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A.3 Algebraische Körpererweiterungen

A.3.1 Algebraische und endliche Körpererweiterungen

Definition A.52

Ist \(K\) ein Teilkörper eines Körpers \(L\), so nennen wir auch \(L\) einen Erweiterungskörper von \(K\) und sprechen von der Körpererweiterung \(\left.L\middle /K\right.\).

Ist \(E\) ein Teilkörper von \(L\), der seinerseits \(K\) als Teilkörper enthält, \(K\subseteq E\subseteq L\), so heißt \(E\) ein Zwischenkörper der Erweiterung \(\left.L\middle /K\right.\).

Manchmal betrachten wir nicht nur die Inklusion eines Teilkörpers in einem Erweiterungskörper sondern allgemeiner auch einen (notwendigerweise injektiven) Körperhomomorphismus als Körpererweiterung.

Definition A.53

Sei \(\left.L\middle /K\right.\) eine Körpererweiterung. Sei \(M\subseteq L\) eine Teilmenge.

  1. Die von \(M\) erzeugte \(K\)-Algebra ist der kleinste Unterring von \(L\), der \(K\) und \(M\) enthält. Äquivalent ist dies das Bild des Einsetzungshomomorphismus \(K[X_m,\ m\in M]\to L\), \(X_m\mapsto m\), also die Menge aller polynomialen Ausdrücke in den Elementen von \(M\) mit Koeffizienten in \(K\). Wir bezeichnen diese \(K\)-Algebra mit \(K[M]\).

  2. Der über \(K\) von \(M\) erzeugte Teilkörper von \(L\) ist der kleinste Teilkörper von \(L\), der \(K\) und \(L\) enthält. Dieser kann mit dem Quotientenkörper von \(K[M]\) identifiziert werden. Wir bezeichnen diesen Teilkörper von \(L\) mit \(K(M)\).

Es gilt also stets \(K[M] \subseteq K(M)\). Wir werden unten die Bedingung, dass hier Gleichheit besteht, genauer untersuchen.

Definition A.54

Eine Körpererweiterung \(\left.L\middle /K\right.\) heißt endlich erzeugt, wenn eine endliche Teilmenge \(M\subseteq L\) mit \(L=K(M)\) existiert.

Definition A.55

Sei \(\left.L\middle /K\right.\) eine Körpererweiterung.

  1. Ein Element \(\alpha \in L\) heißt algebraisch über \(K\), wenn ein Polynom \(p\in K[X]\setminus \{ 0\} \) existiert mit \(p(\alpha )=0\). Das eindeutig bestimmte normierte Polynom kleinsten Grades in \(K[X]\), das \(\alpha \) als Nullstelle hat, heißt dann das Minimalpolynom von \(\alpha \) über \(K\).

    Wir bezeichnen das Minimalpolynom von \(\alpha \) über \(K\) mit \(\operatorname{minpol}_{\alpha ,K}\).

  2. Ein Element \(\alpha \in L\), das nicht algebraisch über \(K\) ist, heißt transzendent.

  3. Die Körpererweiterung \(\left.L\middle /K\right.\) heißt algebraisch, wenn jedes Element von \(L\) über \(K\) algebraisch ist. Andernfalls heißt die Erweiterung transzendent.

Ist \(\alpha \in L\) algebraisch über \(K\), so ist \(K[\alpha ]\cong K[X]/(\operatorname{minpol}_{\alpha , K})\) ein Körper, und es gilt folglich \(K[\alpha ] = K(\alpha )\).

Definition A.56

Sei \(\left.L\middle /K\right.\) eine Körpererweiterung.

  1. Die Vektorraumdimension von \(L\) als \(K\)-Vektorraum heißt auch der Grad der Erweiterung \(\left.L\middle /K\right.\) und wird mit \([L:K]\) bezeichnet.

