2 Funktoren und exakte Sequenzen
2.1 Kategorien und Funktoren
[ GW ] App. A
Eine Kategorie $\mathscr C$ ist gegeben durch
eine Klasse $\mathop{\rm Ob}(\mathscr C)$ von Objekten
für je zwei Objekte $X, Y \in \mathop{\rm Ob}(\mathscr C)$ eine Klasse $\mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(X, Y)$ von Morphismen von $X$ nach $Y$
für je drei Objekte $X, Y, Z\in \mathop{\rm Ob}(\mathscr C)$ eine Abbildung (Verkettung von Morphismen)
\[ \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(X, Y)\times \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(Y, Z)\to \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(X, Z), (f, g) \mapsto g\circ f, \]für jedes Objekt $X\in \mathop{\rm Ob}(\mathscr C)$ ein Element $\mathop{\rm id}\nolimits _X\in \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(X,X)$ (Identitätsmorphismus),
so dass
$f\circ \mathop{\rm id}\nolimits _X = f$, $\mathop{\rm id}\nolimits _X\circ g = g$ für alle $f$, $g$, für die die Verkettung existiert,
$(f\circ g)\circ h = f\circ (g\circ h)$, für alle $f$, $g$, $h$, für die diese Verkettungen existieren.
Die Kategorie der Mengen: Objekte sind Mengen, Morphismen sind Abbildungen zwischen Mengen.
Die Kategorie der Gruppen: Objekte sind Gruppen, Morphismen sind Gruppenhomomorphismen. Entsprechend: Die Kategorie der abelschen Gruppen.
Sei $R$ ein Ring. Die Kategorie $(R-\mathop{\rm Mod}\nolimits )$ der $R$-Moduln hat als Objekte die $R$-Moduln, als Morphismen die $R$-Modul-Homomorphismen. Die Kategorie $(R-\mathop{\rm Alg}\nolimits )$ der $R$-Algebren hat als Objekte die $R$-Algebren, als Morphismen die $R$-Algebra-Homomorphismen.
Die Kategorie der topologischen Räume: Objekte sind topologische Räume, Morphismen sind stetige Abbildungen.
Sei $G$ ein Gruppe. Wir können eine Kategorie $\mathscr C$ definieren, die ein einziges Objekt $X$ hat, und so dass $\mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(X, X) = G$. Die Verkettung von Morphismen sei durch die Multiplikation in $G$ gegeben, $\mathop{\rm id}\nolimits _X$ sei das neutrale Element von $G$.
Als letztes Beispiel betrachte die Kategorie $\mathscr C$, deren Objekte alle Mengen sind, und so dass für Mengen $X$, $Y$ die Menge der Morphismen definiert sei als
\[ \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(X, Y) = \{ \Gamma \subseteq X\otimes Y\ \text{Teilmenge}\} . \]Die Verknüpfung sei folgendermaßen gegeben: Für $f\in \mathop{\rm Hom}\nolimits (X, Y)$, $g\in \mathop{\rm Hom}\nolimits (Y, Z)$ setze
\[ g\circ f = \{ (x, y)\in X\times Z;\ \exists y\in Y: (x,y)\in f, (y, z)\in g \} \in \mathop{\rm Hom}\nolimits (X, Z). \]
Sei $\mathscr C$ eine Kategorie, $X, Y, \dots \in \mathop{\rm Ob}\nolimits \mathscr C$.
Die Elemente von $\mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(X, X)$ heißen Endomorphismen von $X$. Man schreibt auch $\mathop{\rm End}\nolimits _{\mathscr C}(X):= \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(X, X)$.
Ein Element $f\in \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(X,Y)$ heißt Isomorphismus, falls ein Morphismus $g\in \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(Y,X)$ existiert mit $g\circ f =\mathop{\rm id}\nolimits _X$, $f\circ g=\mathop{\rm id}\nolimits _Y$. Dann ist $g$ eindeutig bestimmt, und heißt der Umkehrmorphismus zu $f$.
