Kommutative Algebra, SS 2012.
Notizen zur Vorlesung.

Inhalt

5 Diskrete Bewertungsringe und Dedekindringe

5.1 Diskrete Bewertungsringe

[ AM ] Ch. 9, [ M2 ] §11, [ S ] Ch. 1.

Definition 5.1

Sei $K$ ein Körper. Eine diskrete Bewertung auf $K$ ist eine surjektive Abbildung $v\colon K^\times \to \mathbb Z$, für die gilt:

  1. $v(xy) = v(x) + v(y)$ für alle $x,y\in K^\times $,

  2. $v(x+y) \ge \min (v(x), v(y))$ für alle $x,y\in K^\times $.

Bemerkung 5.2

Sei $K$ ein Körper mit einer diskreten Bewertung $v$. Sei $c\in \mathbb R$, $0

\[ |x| = c^{v(x)}\ \text{ für }\ x\in K^\times ,\qquad |0| = 0, \]

einen Absolutbetrag auf $K$, d.h. eine Abbildung $|\cdot |\colon K\to \mathbb R$ mit

  1. $|x| = 0\Longleftrightarrow x=0$,

  2. $|xy| = |x| \cdot |y|$,

  3. (Dreiecksungleichung) $|x+y| \le |x|+|y|$.

Genauer gilt in dieser Situation sogar die starke Dreiecksungleichung:

\[ |x+y| \le \max (|x|, |y|). \]

Man spricht in diesem Fall von einem nicht-archimedischen Absolutbetrag.

Lemma 5.3

Sei $K$ ein Körper mit einer diskreten Bewertung $v$. Dann ist

\[ \{ x\in K;\ v(x) \ge 0 \} \cup \{ 0 \} \]

ein Unterring von $K$, der sogenannte Bewertungsring von $(K, v)$.

Beispiel 5.4
  1. Sei $R$ ein faktorieller Ring, $K=\mathop{\rm Quot}\nolimits (R)$, $p\in R$ ein Primelement. Jedes Element $x\in K^in\times $ lässt sich schreiben als $x = p^n\frac ab$ mit $n\in \mathbb Z$, $a, b\in R$, $p\not| ab$. Dabei ist $n$ eindeutig bestimmt und durch $v(x):= n$ wird eine diskrete Bewertung auf $K$ definiert.

  2. Sei speziell $K=\mathbb Q$, $p\in \mathbb Z$ eine Primzahl. Die wie in (1) definierte Bewertung $v_p$ heißt die $p$-adische Bewertung auf $\mathbb Q$. Der Bewertungsring von $v_p$ ist der Ring $\mathbb Z_{(p)}$, die Lokalisierung von $\mathbb Z$ nach dem Primideal $(p)$. Man kann zeigen, dass alle diskreten Bewertungen auf $\mathbb Q$ diese Form haben.

  3. Sei speziell $K=k(T)$ der rationale Funktionenkörper über einem Körper $k$. Wie in (1) definiert dann jedes irreduzible Polynom $f\in k[T]$ eine Bewertung $v_f$ auf $K$. Der Bewertungsring von $v_f$ ist der Ring $k[T]_{(f)}$.

  4. Sei $K=k(T)$ wie in 3. Dann ist auch $K = \mathop{\rm Quot}\nolimits (k[T^{-1}])$ und wenn wir die Konstruktion in (1) auf das Primelement $T^{-1}\in k[T^{-1}]$ anwenden, erhalten wir eine Bewertung $v_\infty $ auf $K$, die nicht von der Form $v_f$ wie in (3) ist. Es gilt

    \[ v_\infty (\frac fg) = \deg g -\deg f\ \text{für}\ f, g\in k[T], g\ne 0. \]

    Der Bewertungsring von $v_\infty $ ist der Ring

    \[ k[T^{-1}]_{(T^{-1})} = \{ \frac fg;\ f, g\in k[T], g\ne 0,\ \deg f \le \deg g \} \subset K. \]

    Man kann zeigen, dass alle Bewertungen auf $K$ die Form $v_f$, $f\in k[T]$ irreduzibel, oder $v_\infty $ haben.

Definition 5.5

Sei $A$ ein Integritätsring, $K=\mathop{\rm Quot}\nolimits (A)$. Der Ring $A$ heißt diskreter Bewertungsring, falls eine diskrete Bewertung auf $K$ existiert, deren Bewertungsring $A$ ist.

