Kommutative Algebra, SS 2012.
Notizen zur Vorlesung.

Inhalt

2 Funktoren und exakte Sequenzen

2.1 Kategorien und Funktoren

[ GW ] App. A

Definition 2.1

Eine Kategorie $\mathscr C$ ist gegeben durch

  1. eine Klasse $\mathop{\rm Ob}(\mathscr C)$ von Objekten

  2. für je zwei Objekte $X, Y \in \mathop{\rm Ob}(\mathscr C)$ eine Klasse $\mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(X, Y)$ von Morphismen von $X$ nach $Y$

  3. für je drei Objekte $X, Y, Z\in \mathop{\rm Ob}(\mathscr C)$ eine Abbildung (Verkettung von Morphismen)

    \[ \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(X, Y)\times \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(Y, Z)\to \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(X, Z), (f, g) \mapsto g\circ f, \]
  4. für jedes Objekt $X\in \mathop{\rm Ob}(\mathscr C)$ ein Element $\mathop{\rm id}\nolimits _X\in \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(X,X)$ (Identitätsmorphismus),

so dass

  1. $f\circ \mathop{\rm id}\nolimits _X = f$, $\mathop{\rm id}\nolimits _X\circ g = g$ für alle $f$, $g$, für die die Verkettung existiert,

  2. $(f\circ g)\circ h = f\circ (g\circ h)$, für alle $f$, $g$, $h$, für die diese Verkettungen existieren.

Beispiel 2.2
  1. Die Kategorie der Mengen: Objekte sind Mengen, Morphismen sind Abbildungen zwischen Mengen.

  2. Die Kategorie der Gruppen: Objekte sind Gruppen, Morphismen sind Gruppenhomomorphismen. Entsprechend: Die Kategorie der abelschen Gruppen.

  3. Sei $R$ ein Ring. Die Kategorie $(R-\mathop{\rm Mod}\nolimits )$ der $R$-Moduln hat als Objekte die $R$-Moduln, als Morphismen die $R$-Modul-Homomorphismen. Die Kategorie $(R-\mathop{\rm Alg}\nolimits )$ der $R$-Algebren hat als Objekte die $R$-Algebren, als Morphismen die $R$-Algebra-Homomorphismen.

  4. Die Kategorie der topologischen Räume: Objekte sind topologische Räume, Morphismen sind stetige Abbildungen.

  5. Sei $G$ ein Gruppe. Wir können eine Kategorie $\mathscr C$ definieren, die ein einziges Objekt $X$ hat, und so dass $\mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(X, X) = G$. Die Verkettung von Morphismen sei durch die Multiplikation in $G$ gegeben, $\mathop{\rm id}\nolimits _X$ sei das neutrale Element von $G$.

  6. Als letztes Beispiel betrachte die Kategorie $\mathscr C$, deren Objekte alle Mengen sind, und so dass für Mengen $X$, $Y$ die Menge der Morphismen definiert sei als

    \[ \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(X, Y) = \{ \Gamma \subseteq X\otimes Y\ \text{ Teilmenge}\} . \]

    Die Verknüpfung sei folgendermaßen gegeben: Für $f\in \mathop{\rm Hom}\nolimits (X, Y)$, $g\in \mathop{\rm Hom}\nolimits (Y, Z)$ setze

    \[ g\circ f = \{ (x, y)\in X\times Z;\ \exists y\in Y: (x,y)\in f, (y, z)\in g \} \in \mathop{\rm Hom}\nolimits (X, Z). \]

Definition 2.3 Kategorielle Sprechweisen

Sei $\mathscr C$ eine Kategorie, $X, Y, \dots \in \mathop{\rm Ob}\nolimits \mathscr C$.

  1. Die Elemente von $\mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(X, X)$ heißen Endomorphismen von $X$. Man schreibt auch $\mathop{\rm End}\nolimits _{\mathscr C}(X):= \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(X, X)$.

  2. Ein Element $f\in \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(X,Y)$ heißt Isomorphismus, falls ein Morphismus $g\in \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(Y,X)$ existiert mit $g\circ f =\mathop{\rm id}\nolimits _X$, $f\circ g=\mathop{\rm id}\nolimits _Y$. Dann ist $g$ eindeutig bestimmt, und heißt der Umkehrmorphismus zu $f$.