Ein Element $f\in \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(X,Y)$ heißt Monomorphismus, falls für alle $Z$ und alle $g, g’\in \mathop{\rm Hom}\nolimits (Z, X)$ mit $f\circ g = f\circ g’$ gilt: $g=g’$.
Ein Element $f\in \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(X,Y)$ heißt Epimorphismus, falls für alle $Z$ und alle $g, g’\in \mathop{\rm Hom}\nolimits (Y, Z)$ mit $g\circ f = g’\circ f$ gilt: $g=g’$.
Ein Objekt $P$ von $\mathscr C$ zusammen mit Abbildungen $p\colon P\to X$, $q\colon P\to Y$ heißt Produkt von $X$ und $Y$ in $\mathscr C$, falls für alle Objekte $T$ zusammen mit Abbildungen $p’\colon T\to X$, $q’\colon T\to Y$ ein eindeutig bestimmter Morphismus $f\colon T\to P$ in $\mathscr C$ existiert, so dass $p’=p\circ f$, $q’=q\circ g$. Das Produkt ist, sofern es existiert, eindeutig bestimmt bis auf eindeutigen Isomorphismus. Wir bezeichnen es mit $X\times Y$, und bezeichnen die Abbildungen $p$, $q$ als die Projektionen auf $X$ bzw. $Y$. Entsprechend kann man das Produkt $\prod _{i\in I} X_i$ definieren.
Ein Objekt $K$ von $\mathscr C$ zusammen mit Abbildungen $p\colon X\to K$, $q\colon Y\to K$ heißt Koprodukt von $X$ und $Y$ in $\mathscr C$, falls für alle Objekte $T$ zusammen mit Abbildungen $p’\colon X\to T$, $q’\colon Y\to T$ ein eindeutig bestimmter Morphismus $f\colon K\to T$ in $\mathscr C$ existiert, so dass $p’=f\circ p$, $q’=g\circ q$. Das Koprodukt ist, sofern es existiert, eindeutig bestimmt bis auf eindeutigen Isomorphismus. Wir bezeichnen es mit $X\coprod Y$. Entsprechend kann man das Koprodukt $\coprod _{i\in I} X_i$ definieren.
Jeder Isomorphismus ist ein Monomorphismus und ein Epimorphismus.
Der Begriff des Koprodukts entsteht aus dem des Produkts durch “Umkehren alle Pfeile”.
Sei $\mathscr C$ die Kategorie der Mengen, der abelschen Gruppen oder allgemeiner der Moduln über einem Ring $R$. Dann ist eine Abbildung genau dann ein Isomorphismus, wenn sie bijektiv ist; genau dann ein Monomorphismus, wenn sie injektiv ist; genau dann ein Epimorphismus, wenn sie surjektiv ist.
Punkt (1) ist auch richtig für die Kategorie der Gruppen, es ist aber nicht so leicht zu zeigen, dass jeder Epimorphismus surjektiv ist.
Der Ringhomomorphismus $\mathbb Z\to \mathbb Q$ ist ein Epimorphismus, der nicht surjektiv ist. Zugleich ist er ein Monomorphismus, aber kein Isomorphismus.
In der Kategorie der topologischen Räume gibt es Morphismen, die keine Isomorphismen, aber bijektive Abbildungen sind.
In der Kategorie der Mengen existieren Produkte und Koprodukte für beliebige Indexmengen. Das Produkt in der Kategorie der Mengen ist das übliche kartesische Produkt. Das Koprodukt in der Kategorie der Mengen ist die disjunkte Vereinigung.
Sei $R$ ein Ring. In der Kategorie der $R$-Moduln existieren Produkte und Koprodukte für beliebige Indexmengen; siehe Definition 1.55.
Sei $\mathscr C$ die Kategorie der Körper. Seien $k, k’$ Körper unterschiedlicher Charakteristik. Dann existieren weder das Produkt von $k$ und $k’$ noch das Koprodukt von $k$ und $k’$ in $\mathscr C$ (denn es gibt keinen Körper, der Homomorphismen sowohl nach $k$ als auch nach $k’$ zulässt, und keinen Körper der Homomorphismen sowohl von $k$ als auch von $k’$ zulässt).
