Kommutative Algebra, SS 2018.
Notizen zur Vorlesung.

Inhalt

5 Die Krull-Dimension eines Rings

[ Mu ] I §7, [ GW ] (5.3)–(5.6), [ AM ] Ch. 11, [ M2 ] §5.

5.1 Definition und einfache Eigenschaften

Definition 5.1
  1. Sei $X$ ein topologischer Raum. Wir nennen $X$ irreduzibel, wenn $X$ nicht leer ist und die folgenden äquivalenten Eigenschaften gelten:

    1. Sind $A, B\subseteq X$ abgeschlossene Teilmengen mit $X = A\cup B$, so gilt $A=X$ oder $B=X$.

    2. Sind $U, V\subseteq X$ nicht-leere offene Teilmengen von $X$, so gilt $U\cap V\ne \emptyset $.

    Eine Teilmenge $Z\subseteq X$ heißt irreduzibel, wenn sie als topologischer Raum mit der Teilraumtopologie irreduzibel ist.

  2. Sei $X$ ein topologischer Raum. Die Dimension $\dim X$ von $X$ ist das Supremum aller Längen $\ell $ von Ketten

    \[ Z_0 \subsetneq Z_1 \subsetneq \cdots \subsetneq Z_\ell \]

    von abgeschlossenen irreduziblen Teilmengen von $X$. Per Konvention setzen wir $\dim \emptyset = -\infty $.

Ist beispielsweise $X$ ein einziger Punkt, so gilt $\dim X = 0$. Ist $X$ irreduzibel, $\dim X < \infty $ und $Z\subsetneq X$ eine echte abgeschlossene irreduzible Teilmenge, so gilt $\dim Z < \dim X$.

Bemerkung 5.2

Dieser Dimensionsbegriff ist für die topologischen Räume, die in der algebraischen Geometrie auftreten, gut geeignet — speziell für Räume der Form $\mathop{\rm Spec}\nolimits R$ für einen Ring $R$. Für andere topologische Räume ist er aber nicht unbedingt sinnvoll.

Lemma 5.3

Sei $R$ ein Ring. Eine abgeschlossene Teilmenge $V(\mathfrak a)\subseteq \mathop{\rm Spec}\nolimits R$ für ein Ideal $\mathfrak a$ ist genau dann irreduzibel, wenn $\sqrt{\mathfrak a}$ ein Primideal ist.

Definition 5.4

Sei $R$ ein Ring. Die (Krull-)Dimension $\dim R$ von $R$ ist das Supremum aller Längen $\ell $ von Ketten

\[ \mathfrak p_0 \supsetneq \mathfrak p_1 \supsetneq \cdots \supsetneq \mathfrak p_\ell \]

von Primidealen in $R$. Für den Nullring setzen wir $\dim 0 = -\infty $.

Lemma 5.5

Sei $R$ ein Ring. Dann gilt $\dim R = \dim \mathop{\rm Spec}\nolimits R$.

Satz 5.6

Sei $\varphi \colon A\to B$ ein injektiver ganzer Ringhomomorphismus. Dann gilt $\dim A = \dim B$.

Insbesondere zeigt der Satz, dass in der Situation des Noether-Normalisierungslemma Thm. 3.21 die Zahl $n$ als $\dim R$ eindeutig bestimmt ist.

5.2 Irreduzible Komponenten und minimale Primideale

[ GW ] (1.5), (1.7)

Definition 5.7

Sei $X$ ein topologischer Raum. Die maximalen irreduziblen Teilmengen von $X$ heißen irreduzible Komponenten.

Lemma 5.8

Sei $X$ ein topologischer Raum.

  1. Jede irreduzible Teilmenge von $X$ ist in einer irreduziblen Komponente von $X$ enthalten. Insbesondere ist $X$ gleich der Vereinigung aller seiner irreduziblen Komponenten.

  2. Sei $Z\subseteq X$ eine Teilmenge und sei $\overline{Z}$ ihr Abschluss in $X$. Es gilt: $Z$ ist genau dann irreduzibel, wenn $\overline{Z}$ irreduzibel ist.

  3. Jede irreduzbile Komponente von $X$ ist eine abgeschlossene Teilmenge von $X$.

Insbesondere sehen wir: Ist $R$ ein Ring, so steht die Menge der irreduziblen Komponenten von $\mathop{\rm Spec}\nolimits R$ in Bijektion zur Menge der minimlaen Primideale von $R$.