  3. Ein Element $f\in \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(X,Y)$ heißt Monomorphismus, falls für alle $Z$ und alle $g, g’\in \mathop{\rm Hom}\nolimits (Z, X)$ mit $f\circ g = f\circ g’$ gilt: $g=g’$.

  4. Ein Element $f\in \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(X,Y)$ heißt Epimorphismus, falls für alle $Z$ und alle $g, g’\in \mathop{\rm Hom}\nolimits (Y, Z)$ mit $g\circ f = g’\circ f$ gilt: $g=g’$.

  5. Ein Objekt $P$ von $\mathscr C$ zusammen mit Abbildungen $p\colon P\to X$, $q\colon P\to Y$ heißt Produkt von $X$ und $Y$ in $\mathscr C$, falls für alle Objekte $T$ zusammen mit Abbildungen $p’\colon T\to X$, $q’\colon T\to Y$ ein eindeutig bestimmter Morphismus $f\colon T\to P$ in $\mathscr C$ existiert, so dass $p’=p\circ f$, $q’=q\circ g$. Das Produkt ist, sofern es existiert, eindeutig bestimmt bis auf eindeutigen Isomorphismus. Wir bezeichnen es mit $X\times Y$, und bezeichnen die Abbildungen $p$, $q$ als die Projektionen auf $X$ bzw. $Y$. Entsprechend kann man das Produkt $\prod _{i\in I} X_i$ definieren.

  6. Ein Objekt $K$ von $\mathscr C$ zusammen mit Abbildungen $p\colon X\to K$, $q\colon Y\to K$ heißt Koprodukt von $X$ und $Y$ in $\mathscr C$, falls für alle Objekte $T$ zusammen mit Abbildungen $p’\colon X\to T$, $q’\colon Y\to T$ ein eindeutig bestimmter Morphismus $f\colon K\to T$ in $\mathscr C$ existiert, so dass $p’=f\circ p$, $q’=g\circ q$. Das Koprodukt ist, sofern es existiert, eindeutig bestimmt bis auf eindeutigen Isomorphismus. Wir bezeichnen es mit $X\coprod Y$. Entsprechend kann man das Koprodukt $\coprod _{i\in I} X_i$ definieren.

Jeder Isomorphismus ist ein Monomorphismus und ein Epimorphismus.

Der Begriff des Koprodukts entsteht aus dem des Produkts durch “Umkehren alle Pfeile”.

Beispiel 2.4
  1. Sei $\mathscr C$ die Kategorie der Mengen, der abelschen Gruppen oder allgemeiner der Moduln über einem Ring $R$. Dann ist eine Abbildung genau dann ein Isomorphismus, wenn sie bijektiv ist; genau dann ein Monomorphismus, wenn sie injektiv ist; genau dann ein Epimorphismus, wenn sie surjektiv ist.

  2. Punkt (1) ist auch richtig für die Kategorie der Gruppen, es ist aber nicht so leicht zu zeigen, dass jeder Epimorphismus surjektiv ist.

  3. Der Ringhomomorphismus $\mathbb Z\to \mathbb Q$ ist ein Epimorphismus, der nicht surjektiv ist. Zugleich ist er ein Monomorphismus, aber kein Isomorphismus.

  4. In der Kategorie der topologischen Räume gibt es Morphismen, die keine Isomorphismen, aber bijektive Abbildungen sind.

Beispiel 2.5
  1. In der Kategorie der Mengen existieren Produkte und Koprodukte für beliebige Indexmengen. Das Produkt in der Kategorie der Mengen ist das übliche kartesische Produkt. Das Koprodukt in der Kategorie der Mengen ist die disjunkte Vereinigung.

  2. Sei $R$ ein Ring. In der Kategorie der $R$-Moduln existieren Produkte und Koprodukte für beliebige Indexmengen; siehe Definition 1.45.