Sei $K$ ein Körper. In der Kategorie der endlich-dimensionalen $K$-Vektorräume existieren Produkte für endliche Indexmengen, jedoch (außer in trivialen Fällen) nicht für unendliche Indexmengen.
Funktoren
Seien $\mathscr C$, $\mathscr D$ Kategorien. Ein (kovarianter) Funktor $F\colon \mathscr C\to \mathscr D$ ist gegeben durch
für jedes $X\in \mathop{\rm Ob}\nolimits \mathscr C$ ein Objekt $F(X)\in \mathop{\rm Ob}\nolimits \mathscr D$,
für jedes $f\in \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(X, Y)$ ein $F(f)\in \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr D}(F(X), F(Y))$,
so dass
$F(\mathop{\rm id}\nolimits _X) = \mathop{\rm id}\nolimits _{F(X)}$ für alle $X\in \mathop{\rm Ob}\nolimits \mathscr C$,
$F(f\circ g) = F(f)\circ F(g)$ für alle $f$, $g$, so dass die Verkettung $f\circ g$ existiert.
Ein kontravarianter Funktor $F\colon \mathscr C\to \mathscr D$ ist gegeben durch
für jedes $X\in \mathop{\rm Ob}\nolimits \mathscr C$ ein Objekt $F(X)\in \mathop{\rm Ob}\nolimits \mathscr D$,
für jedes $f\in \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(X, Y)$ ein $F(f)\in \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr D}(F(Y), F(X))$,
so dass
$F(\mathop{\rm id}\nolimits _X) = \mathop{\rm id}\nolimits _{F(X)}$ für alle $X\in \mathop{\rm Ob}\nolimits \mathscr C$,
$F(f\circ g) = F(g)\circ F(f)$ für alle $f$, $g$, so dass die Verkettung $f\circ g$ existiert.
Funktoren bilden Isomorphismen auf Isomorphismen ab: Ist $F$ ein Funktor und $X\cong Y$, so gilt $F(X)\cong F(Y)$.
(Vergissfunktoren) Wir haben offensichtliche Funktoren von der Kategorie der Moduln über einem Ring $R$ in die Kategorie der abelschen Gruppen; von der Kategorie der abelschen Gruppen in die Kategorie der Mengen; von der Kategorie der topologischen Räume in die Kategorie der Mengen usw., die durch Vergessen eines Teils der Struktur (der Skalarmultiplikation; der Addition; der Topologie usw.) gegeben sind. Funktoren dieser Art heißen Vergissfunktoren.
Sei $K$ ein Körper. Der Funktor, der jeden $K$-Vektorraum auf seinen Dualraum und jede lineare Abbildung auf ihre duale Abbildung abbildet, ist ein kontravarianter Funktor von der Kategorie der $K$-Vektorräume in sich selbst.
Sei $\mathscr C$ eine Kategorie, und sei $X$ ein Objekt von $\mathscr C$.
Der $\mathop{\rm Hom}\nolimits $-Funktor $\mathop{\rm Hom}\nolimits (X, \cdot )$ ist der kovariante Funktor von $\mathscr C$ in die Kategorie der Mengen, der auf Objekten durch
\[ Y\mapsto \mathop{\rm Hom}\nolimits (X, Y) \]und auf Morphismen durch
\[ (f\colon Y\to Z) \mapsto (\mathop{\rm Hom}\nolimits (X, Y)\to \mathop{\rm Hom}\nolimits (X, Z),\ g\mapsto f\circ g) \]definiert ist.
Der $\mathop{\rm Hom}\nolimits $-Funktor $\mathop{\rm Hom}\nolimits (\cdot , X)$ ist der kontravariante Funktor von $\mathscr C$ in die Kategorie der Mengen, der auf Objekten durch
\[ Y\mapsto \mathop{\rm Hom}\nolimits (Y, X) \]und auf Morphismen durch
\[ (f\colon Y\to Z) \mapsto (\mathop{\rm Hom}\nolimits (Y, X)\to \mathop{\rm Hom}\nolimits (Z, X),\ g\mapsto g\circ f) \]definiert ist.