Definition 5.9

Ein topologischer Raum $X$ heißt noethersch, wenn jede absteigende Kette abgeschlossener Teilmengen von $X$ stationär ist.

Bemerkung 5.10

Ist $R$ ein noetherscher Ring, so ist der topologische Raum $\mathop{\rm Spec}\nolimits R$ noethersch. (Die Umkehrung gilt aber nicht.)

Satz 5.11

Sei $X$ ein noetherscher topologischer Raum. Dann hat $X$ nur endlich viele irreduzible Komponenten.

Satz 5.12

Sei $R$ ein noetherscher Ring. Dann hat $R$ nur endlich viele minimale Primideale.

5.3 Die Dimension von endlich erzeugten Algebren über einem Körper

Der Transzendenzgrad einer Körpererweiterung

[ Bo ] 7.1

Definition 5.13

Sei $L/K$ eine Körpererweiterung.

  1. Eine Teilmenge $S\subseteq L$ heißt algebraisch unabhängig über $K$, wenn der Einsetzungshomomorphismus

    \[ K[X_s, s\in S] \to L,\quad X_s \mapsto s, \]

    injektiv ist.

  2. Eine Teilmenge $S\subseteq L$ heißt eine Transzendenzbasis der Erweiterung $L/K$, wenn $S$ algebraisch unabhängig über $K$ ist und die Erweiterung $L/K(S)$ algebraisch ist.

Lemma 5.14

Sei $L/K$ eine Körpererweiterung.

  1. Eine Teilmenge $S\subseteq L$ ist genau dann algebraisch unabhängig, wenn jede endliche Teilmenge es ist.

  2. Eine Teilmenge $S\subseteq L$ ist genau dann eine Transzendenzbasis, wenn sie eine maximale algebraisch unabhängige Teilmenge von $L$ ist.

  3. Die Erweiterung $L/K$ besitzt eine Transzendenzbasis.

  4. Sind $S$, $S’$ Transzendenzbasen der Erweiterung $L/K$, so existiert eine Bijektion $S\overset {\sim }{\to }S’$. Insbesondere ist die Anzahl der Elemente einer Transzendenzbasis (genauer: die Mächtigkeit einer Transzendenzbasis) unabhängig von der Wahl der Transzendenzbasis. Diese Mächtigkeit wird als der Transzendenzgrad der Erweiterung $L/K$ bezeichnet, in Zeichen: $\mathop{\rm trdeg}_KL$.

Insbesondere sehen wir: Eine Erweiterung $L/K$ ist genau denn algebraisch, wenn sie den Transzendenzgrad $0$ hat.

Ist $R$ eine $k$-Algebra, die ein Integritätsring ist, so schreiben wir auch $\mathop{\rm trdeg}_kR := \mathop{\rm trdeg}_k\mathop{\rm Frac}(R)$.

Beispiel 5.15

Ist $K$ ein Körper, so gilt

\[ \mathop{\rm trdeg}\nolimits _K K[X_1, \dots , X_n] = \mathop{\rm trdeg}\nolimits _K K(X_1,\dots , X_n) = n. \]

Die Normabbildung einer Körpererweiterung

[ Bo ] 4.7.

Definition 5.16

Sei $L/K$ eine endliche Körpererweiterung. Für $x\in L$ sei $\varphi _x$ der $K$-Vektorraum-Homomorphismus $L\to L$, $y\mapsto xy$. Wir nennen $N_{L/K}(x) := \det (\varphi _x)\in K$ die Norm von $x$ und die Abbildung $N_{L/K}\colon L\to K$ die Normabbildung der Erweiterung $L/K$.

Satz 5.17 Eigenschaften der Normabbildung

Sei $L/K$ eine endliche Körpererweiterung.