  3. Sei $\mathscr C$ die Kategorie der Körper. Seien $k, k’$ Körper unterschiedlicher Charakteristik. Dann existieren weder das Produkt von $k$ und $k’$ noch das Koprodukt von $k$ und $k’$ in $\mathscr C$ (denn es gibt keinen Körper, der Homomorphismen sowohl nach $k$ als auch nach $k’$ zulässt, und keinen Körper der Homomorphismen sowohl von $k$ als auch von $k’$ zulässt).

  4. Sei $K$ ein Körper. In der Kategorie der endlich-dimensionalen $K$-Vektorräume existieren Produkte für endliche Indexmengen, jedoch (außer in trivialen Fällen) nicht für unendliche Indexmengen.

Funktoren

Definition 2.6

Seien $\mathscr C$, $\mathscr D$ Kategorien. Ein (kovarianter) Funktor $F\colon \mathscr C\to \mathscr D$ ist gegeben durch

  1. für jedes $X\in \mathop{\rm Ob}\nolimits \mathscr C$ ein Objekt $F(X)\in \mathop{\rm Ob}\nolimits \mathscr D$,

  2. für jedes $f\in \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(X, Y)$ ein $F(f)\in \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr D}(F(X), F(Y))$,

so dass

  1. $F(\mathop{\rm id}\nolimits _X) = \mathop{\rm id}\nolimits _{F(X)}$ für alle $X\in \mathop{\rm Ob}\nolimits \mathscr C$,

  2. $F(f\circ g) = F(f)\circ F(g)$ für alle $f$, $g$, so dass die Verkettung $f\circ g$ existiert.

Ein kontravarianter Funktor $F\colon \mathscr C\to \mathscr D$ ist gegeben durch

  1. für jedes $X\in \mathop{\rm Ob}\nolimits \mathscr C$ ein Objekt $F(X)\in \mathop{\rm Ob}\nolimits \mathscr D$,

  2. für jedes $f\in \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr C}(X, Y)$ ein $F(f)\in \mathop{\rm Hom}\nolimits _{\mathscr D}(F(Y), F(X))$,

so dass

  1. $F(\mathop{\rm id}\nolimits _X) = \mathop{\rm id}\nolimits _{F(X)}$ für alle $X\in \mathop{\rm Ob}\nolimits \mathscr C$,

  2. $F(f\circ g) = F(g)\circ F(f)$ für alle $f$, $g$, so dass die Verkettung $f\circ g$ existiert.

Bemerkung 2.7

Funktoren bilden Isomorphismen auf Isomorphismen ab: Ist $F$ ein Funktor und $X\cong Y$, so gilt $F(X)\cong F(Y)$.

Beispiel 2.8
  1. (Vergissfunktoren) Wir haben offensichtliche Funktoren von der Kategorie der Moduln über einem Ring $R$ in die Kategorie der abelschen Gruppen; von der Kategorie der abelschen Gruppen in die Kategorie der Mengen; von der Kategorie der topologischen Räume in die Kategorie der Mengen usw., die durch Vergessen eines Teils der Struktur (der Skalarmultiplikation; der Addition; der Topologie usw.) gegeben sind. Funktoren dieser Art heißen Vergissfunktoren.

  2. Sei $K$ ein Körper. Der Funktor, der jeden $K$-Vektorraum auf seinen Dualraum und jede lineare Abbildung auf ihre duale Abbildung abbildet, ist ein kontravarianter Funktor von der Kategorie der $K$-Vektorräume in sich selbst.

Definition 2.9

Sei $\mathscr C$ eine Kategorie, und sei $X$ ein Objekt von $\mathscr C$.

  1. Der $\mathop{\rm Hom}\nolimits $-Funktor $\mathop{\rm Hom}\nolimits (X, \cdot )$ ist der kovariante Funktor von $\mathscr C$ in die Kategorie der Mengen, der auf Objekten durch

    \[ Y\mapsto \mathop{\rm Hom}\nolimits (X, Y) \]

    und auf Morphismen durch

    \[ (f\colon Y\to Z) \mapsto (\mathop{\rm Hom}\nolimits (X, Y)\to \mathop{\rm Hom}\nolimits (X, Z),\ g\mapsto f\circ g) \]

    definiert ist.