Ist $\mathscr C = (R\rm {-Mod})$ die Kategorie der Moduln über einem Ring $R$, so erhält man auf diese Weise Funktoren von $(R{\rm -Mod})\to (R{\rm -Mod})$.
Lokalisierung ist ein Funktor
Seien $R$ ein Ring, $S\subseteq R$ eine multiplikative Teilmenge. Wir definieren einen Funktor
durch $F(M):= S^{-1}M$, und indem wir einen Homomorphismus $f\colon M\to N$ auf
abbilden. Wir schreiben auch $S^{-1}f$ für $F(f)$.
Basiswechsel ist ein Funktor
Sei $R\to R’$ ein Ringhomomorphismus. Wir definieren den Basiswechselfunktor
auf Objekten durch $M\mapsto R’\otimes _RM$ und auf Morphismen durch $(f\colon M\to N)\mapsto \mathop{\rm id}\nolimits _{R'}\otimes f$, mit
Der Lokalisierungsfunktor ist der Spezialfall dieses Funktors für den Ringhomomorphismus $R\to S^{-1}R$.
2.2 Exakte Sequenzen
[ AM ] Ch. 2
Sei $R$ ein Ring. Eine Sequenz von $R$-Moduln ist eine Familie $M_i$, $i\in \mathbb Z$, zusammen mit $R$-Modul-Homomorphismen
(analog für “Intervalle” in $\mathbb Z$ als Indexmengen).
Eine Sequenz heißt Komplex, falls $f_{i+1}\circ f_i = 0$ für alle $i$.
Eine Sequenz heißt exakt an der Stelle $i$ (oder bei $M_i$), falls $\mathop{\rm Im}f_i = \mathop{\rm Ker}f_{i+1}$. Sie heißt exakt, wenn sie an allen Stellen exakt ist.
Eine Sequenz
\[ \xymatrix{ 0 \ar[r] & M' \ar[r]^f & M } \]ist genau dann exakt (bei $M’$), wenn $f$ injektiv ist.
Eine Sequenz
\[ \xymatrix{ M \ar[r]^f & M^{\prime \prime } \ar[r] & 0 } \]ist genau dann exakt (bei $M^{\prime \prime }$), wenn $f$ surjektiv ist.
Eine exakte Sequenz der Form
heißt kurze exakte Sequenz. Die Exaktheit ist dazu äquivalent, dass $f$ injektiv, $g$ surjektiv, und dass $\mathop{\rm Ker}g = \mathop{\rm Im}f$ ist.
In der Situation der Definition induziert $g$ einen Isomorphismus $M^{\prime \prime } \cong M/M’$ (wobei wir $M’$ vermöge der Injektion $f$ als Untermodul von $M$ auffassen). Ist andererseits $N\subseteq M$ ein Untermodul, so geben die Einbettung von $N$ nach $M$ und die kanonische Projektion auf den Quotienten Anlass zu einer kurzen exakten Sequenz
Sei
\[ \xymatrix{ M' \ar[r]^f & M \ar[r]^g & M^{\prime \prime } \ar[r] & 0 } \]eine Sequenz von $R$-Moduln. Dann gilt: Die Sequenz ist genau dann exakt, wenn für alle $R$-Moduln $N$ die Sequenz
\[ 0\to \mathop{\rm Hom}\nolimits (M^{\prime \prime }, N) \to \mathop{\rm Hom}\nolimits (M, N) \to \mathop{\rm Hom}\nolimits (M’, N) \](vergleiche Definition 2.9) exakt ist.
Sei
\[ \xymatrix{ 0\ar[r] & M' \ar[r]^f & M \ar[r]^g & M^{\prime \prime } } \]eine Sequenz von $R$-Moduln. Dann gilt: Die Sequenz ist genau dann exakt, wenn für alle $R$-Moduln $N$ die Sequenz
\[ 0\to \mathop{\rm Hom}\nolimits (N, M’)\to \mathop{\rm Hom}\nolimits (N, M)\to \mathop{\rm Hom}\nolimits (N, M^{\prime \prime }) \](vergleiche Definition 2.9) exakt ist.