  2. Die Erweiterung \(\left.L\middle /K\right.\) heißt endlich, wenn ihr Grad endlich ist, andernfalls unendlich.

Satz A.57 Gradformel

Seien \(\left.L\middle /K\right.\) und \(\left.M\middle /L\right.\) Körpererweiterungen. Dann sind äquivalent:

  1. Die Erweiterungen \(\left.M\middle /L\right.\) und \(\left.L\middle /K\right.\) sind endlich.

  2. Die Erweiterung \(\left.M\middle /K\right.\) ist endlich.

In diesem Fall gilt

\[ [M:K] = [M:L] \cdot [L:K]. \]

Lemma A.58

Sei \(\left.L\middle /K\right.\) eine Körpererweiterung, \(a\in L\). Dann sind äquivalent:

  1. Das Element \(a\) ist algebraisch über \(K\).

  2. Die Erweiterung \(\left.K(a)\middle /K\right.\) ist endlich.

  3. Es gilt \(K[a] = K(a)\).

  4. Der Unterring \(K[a]\) von \(L\) ist ein Körper.

Satz A.59

Sei \(\left.L\middle /K\right.\) eine Körpererweiterung. Dann sind äquivalent:

  1. Die Erweiterung \(\left.L\middle /K\right.\) ist endlich.

  2. Die Erweiterung \(\left.L\middle /K\right.\) ist algebraisch und endlich erzeugt.

Satz A.60

Seien \(\left.L\middle /K\right.\) und \(\left.M\middle /L\right.\) Körpererweiterungen. Dann sind äquivalent:

  1. Die Erweiterungen \(\left.M\middle /L\right.\) und \(\left.L\middle /K\right.\) sind algebraisch.

  2. Die Erweiterung \(\left.M\middle /K\right.\) ist algebraisch.

A.3.2 Die Existenz eines algebraischen Abschlusses

Satz A.61

Sei \(K\) ein Körper und sei \(f\in K[X]\) ein Polynom vom Grad \({\gt} 0\). Dann gibt es einen Erweiterungskörper \(L\) von \(K\), in dem \(f\) eine Nullstelle besitzt.

Ist \(f\) irreduzibel, so können wir \(L := K[X]/(f)\) setzen.

Sei \(K\) ein Körper und \(f\in K[X]\) ein Polynom. Für einen Erweiterungskörper \(L\) von \(K\) bezeichnen wir mit \(V(f, L)\subseteq L\) die Menge der Nullstellen von \(f\) in \(L\).

Satz A.62

Die Abbildung

\[ \operatorname{Hom}_K(K[\alpha ], L) \to L,\quad \varphi \mapsto \varphi (\alpha ), \]

induziert eine Bijektion

\[ \operatorname{Hom}_K(K[\alpha ], L) \stackrel{\sim }{\smash {\longrightarrow }\rule{0pt}{0.4ex}}V(\operatorname{minpol}_{\alpha , K}, L). \]

Definition A.63

Ein Körper \(K\) heißt algebraisch abgeschlossen, wenn die folgenden äquivalenten Bedingungen erfüllt sind:

  1. Jedes nicht-konstante Polynom \(f\in K[X]\) besitzt eine Nullstelle in \(K\).

  2. Jedes nicht-konstante Polynom \(f\in K[X]\) zerfällt über \(K\) vollständig in Linearfaktoren.

Theorem A.64

Sei \(K\) ein Körper. Dann existiert ein algebraisch abgeschlossener Erweiterungskörper \(L\) von \(K\). Man kann zudem erreichen, dass die Erweiterung \(\left.L\middle /K\right.\) algebraisch ist. In diesem Fall nennt man \(L\) einen algebraischen Abschluss von \(K\).

Satz A.65

Seien \(K\) ein Körper, \(\left.L\middle /K\right.\) eine algebraische Körpererweiterung und sei \(\varphi \colon K\to E\) ein Körperhomomorphismus von \(K\) in einen algebraisch abgeschlossenen Körper \(E\).

  1. Dann existiert eine Fortsetzung von \(\varphi \) zu einem Körperhomomorphismus \(\psi \colon L\to E\) (d.h. es gilt \(\psi (x) = \varphi (x)\) für alle \(x\in K\)).

  2. Ist zusätzlich \(L\) algebraisch abgeschlossen und \(E\) algebraisch über \(K\), so ist jede Fortsetzung wie in Teil (1) ein Isomorphismus.

Auch wenn die Aussage des Satzes an die Sprechweise der universellen Eigenschaft erinnert, handelt es sich hier nicht um eine universelle Eigenschaft, weil die Eindeutigkeit des Homomorphismus \(\psi \) in Teil (1) nicht gegeben ist. Es folgt daher nicht, dass zwischen zwei algebraischen Abschlüssen von \(K\) ein eindeutig bestimmter \(K\)-Isomorphismus existiere (und das ist in aller Regel auch nicht der Fall), sondern nur, dass es (irgend-)einen solchen Isomorphismus gibt.