  2. Der $\mathop{\rm Hom}\nolimits $-Funktor $\mathop{\rm Hom}\nolimits (\cdot , X)$ ist der kontravariante Funktor von $\mathscr C$ in die Kategorie der Mengen, der auf Objekten durch

    \[ Y\mapsto \mathop{\rm Hom}\nolimits (Y, X) \]

    und auf Morphismen durch

    \[ (f\colon Y\to Z) \mapsto (\mathop{\rm Hom}\nolimits (Y, X)\to \mathop{\rm Hom}\nolimits (Z, X),\ g\mapsto g\circ f) \]

    definiert ist.

  3. Ist $\mathscr C$ die Kategorie der Moduln über einem Ring $R$, so erhält man auf diese Weise Funktoren von $\mathscr C$ in die Kategorie der $R$-Moduln.

Lokalisierung ist ein Funktor

Seien $R$ ein Ring, $S\subseteq R$ eine multiplikative Teilmenge. Wir definieren einen Funktor

\[ F\colon (R-\mathop{\rm Mod}\nolimits ) \to (S^{-1}R-\mathop{\rm Mod}\nolimits ) \]

durch $F(M):= S^{-1}M$, und indem wir einen Homomorphismus $f\colon M\to N$ auf

\[ F(f)\colon S^{-1}M \to S^{-1}N,\quad \frac ms\mapsto \frac{f(m)}s \]

abbilden. Wir schreiben auch $S^{-1}f$ für $F(f)$.

Basiswechsel ist ein Funktor

Sei $R\to R’$ ein Ringhomomorphismus. Wir definieren den Basiswechselfunktor

\[ (R-\mathop{\rm Mod}\nolimits ) \to (R’-\mathop{\rm Mod}\nolimits ) \]

auf Objekten durch $M\mapsto R’\otimes _RM$ und auf Morphismen durch $(f\colon M\to N)\mapsto \mathop{\rm id}\nolimits _{R'}\otimes f$, mit

\[ \mathop{\rm id}\nolimits _{R'}\otimes f\colon R’\otimes _RM \to R’\otimes _RN,\quad x\otimes m\mapsto x\otimes f(m) \]

Der Lokalisierungsfunktor ist der Spezialfall dieses Funktors für den Ringhomomorphismus $R\to S^{-1}R$.

2.2 Exakte Sequenzen

[ AM ] Ch. 2

Sei $R$ ein Ring. Eine Sequenz von $R$-Moduln ist eine Familie $M_i$, $i\in \mathbb Z$, zusammen mit $R$-Modul-Homomorphismen

\[ \xymatrix{ \cdots \ar[r] & M_0 \ar[r]^{f_0} & M_1 \ar[r]^{f_1} & M_2\ar[r]^{f_2} & \cdots } \]

(analog für “Intervalle” in $\mathbb Z$ als Indexmengen).

Eine Sequenz heißt Komplex, falls $f_{i+1}\circ f_i = 0$ für alle $i$.

Eine Sequenz heißt exakt an der Stelle $i$ (oder bei $M_i$), falls $\mathop{\rm Im}f_i = \mathop{\rm Ker}f_{i+1}$. Sie heißt exakt, wenn sie an allen Stellen exakt ist.

Beispiel 2.10
  1. Eine Sequenz

    \[ \xymatrix{ 0 \ar[r] & M' \ar[r]^f & M } \]

    ist genau dann exakt (bei $M’$), wenn $f$ injektiv ist.

  2. Eine Sequenz

    \[ \xymatrix{ M \ar[r]^f & M'' \ar[r] & 0 } \]

    ist genau dann exakt (bei $M”$), wenn $f$ surjektiv ist.

Definition 2.11

Eine exakte Sequenz der Form

\[ \xymatrix{ 0 \ar[r] & M' \ar[r]^f & M \ar[r]^g & M'' \ar[r] & 0 } \]

heißt kurze exakte Sequenz. Die Exaktheit ist dazu äquivalent, dass $f$ injektiv, $g$ surjektiv, und dass $\mathop{\rm Ker}g = \mathop{\rm Im}f$ ist.