Sei $R$ ein Ring und
ein kommutatives Diagramm von $R$-Moduln, in dem die Zeilen exakte Sequenzen sind. Dann existiert eine exakte Sequenz
wobei $\overline{u}$, $\overline{v}$, $\overline{u'}$, $\overline{v'}$ die von $u$, $v$, $u’$, $v’$ induzierten Abbildungen sind.
Für einen $R$-Modul-Homomorphismus $f\colon M\to N$ heißt der Quotient $N/\mathop{\rm Im}f$ auch der Kokern von $f$ und wird mit $\mathop{\rm Coker} f$ bezeichnet.
Wenn in der Situation des Schlangenlemmas zwei der drei Homomorphismen $f’$, $f$, $f^{\prime \prime }$ Isomorphismen sind, so auch der dritte.
2.3 Exakte Funktoren
[ AM ] Ch. 2, 3
Seien $R$ und $R’$ Ringe. Für $R$-Moduln $M, N$ trägt die Menge $\mathop{\rm Hom}\nolimits _R(M, N)$ durch die Gruppenstruktur auf $N$ die Struktur einer abelschen Gruppe (und sogar, induziert durch die $R$-Modulstruktur auf $N$ die Struktur eines $R$-Moduls).
Ein (kovarianter) Funktor $F\colon (R-\mathop{\rm Mod}\nolimits ) \to (R’-\mathop{\rm Mod}\nolimits )$ heißt additiv, falls für alle $R$-Moduln $M, N$ die durch $F$ gegebene Abbildung
ein Homomorphismus abelscher Gruppen ist.
Ein kontravarianter Funktor $F\colon (R-\mathop{\rm Mod}\nolimits ) \to (R’-\mathop{\rm Mod}\nolimits )$ heißt additiv, falls für alle $R$-Moduln $M, N$ die durch $F$ gegebene Abbildung
ein Homomorphismus abelscher Gruppen ist.
Ist $F$ ein additiver Funktor, so gilt $F(0)=0$.
Ein kovarianter Funktor $F\colon (R-\mathop{\rm Mod}\nolimits ) \to (R’-\mathop{\rm Mod}\nolimits )$ heißt linksexakt, falls $F$ additiv ist und falls für jede kurze exakte Sequenz
\[ 0 \to M_1 \to M_2 \to M_3 \to 0 \]die Sequenz
\[ 0 \to F(M_1) \to F(M_2) \to F(M_3) \]exakt ist.
Ein kontravarianter Funktor $F\colon (R-\mathop{\rm Mod}\nolimits ) \to (R’-\mathop{\rm Mod}\nolimits )$ heißt linksexakt, falls $F$ additiv ist und falls für jede kurze exakte Sequenz
\[ 0 \to M_1 \to M_2 \to M_3 \to 0 \]die Sequenz
\[ 0 \to F(M_3) \to F(M_2) \to F(M_1) \]exakt ist.
Ein kovarianter Funktor $F\colon (R-\mathop{\rm Mod}\nolimits ) \to (R’-\mathop{\rm Mod}\nolimits )$ heißt rechtsexakt, falls $F$ additiv ist und falls für jede kurze exakte Sequenz
\[ 0 \to M_1 \to M_2 \to M_3 \to 0 \]die Sequenz
\[ F(M_1) \to F(M_2) \to F(M_3) \to 0 \]exakt ist. Analog: rechtsexakte kontravariante Funktoren.
Ein kovarianter Funktor $F\colon (R-\mathop{\rm Mod}\nolimits ) \to (R’-\mathop{\rm Mod}\nolimits )$ heißt exakt, falls $F$ additiv ist und falls für jede kurze exakte Sequenz
\[ 0 \to M_1 \to M_2 \to M_3 \to 0 \]die Sequenz
\[ 0 \to F(M_1) \to F(M_2) \to F(M_3) \to 0 \]exakt ist, d. h. wenn $F$ linksexakt und rechtsexakt ist. Analog: exakte kontravariante Funktoren.
