(\mathfrak m\) der Verkettung \(A\to A_x \to A_x/\mathfrak n\) ist nach der Vorbemerkung ein maximales Ideal von \(A\). Aber das Bild von \(x\) ist eine Einheit, also liegt \(x\) nicht in \(\mathfrak m\) und folglich auch nicht in \(\operatorname{Jac}(A)\).

Auch das folgende Korollar, in dem die maximalen Ideale im Polynomring (in endlich vielen Unbestimmten) über einem algebraisch abgeschlossenen Körper bestimmt werden, wird oft als (eine Version des) Hilbertschen Nullstellensatzes bezeichnet. Es ist klar, dass für \((x_i)_i\in k^n\) das Ideal \((X_1-x_1,\dots , X_n-x_n)\subset k[X_1,\dots , X_n]\) maximal ist, denn es handelt sich um den Kern des Einsetzungshomomorphismus \(k[X_1,\dots , X_n]\to k\), \(X_i\mapsto x_i\). (Dass der Kern nicht größer ist, folgt leicht mit Polynomdivision und Induktion nach \(n\).)

Korollar 4.29

Sei \(k\) ein algebraisch abgeschlossener Körper.

  1. Sei \(A\) eine endlich erzeugte \(k\)-Algebra und sei \(\mathfrak m\subset A\) ein maximales Ideal. Dann gilt \(A/\mathfrak m= k\).

  2. Sei \(\mathfrak m\subset k[X_1,\dots , X_n]\) ein maximales Ideal. Dann existieren \(x_1, \dots , x_n\in k\) mit

    \[ \mathfrak m = (X_1-x_1,\dots , X_n-x_n). \]

Beweis

Zu (1). Wir betrachten \(A/\mathfrak m\) bezüglich der Verkettung \(k\to A\to A/\mathfrak m\) als Erweiterungskörper von \(k\). Nach dem Theorem handelt es sich um einen endlichen Erweiterungskörper. Weil \(k\) algebraisch abgeschlossen ist, folgt die Gleichheit.

Zu (2). Für gegebenes \(\mathfrak m\) ist \(k[X_1,\dots , X_n]/\mathfrak m=k\) nach Teil (1). Wir definieren \(x_i\) als das Bild von \(X_i\) unter der Verkettung \(k[X_1,\dots , X_n]\to k[X_1,\dots , X_n]/\mathfrak m=k\). Dann ist offensichtlich das Ideal \((X_1-x_1,\dots , X_n-x_n)\) in \(\mathfrak m\) enthalten, und weil es sich um ein maximales Ideal handelt, folgt die Gleichheit.

Aus Satz 2.17 über die Ideale im Quotienten eines Rings nach einem Ideal können wir damit auch das folgende Korollar ableiten.

Korollar 4.30

Sei \(k\) ein algebraisch abgeschlossener Körper, und seien \(f_1, \dots , f_m\in k[X_1, \dots , X_n]\). Dann haben wir eine Bijektion

\begin{align*} \{ (x_i)_i\in k^n;\ \forall j: f_j(x_1,\dots , x_n)=0\} & \stackrel{\sim }{\smash {\longrightarrow }\rule{0pt}{0.4ex}}\operatorname{Spm}(k[X_1, \dots , X_n]/(f_1, \dots , f_m)),\\ (x_i)_i& \mapsto (X_1-x_1, \dots , X_n-x_n) \end{align*}

Außerdem sehen wir, dass eine Familie von Polynomen in \(k[X_1, \dots , X_n]\) eine gemeinsame Nullstelle in \(k^n\) haben muss, wenn sie nicht das Einsideal erzeugt. (In letzterem Fall kann es offensichtlich keine gemeinsame Nullstelle geben.) Diese Tatsache ist der Grund, warum der obige Satz Nullstellensatz heißt.

Korollar 4.31

Sei \(k\) ein algebraisch abgeschlossener Körper, und seien \(f_1, \dots , f_m\in k[X_1, \dots , X_n]\). Dann gilt

\[ V(f_1, \dots , f_m) = \emptyset \quad \Longleftrightarrow \quad (f_1, \dots , f_m) = (1). \]

Als weiter Folgerung sehen wir, dass sich für einen Homomorphismus von endlich erzeugten \(k\)-Algebren (\(k\) ein Körper, der nicht algebraisch abgeschlossen sein muss) die induzierte Abbildung zwischen den Primspektren zu einer Abbildung zwischen den Maximalspektren einschränkt.

Korollar 4.32

Sei \(k\) ein Körper und sei \(\varphi \colon A\to B\) ein Homomorphismus von endlich erzeugten \(k\)-Algebren. Dann ist für jedes maximale Ideal \(\mathfrak n\subset B\) das Urbild \(\varphi ^{-1}(\mathfrak n)\) ein maximales Ideal von \(A\).

Beweis

Es ist \(\varphi ^{-1}(\mathfrak n)\) gerade der Kern der Verkettung \(A\to B\to B/\mathfrak n\). Die Behauptung folgt aus Theorem 4.28 zusammen mit der Vorbemerkung zum Beweis von Teil (2) dieses Theorems.