In der Situation der Definition induziert $g$ einen Isomorphismus $M” \cong M/M’$ (wobei wir $M’$ vermöge der Injektion $f$ als Untermodul von $M$ auffassen). Ist andererseits $N\subseteq M$ ein Untermodul, so geben die Einbettung von $N$ nach $M$ und die kanonische Projektion auf den Quotienten Anlass zu einer kurzen exakten Sequenz

\[ 0 \to N\to M \to M/N \to 0. \]

Satz 2.12
  1. Sei

    \[ \xymatrix{ M' \ar[r]^f & M \ar[r]^g & M'' \ar[r] & 0 } \]

    eine Sequenz von $R$-Moduln. Dann gilt: Die Sequenz ist genau dann exakt, wenn für alle $R$-Moduln $N$ die Sequenz

    \[ 0\to \mathop{\rm Hom}\nolimits (M”, N) \to \mathop{\rm Hom}\nolimits (M, N) \to \mathop{\rm Hom}\nolimits (M’, N) \]

    (vergleiche Definition 2.9) exakt ist.

  2. Sei

    \[ \xymatrix{ 0\ar[r] & M' \ar[r]^f & M \ar[r]^g & M'' } \]

    eine Sequenz von $R$-Moduln. Dann gilt: Die Sequenz ist genau dann exakt, wenn für alle $R$-Moduln $N$ die Sequenz

    \[ 0\to \mathop{\rm Hom}\nolimits (N, M’)\to \mathop{\rm Hom}\nolimits (N, M)\to \mathop{\rm Hom}\nolimits (N, M”) \]

    (vergleiche Definition 2.9) exakt ist.

Satz 2.13 Schlangenlemma

Sei $R$ ein Ring und

\[ \xymatrix{ 0 \ar[r] & M'\ar[r]^u\ar[d]^{f'} & M\ar[r]^v\ar[d]^f & M''\ar[r]\ar[d]^{f''} & 0 \\ 0 \ar[r] & N'\ar[r]^u & N\ar[r]^v & N''\ar[r] & 0 \\ } \]

ein kommutatives Diagramm von $R$-Moduln, in dem die Zeilen exakte Sequenzen sind. Dann existiert eine exakte Sequenz

\[ \xymatrix{ 0\ar[r]& \mathop{\rm Ker}f' \ar[r]^{\overline{u}} & \mathop{\rm Ker}f \ar[r]^{\overline{v}} & \mathop{\rm Ker}f'' \ar[r]^d & \\ & N'/\mathop{\rm Im}f' \ar[r]^{\overline{u'}} & N/\mathop{\rm Im}f \ar[r]^{\overline{v'}} & N''/\mathop{\rm Im}f'' \ar[r] & 0, } \]

wobei $\overline{u}$, $\overline{v}$, $\overline{u'}$, $\overline{v'}$ die von $u$, $v$, $u’$, $v’$ induzierten Abbildungen sind.

Korollar 2.14

Wenn in der Situation des Schlangenlemmas zwei der drei Homomorphismen $f’$, $f$, $f”$ Isomorphismen sind, so auch der dritte.

2.3 Exakte Funktoren

[ AM ] Ch. 2, 3

Seien $R$ und $R’$ Ringe. Für $R$-Moduln $M, N$ trägt die Menge $\mathop{\rm Hom}\nolimits _R(M, N)$ durch die Gruppenstruktur auf $N$ die Struktur einer abelschen Gruppe (und sogar, induziert durch die $R$-Modulstruktur auf $N$ die Struktur eines $R$-Moduls).

Definition 2.15

Ein (kovarianter) Funktor $F\colon (R-\mathop{\rm Mod}\nolimits ) \to (R’-\mathop{\rm Mod}\nolimits )$ heißt additiv, falls für alle $R$-Moduln $M, N$ die durch $F$ gegebene Abbildung

\[ \mathop{\rm Hom}\nolimits _R(M, N) \to \mathop{\rm Hom}\nolimits _{R'}(F(M), F(N)) \]

ein Homomorphismus abelscher Gruppen ist.