Sei $F$ ein linksexakter kovarianter Funktor und sei $0 \to M_1 \to M_2 \to M_3$ exakt. Dann ist $0 \to F(M_1) \to F(M_2) \to F(M_3)$ exakt. Analog für kontravariante Funktoren.
Sei $F$ ein rechtsexakter kovarianter Funktor und sei $M_1 \to M_2 \to M_3 \to 0$ exakt. Dann ist $F(M_1) \to F(M_2) \to F(M_3) \to 0$ exakt. Analog für kontravariante Funktoren.
Sei $F$ ein exakter kovarianter Funktor und sei $M_1 \to M_2 \to M_3$ exakt. Dann ist $F(M_1) \to F(M_2) \to F(M_3)$ exakt. Analog für kontravariante Funktoren.
Der $\mathop{\rm Hom}\nolimits $-Funktor ist linksexakt
Tensorprodukt ist rechtsexakt
Seien $R$ ein Ring und $N$ ein $R$-Modul. Dann ist der Funktor $M\mapsto M\otimes _RN$ rechtsexakt.
Flache Moduln
Sei $R$ ein Ring. Ein $R$-Modul $M$ heißt flach, wenn der Funktor $N \mapsto M\otimes _RN$ exakt ist.
Weil Tensorieren stets rechtsexakt ist, ist ein $R$-Modul $M$ genau dann flach, wenn für jeden injektiven Homomorphismus $\varphi :N’\to N$ von $R$-Moduln auch der Homomorphismus $\mathop{\rm id}\nolimits _M\otimes \varphi : M\otimes _RN’ \to M\otimes _RN$ injektiv ist.
Sei $n\in \mathbb Z$, $n>1$. Dann ist der $\mathbb Z$-Modul $\mathbb Z/n\mathbb Z$ nicht flach.
Seien $R$ ein Ring, $N$ ein $R$-Modul und $M_i$, $i\in I$ eine Familie von $R$-Moduln. Der natürliche $R$-Modul-Homomorphismus
ist ein Isomorphismus.
Ist $R$ ein Ring und $M$ ein freier $R$-Modul, so ist $M$ flach.
Insbesondere folgt aus dem Satz: Ist $K$ ein Körper, so ist jeder $K$-Vektorraum flach.
Eine $R$-Algebra $A$ heißt flach, wenn $A$ als $R$-Modul flach ist.
Sei $k$ ein Körper, $R=k[T]$.
Die $R$-Algebren $R[X]/(X-T)$ und $R[X]/(X^2-T)$ sind flach (sie sind sogar freie $R$-Moduln).
Die $R$-Algebra $R[X]/(XT-1)$ ist flach (aber kein freier $R$-Modul).
Die $R$-Algebra $R[X]/(XT)$ ist nicht flach.
Lokalisierung ist exakt
Seien $R$ ein Ring und $S\subseteq R$ eine multiplikative Teilmenge. Dann ist der Funktor $M\mapsto S^{-1}M$ exakt.
Sei $R$ ein Ring, und sei $S\subseteq R$ eine multiplikative Teilmenge. Ist $N\subseteq M$ eine Inklusion von $R$-Moduln, so ist $S^{-1}N\subseteq S^{-1}M$ und $S^{-1}M/S^{-1}N \cong S^{-1}(M/N)$.
Sei $R$ ein Ring, $f\colon M\to N$ ein $R$-Modul-Homomorphismus. Dann sind äquivalent:
$f=0$
Für alle $\mathfrak p\in \mathop{\rm Spec}\nolimits R$ ist $f\otimes \mathop{\rm id}\nolimits _{R_{\mathfrak p}}\colon M_{\mathfrak p}\to N_{\mathfrak p}$ die Nullabbildung.
Für alle $\mathfrak m\in \mathop{\rm Spm}\nolimits R$ ist $f\otimes \mathop{\rm id}\nolimits _{R_{\mathfrak m}}\colon M_{\mathfrak m}\to N_{\mathfrak m}$ die Nullabbildung.