Bemerkung 5.6

Sei $K$ ein Körper mit diskreter Bewertung $v$, und sei $A$ der zugehörige Bewertungsring. Es gilt

\[ A^\times = \{ x\in A;\ v(x) = 0 \} . \]

Sei $\pi \in A$ ein Element mit $v(\pi )=1$. Ein solches Element heißt uniformisierendes Element. Dann gilt: Jedes Element $x\in A$ lässt sich schreiben als $x = \pi ^{v(x)} u$ mit $u\in A^{\times }$ (und $u$ ist eindeutig bestimmt).

Jedes Ideal von $A$ außer dem Nullideal hat die Form $(\pi ^d)$, $d\ge 0$. Das Ideal $(\pi )$ ist das einzige maximale Ideal von $A$. Insbesondere ist $A$ ein lokaler Hauptidealring.

Lemma 5.7

Sei $A$ ein Integritätsring. Dann sind äquivalent:

  1. Der Ring $A$ ist ein diskreter Bewertungsring.

  2. Der Ring $A$ ist noethersch und lokal, und das maximale Ideal von $A$ ist ein Hauptideal.

Theorem 5.8

Sei $A$ ein Integritätsring. Dann sind äquivalent:

  1. Der Ring $A$ ist ein diskreter Bewertungsring.

  2. Der Ring $A$ ist ein lokaler Hauptidealring, aber kein Körper.

  3. Der Ring $A$ ist noethersch, ganzabgeschlossen und es gibt genau ein Primideal $\ne 0$ in $A$.

5.2 Dedekindringe

[ AM ] Ch. 9, [ M2 ] §11, [ S ] Ch. 1.

Definition 5.9

Sei $A$ ein Integritätsring. Wir sagen, $A$ habe Dimension $1$, in Zeichen: $\dim A=1$, falls $A$ kein Körper ist, und jedes Primideal $\ne 0$ in $A$ ein maximales Ideal ist.

Theorem 5.10

Sei $A$ ein Integritätsring. Dann sind äquivalent:

  1. $A$ ist ganzabgeschlossen, noethersch und $\dim A = 1$.

  2. Für jedes Primideal $\mathfrak p\ne 0$ von $A$ ist $A_{\mathfrak p}$ ein diskreter Bewertungsring.

Theorem 5.11

Sei $A$ ein Dedekindring, $K=\mathop{\rm Quot}\nolimits (A)$, sei $L/K$ eine endliche separable Körpererweiterung, und sei $B$ der ganze Abschluss von $A$ in $L$. Dann ist auch $B$ ein Dedekindring.

Bemerkung 5.12

Der Satz ist auch ohne die Voraussetzung, dass die Erweiterung $L/K$ separabel sei, richtig, allerdings dann deutlich schwieriger zu beweisen.

Die Spur einer separablen Körpererweiterung

[ N ] I §2, [ Bo ] 4.7.

Sei $L/K$ eine endliche Körpererweiterung. Sei $x\in L$. Dann ist die Abbildung $t_x\colon L\to L$, $z\mapsto xz$, ein Homomorphismus von $K$-Vektorräumen, und wir setzen $\mathop{\rm Tr}\nolimits _{L/K}(x):=\mathop{\rm Spur}(t_x)$, und erhalten so eine Abbildung $\mathop{\rm Tr}\nolimits _{L/K}\colon L\to K$, die sogenannte Spurabbildung.

Sei im folgenden stets $L/K$ eine endliche separable Körpererweiterung, und sei $\{ \sigma _1,\dots , \sigma _n \} $ die Menge aller $K$-Homomorphismen von $L$ in einen fixierten algebraischen Abschluss von $L$

Lemma 5.13

Für alle $x\in L$ gilt $\mathop{\rm Tr}\nolimits _{L/K}(x) = \sum _{i=1}^n \sigma _i(x)$.

Satz 5.14

Sei $L/K$ eine endliche separable Körpererweiterung. Dann ist die Abbildung

\[ L\times L\to K,\quad (x,y)\mapsto \mathop{\rm Tr}\nolimits _{L/K}(xy), \]

eine nicht-ausgeartete symmetrische Bilinearform auf dem $K$-Vektorraum $L$.

Lemma 5.15

Sei $A$ ein Dedekindring, $K=\mathop{\rm Quot}\nolimits (A)$, sei $L/K$ eine endliche separable Körpererweiterung, und sei $B$ der ganze Abschluss von $A$ in $L$. Dann gilt für alle $b\in B$: $\mathop{\rm Tr}\nolimits _{L/K}(b)\in A$.