Ein kontravarianter Funktor $F\colon (R-\mathop{\rm Mod}\nolimits ) \to (R’-\mathop{\rm Mod}\nolimits )$ heißt additiv, falls für alle $R$-Moduln $M, N$ die durch $F$ gegebene Abbildung

\[ \mathop{\rm Hom}\nolimits _R(M, N) \to \mathop{\rm Hom}\nolimits _{R'}(F(N), F(M)) \]

ein Homomorphismus abelscher Gruppen ist.

Bemerkung 2.16

Ist $F$ ein additiver Funktor, so gilt $F(0)=0$.

Definition 2.17
  1. Ein kovarianter Funktor $F\colon (R-\mathop{\rm Mod}\nolimits ) \to (R’-\mathop{\rm Mod}\nolimits )$ heißt linksexakt, falls $F$ additiv ist und falls für jede kurze exakte Sequenz

    \[ 0 \to M_1 \to M_2 \to M_3 \to 0 \]

    die Sequenz

    \[ 0 \to F(M_1) \to F(M_2) \to F(M_3) \]

    exakt ist.

  2. Ein kontravarianter Funktor $F\colon (R-\mathop{\rm Mod}\nolimits ) \to (R’-\mathop{\rm Mod}\nolimits )$ heißt linksexakt, falls $F$ additiv ist und falls für jede kurze exakte Sequenz

    \[ 0 \to M_1 \to M_2 \to M_3 \to 0 \]

    die Sequenz

    \[ 0 \to F(M_3) \to F(M_2) \to F(M_1) \]

    exakt ist.

  3. Ein kovarianter Funktor $F\colon (R-\mathop{\rm Mod}\nolimits ) \to (R’-\mathop{\rm Mod}\nolimits )$ heißt rechtsexakt, falls $F$ additiv ist und falls für jede kurze exakte Sequenz

    \[ 0 \to M_1 \to M_2 \to M_3 \to 0 \]

    die Sequenz

    \[ F(M_1) \to F(M_2) \to F(M_3) \to 0 \]

    exakt ist. Analog: rechtsexakte kontravariante Funktoren.

  4. Ein kovarianter Funktor $F\colon (R-\mathop{\rm Mod}\nolimits ) \to (R’-\mathop{\rm Mod}\nolimits )$ heißt exakt, falls $F$ additiv ist und falls für jede kurze exakte Sequenz

    \[ 0 \to M_1 \to M_2 \to M_3 \to 0 \]

    die Sequenz

    \[ 0 \to F(M_1) \to F(M_2) \to F(M_3) \to 0 \]

    exakt ist, d. h. wenn $F$ linksexakt und rechtsexakt ist. Analog: exakte kontravariante Funktoren.

Bemerkung 2.18
  1. Sei $F$ ein linksexakter kovarianter Funktor und sei $0 \to M_1 \to M_2 \to M_3$ exakt. Dann ist $0 \to F(M_1) \to F(M_2) \to F(M_3)$ exakt. Analog für kontravariante Funktoren.

  2. Sei $F$ ein rechtsexakter kovarianter Funktor und sei $M_1 \to M_2 \to M_3 \to 0$ exakt. Dann ist $F(M_1) \to F(M_2) \to F(M_3) \to 0$ exakt. Analog für kontravariante Funktoren.

  3. Sei $F$ ein exakter kovarianter Funktor und sei $M_1 \to M_2 \to M_3$ exakt. Dann ist $F(M_1) \to F(M_2) \to F(M_3)$ exakt. Analog für kontravariante Funktoren.

Der $\mathop{\rm Hom}\nolimits $-Funktor ist linksexakt

Satz 2.19

Seien $R$ ein Ring und $N$ ein $R$-Modul. Dann sind die Funktoren $\mathop{\rm Hom}\nolimits _R(\cdot , N)$ und $\mathop{\rm Hom}\nolimits (N, \cdot )$ linksexakt. (Vergleiche Definition 2.9 und Satz 2.12).

Tensorprodukt ist rechtsexakt

Satz 2.20

Seien $R$ ein Ring und $N$ ein $R$-Modul. Dann ist der Funktor $M\mapsto M\otimes _RN$ rechtsexakt.