Sei $R$ ein Ring, und sei
eine Sequenz von $R$-Moduln. Dann sind äquivalent:
Die Sequenz $M’ \to M \to M^{\prime \prime }$ ist exakt.
Für alle $\mathfrak p\in \mathop{\rm Spec}\nolimits R$ ist die Sequenz $(M’)_{\mathfrak p} \to M_{\mathfrak p} \to (M^{\prime \prime })_{\mathfrak p}$ exakt.
Für alle $\mathfrak m\in \mathop{\rm Spm}\nolimits R$ ist die Sequenz $(M’)_{\mathfrak m} \to M_{\mathfrak m} \to (M^{\prime \prime })_{\mathfrak m}$ exakt.
Sei $R$ ein Ring und sei $M$ ein $R$-Modul. Dann sind äquivalent:
Der $R$-Modul $M$ ist flach.
Für alle $\mathfrak p\in \mathop{\rm Spec}\nolimits R$ ist der $R_{\mathfrak p}$-Modul $M_{\mathfrak p}$ flach.
Für alle $\mathfrak m\in \mathop{\rm Spm}\nolimits R$ ist der $R_{\mathfrak m}$-Modul $M_{\mathfrak m}$ flach.
2.4 Abelsche Kategorien
Der Formalismus der exakten Funktoren kann noch in einem allgemeineren Rahmen studiert werden, den wir hier kurz anreißen wollen.
Sei $\mathcal C$ eine Kategorie.
Ein initiales Objekt in $\mathcal C$ ist ein Objekt $I$, so dass für alle Objekte $X$ in $\mathcal C$ genau ein Morphismus $I\to X$ existiert.
Ein terminales Objekt in $\mathcal C$ ist ein Objekt $T$, so dass für alle Objekte $X$ in $\mathcal C$ genau ein Morphismus $X\to T$ existiert.
Ein Nullobjekt in $\mathcal C$ ist ein Objekt, das sowohl initial als auch terminal ist.
Alle obigen Eigenschaften lassen sich als universelle Eigenschaften auffassen, so dass initiale, terminale und Null-Objekte jeweils eindeutig bestimmt sind bis auf eindeutigen Isomorphismus, sofern sie existieren. Äquivalent können wir ein initiales Objekt auch als ein “leeres Produkt” (ein Objekt, das die universelle Eigenschaft des Produkts für die leere Menge als Indexmenge hat) und ein terminales Objekt als “leeres Koprodukt” definieren.
In der Kategorie der Mengen ist $\emptyset $ initial und jede Menge mit einem einzigen Element terminal. In der Kategorie der Ringe ist $\mathbb Z$ initial und der Nullring terminal. In beiden Fällen existiert kein Nullobjekt. In der Kategorie der Gruppen und in der Kategorie der abelschen Gruppen ist jeweils die triviale Gruppe ein Nullobjekt. Ist $R$ ein Ring, so ist der Nullmodul ein Nullobjekt in der Kategorie der $R$-Moduln. Die Kategorie der Körper besitzt weder ein initiales noch ein terminales Objekt.
Eine additive Kategorie ist eine Kategorie $\mathcal C$, in der alle Mengen $\mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathcal C}(X, Y)$ mit der Struktur einer abelschen Gruppe (die wir additiv schreiben) ausgestattet sind, so dass die Komposition von Morphismen bilinear ist, und in der alle endlichen Produkte existieren.
Sei $\mathcal C$ eine additive Kategorie
Sind $X$, $Y$ Objekte in $\mathcal C$ und $X\times Y$ deren Produkt, so ist $X\times Y$ zusammen mit den Abbildungen $X\to X\times Y$ (induziert von $\mathop{\rm id}\nolimits \colon X\to X$, $0\colon X\to Y$) und $Y\to X\times Y$ (analog) ein Koprodukt von $X$ und $Y$. Allgemeiner zeigt man, dass jedes endliche Produkt (mit den offensichtlichen Abbildungen) gleich dem Koprodukt der entsprechenden Objekte ist. Insbesondere ist das leere Produkt in $\mathcal C$, das nach Voraussetzung existiert, ein Nullobjekt.