  1. Ist $x\in K$, so gilt $N_{L/K}(x) = x^{[L:K]}$.

  2. Sind $x, y\in L$, so gilt $N_{L/K}(xy) = N_{L/K}(x)N_{L/K}(y)$.

  3. Ist $x\in L$ und $\mathop{\rm minpol}_K(x) = X^d + a_{d-1}X^{d-1} + \cdots + a_0$, so gilt

    \[ N_{L/K}(x) = (-1)^{[L:K]} \, a_0^{[L:K(x)]}. \]

Bemerkung 5.18

Weitere wichtige Eigenschaften der Normabbildung sind

  1. Transitivität: Sind $K \subset E \subset L$ endliche Körpererweiterungen und ist $x\in L$, so gilt $N_{L/K}(x) = N_{L/E}(N_{E/K}(x))$.

  2. Ist $L/K$ eine endliche Galois-Erweiterung, so gilt

    \[ N_{L/K}(x) = \prod _{\sigma \in \mathop{\rm Gal}(L/K)} \sigma (x). \]

Theorem 5.19

Seien $k$ ein Körper und $R$ eine endlich erzeugte $k$-Algebra, die ein Integritätsring ist. Sei $f\in R$, $f\ne 0$ ein Element, das keine Einheit in $R$ ist, und sei $\mathfrak p\subset R$ ein Primideal, das $f$ enthält und das minimal mit dieser Eigenschaft ist. Dann gilt

\[ \mathop{\rm trdeg}\nolimits _k R/\mathfrak p = \mathop{\rm trdeg}\nolimits _k R - 1. \]

Korollar 5.20

Sei $k$ ein Körper.

  1. Sei $R$ eine endlich erzeugte $k$-Algebra, die ein Integritätsring ist. Dann gilt $\dim R = \mathop{\rm trdeg}_kR$.

  2. Sei $n\ge 0$. Dann gilt $\dim k[X_1,\dots , X_n] = n$.

Korollar 5.21

Sei $R$ eine endlich erzeugte $k$-Algebra, die ein Integritätsring ist. Dann haben alle maximalen Ketten von Primidealen in $R$ (d.h. alle Ketten, die nicht durch das Einfügen weiterer Primideale verfeinert werden können) die Länge $\dim R$.

5.4 Noethersche Ringe

Für allgemeine noethersche Ringe ist die Situation komplizierter. Immerhin haben wir die folgenden Ergebnisse:

Ist $R$ ein Ring und $\mathfrak p\subset R$ ein Primideal, so nennt man $\mathop{\rm ht}\mathfrak p := \dim R_{\mathfrak p}$ die Höhe des Primideals $\mathfrak p$.

Theorem 5.22 Krullscher Hauptidealsatz

Sei $R$ ein noetherscher Ring und sei $(f) \subsetneq R$ ein Hauptideal. Dann gilt für jedes Primideal $\mathfrak p\subset R$ von $R$ mit $f\in \mathfrak p$ und das minimal ist mit dieser Eigenschaft, dass

\[ \mathop{\rm ht} \mathfrak p \le 1. \]

Theorem 5.23

Sei $R$ ein noetherscher Ring. Dann gilt

\[ \dim R[X] = \dim R + 1. \]

Beispiel 5.24

Sei $R$ ein lokaler Hauptidealring, $(t) \subset R$ das maximale Ideal. Dann ist $R[X]/(tX-1) \cong R_t = \mathop{\rm Frac}(R)$ ein Körper, also $(tX-1)$ ein maximales Ideal von Höhe $1$, es gilt also

\[ \dim R[X]/(tX-1) = 0 < 1 = \dim R[X] - 1. \]

AM

M. Atiyah, I. Macdonald, Introduction to Commutative Algebra, Addison-Wesley

Bo

S. Bosch, Algebra, Springer

B

N. Bourbaki, Algèbre commutative, oder auf Englisch: Commutative Algebra, Ch. 1–10.

E

D. Eisenbud, Commutative Algebra with a View towards Algebraic Geometry, Springer GTM

GW

U. Görtz, T. Wedhorn, Algebraic Geometry I, Vieweg.

M1

H. Matsumura, Commutative Algebra

M2

H. Matsumura, Commutative Ring Theory, Cambridge University Press

Mu

D. Mumford, The Red Book on Varieties and Schemes, Springer LNM 1358.

N

J. Neukirch, Algebraische Zahlentheorie, Springer.

S

J.-P. Serre, Corps locaux (oder auf Englisch: Local fields, Springer GTM)

ZS

O. Zariski, P. Samuel, Commutative Algebra, Vol. I, Vol. II, Springer.