Flache Moduln

Definition 2.21

Sei $R$ ein Ring. Ein $R$-Modul $M$ heißt flach, wenn der Funktor $N \mapsto M\otimes _RN$ exakt ist.

Weil Tensorieren stets rechtsexakt ist, ist ein $R$-Modul $M$ genau dann flach, wenn für jeden injektiven Homomorphismus $\varphi :N’\to N$ von $R$-Moduln auch der Homomorphismus $\mathop{\rm id}\nolimits _M\otimes \varphi : M\otimes _RN’ \to M\otimes _RN$ injektiv ist.

Beispiel 2.22

Sei $n\in \mathbb Z_{>0}$. Dann ist der $\mathbb Z$-Modul $\mathbb Z/n\mathbb Z$ nicht flach.

Satz 2.23

Ist $R$ ein Ring und $M$ ein freier $R$-Modul, so ist $M$ flach.

Insbesondere folgt aus dem Satz: Ist $K$ ein Körper, so ist jeder $K$-Vektorraum flach.

Eine $R$-Algebra $A$ heißt flach, wenn $A$ als $R$-Modul flach ist.

Beispiel 2.24

Sei $k$ ein Körper, $R=k[T]$.

  1. Die $R$-Algebren $R[X]/(X-T)$ und $R[X]/(X^2-T)$ sind flach (sie sind sogar freie $R$-Moduln).

  2. Die $R$-Algebra $R[X]/(XT-1)$ ist flach (aber kein freier $R$-Modul).

  3. Die $R$-Algebra $R[X]/(XT)$ ist nicht flach.

Lokalisierung ist exakt

Satz 2.25

Seien $R$ ein Ring und $S\subseteq R$ eine multiplikative Teilmenge. Dann ist der Funktor $M\mapsto S^{-1}M$ exakt.

Korollar 2.26

Sei $R$ ein Ring, und sei $S\subseteq R$ eine multiplikative Teilmenge. Ist $N\subseteq M$ eine Inklusion von $R$-Moduln, so ist $S^{-1}N\subseteq S^{-1}M$ und $S^{-1}M/S^{-1}N \cong S^{-1}(M/N)$.

Satz 2.27

Sei $R$ ein Ring, $f\colon M\to N$ ein $R$-Modul-Homomorphismus. Dann sind äquivalent:

  1. $f=0$

  2. Für alle $\mathfrak p\in \mathop{\rm Spec}\nolimits R$ ist $f\otimes \mathop{\rm id}\nolimits _{R_{\mathfrak p}}\colon M_{\mathfrak p}\to N_{\mathfrak p}$ die Nullabbildung.

  3. Für alle $\mathfrak m\in \mathop{\rm Spm}\nolimits R$ ist $f\otimes \mathop{\rm id}\nolimits _{R_{\mathfrak m}}\colon M_{\mathfrak m}\to N_{\mathfrak m}$ die Nullabbildung.

Satz 2.28

Sei $R$ ein Ring, und sei

\[ M’ \to M \to M” \]

eine Sequenz von $R$-Moduln. Dann sind äquivalent:

  1. Die Sequenz $M’ \to M \to M”$ ist exakt.

  2. Für alle $\mathfrak p\in \mathop{\rm Spec}\nolimits R$ ist die Sequenz $(M’)_{\mathfrak p} \to M_{\mathfrak p} \to (M”)_{\mathfrak p}$ exakt.

  3. Für alle $\mathfrak m\in \mathop{\rm Spm}\nolimits R$ ist die Sequenz $(M’)_{\mathfrak m} \to M_{\mathfrak m} \to (M”)_{\mathfrak m}$ exakt.

Satz 2.29

Sei $R$ ein Ring und sei $M$ ein $R$-Modul. Dann sind äquivalent:

  1. Der $R$-Modul $M$ ist flach.

  2. Für alle $\mathfrak p\in \mathop{\rm Spec}\nolimits R$ ist der $R_{\mathfrak p}$-Modul $M_{\mathfrak p}$ flach.

  3. Für alle $\mathfrak m\in \mathop{\rm Spm}\nolimits R$ ist der $R_{\mathfrak m}$-Modul $M_{\mathfrak m}$ flach.