Man kann zeigen, dass die Gruppenstrukturen auf den $\mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathcal C}(X, Y)$ eindeutig bestimmt sind, sofern sie existieren.
Sei $\mathcal C$ eine additive Kategorie und $f\colon X\to Y$ ein Morphismus in $\mathcal C$.
Ein Kern von $f$ ist ein Morphismus $a\colon K\to X$, der die folgende universelle Eigenschaft hat: Für alle Objekte $T$ in $\mathcal C$ ist die Abbildung
\[ \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathcal C}(T, K) \to \{ g\colon T\to X;\ f\circ g = 0\} ,\quad h\mapsto a\circ h, \]bijektiv.
Ein Kokern von $f$ ist ein Morphismus $b\colon Y\to C$, der die folgende universelle Eigenschaft hat: Für alle Objekte $T$ in $\mathcal C$ ist die Abbildung
\[ \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathcal C}(C, T) \to \{ g\colon Y\to C;\ g\circ f = 0\} ,\quad h\mapsto h\circ b, \]bijektiv.
Kerne und Kokerne sind eindeutig bestimmt bis auf eindeutigen Isomorphismus. Jeder Kern ist ein Monomorphismus und jeder Kokern ist ein Epimorphismus. Bezeichnung: $\mathop{\rm Ker}(f)$, $\mathop{\rm Coker}(f)$.
Ist $\mathcal C$ die Kategorie der Moduln über einem Ring $R$, und $f\colon X\to Y$ ein $R$-Modul-Homomorphismus, so ist die Inklusion $\mathop{\rm Ker}(f)\to X$ ein Kern im Sinne der obigen Definition (und allgemeiner ist jeder injektive $R$-Modul-Homomorphismus $K\to X$ mit Bild $\mathop{\rm Ker}(f)$ ein Kern). Entsprechend ist die kanonische Projektion $Y\to Y/\mathop{\rm Im}(f)$ (und allgemeiner jeder surjektive $R$-Modul-Homomorphismus $Y\to C$ mit Kern $\mathop{\rm Im}(f)$) ein Kokern von $f$.
Ein abelsche Kategorie ist eine additive Kategorie $\mathcal C$, so dass gilt:
Jeder Morphismus in $\mathcal C$ besitzt einen Kern und einen Kokern.
Jeder Monomorphismus ist ein Kern eines Morphismus, und jeder Epimorphismus ist ein Kokern eines Morphismus.
Die Kategorie der abelschen Gruppen und allgemeiner die Kategorie der $R$-Moduln über einem Ring $R$ sind abelsche Kategorien. Die Kategorie aller freien abelschen Gruppen (d.h. derjenigen abelschen Gruppen, die frei sind als $\mathbb Z$-Modul) ist additiv, aber nicht abelsch.
Ist $\mathcal C$ eine abelsche Kategorie und $f\colon X\to Y$ ein Morphismus, so können wir das Bild $\mathop{\rm Im}(f)$ von $f$ im kategoriellen Sinne definieren als $\mathop{\rm Im}(f):=\mathop{\rm Ker}(\mathop{\rm Coker}(f))$ (und es gibt dann einen natürlichen Isomorphismus $\mathop{\rm Im}(f)\cong \mathop{\rm Coker}(\mathop{\rm Ker}(f))$).
Da Bilder und Kerne von Morphismen existieren, kann man den Begriff der exakten Sequenz und dann auch den Begriff des exakten Funktors zwischen abelschen Kategorien definieren. Man kann dan zum Beispiel zeigen, dass das Schlangenlemma in jeder abelschen Kategorie richtig ist. In der Homologischen Algebra werden systematisch solche Funktoren untersucht, die links- oder rechtsexakt sind, aber nicht exakt sind, und es werden Methoden entwickelt, um genauer zu beschreiben, “inwiefern” ein solcher Funktor nicht exakt ist.