Satz 5.16

Sei $A$ ein Dedekindring, $K=\mathop{\rm Quot}\nolimits (A)$, sei $L/K$ eine endliche separable Körpererweiterung, und sei $B$ der ganze Abschluss von $A$ in $L$. Ist $\alpha _1, \dots , \alpha _n$ eine $K$-Basis von $L$ mit $\alpha _i\in B$ für alle $i$, und ist $d = \det (\mathop{\rm Tr}\nolimits _{L/K}(\alpha _i\alpha _j))$, so gilt

\[ dB \subseteq A\alpha _1 + \cdots + A\alpha _n. \]

5.3 Zerlegung von Idealen in Primideale in Dedekindringen

[ AM ] Ch. 9, [ M2 ] §11, [ S ] Ch. 1.

Sei $A$ ein Dedekindring mit Quotientenkörper $K$.

Definition 5.17

Ein gebrochenes Ideal von $A$ ist ein von $0$ verschiedener endlich erzeugter $A$-Untermodul $\mathfrak a\subset K$.

Jedes Ideal $\ne 0$ von $A$ ist ein gebrochenes Ideal. Ist $x\in A$, $x\ne 0$, so ist $x^{-1}A$ ein gebrochenes Ideal von $A$.

Sei $\mathfrak a\subseteq A$ ein gebrochenes Ideal. Wir setzen

\[ \mathfrak a^{-1} := \{ x\in K; x\mathfrak a\subseteq A \} . \]

Dies ist wieder ein gebrochenes Ideal von $K$.

Für gebrochene Ideale $\mathfrak a$, $\mathfrak b$ von $A$ definieren wir ihr Produkt durch

\[ \mathfrak a\mathfrak b := \langle ab; a\in \mathfrak a,b\in \mathfrak b \rangle _A, \]

d.h. als den von allen Produkten von Elementen aus $\mathfrak a$ und $\mathfrak b$ erzeugten $A$-Untermodul von $K$, vergleiche Definition 1.8. Für $n\ge 1$ definieren wir $\mathfrak a^n = \mathfrak a\cdot \cdots \cdot \mathfrak a$ ($n$ Faktoren), für $n < 0$ sei $\mathfrak a^n := (\mathfrak a^{-1})^{-n}$. Wir setzen $\mathfrak a^0 := (1)$.

Beispiel 5.18

Sei $A$ ein diskreter Bewertungsring mit maximalem Ideal $\mathfrak m$. Dann sind die gebrochenen Ideale von $A$ gerade die Untermoduln $\mathfrak m^d$, $d\in \mathbb Z$.

Lemma 5.19

Seien $A$ ein Dedekindring. Seien $\mathfrak a$, $\mathfrak b$ gebrochene Ideale von $A$. Dann gilt:

  1. Sei $\mathfrak p\in \mathop{\rm Spec}\nolimits A$. Wie üblich bezeichnen wir für jeden $A$-Modul $\mathfrak a$ mit $\mathfrak a_{\mathfrak p}$ die Lokalisierung bezüglich $S =A\setminus \mathfrak p$. Dann gilt

    1. $(\mathfrak a + \mathfrak b)_{\mathfrak p} = \mathfrak a_{\mathfrak p} +\mathfrak b_{\mathfrak p}$,

    2. $(\mathfrak a \mathfrak b)_{\mathfrak p} = \mathfrak a_{\mathfrak p} \cdot \mathfrak b_{\mathfrak p}$,

    3. $(\mathfrak a^{-1})_{\mathfrak p} = (\mathfrak a_{\mathfrak p})^{-1}$.

  2. Es gilt genau dann $\mathfrak a =\mathfrak b$, wenn für alle $\mathfrak p\in \mathop{\rm Spec}\nolimits A$ gilt: $\mathfrak a_{\mathfrak p} =\mathfrak b_{\mathfrak p}$.

Satz 5.20

Sei $A$ ein Dedekindring. Dann ist die Menge der gebrochenen Ideale von $A$ eine Gruppe bezüglich des soeben definierten Produkts. Das neutrale Element ist das Ideal $A$. Das Inverse eines gebrochenen Ideals $\mathfrak a$ ist $\mathfrak a^{-1}$. Insbesondere gilt $\mathfrak a\mathfrak a^{-1}=A$ und $(\mathfrak a^{-1})^{-1} = \mathfrak a$ für alle gebrochenen Ideale $\mathfrak a$.

Theorem 5.21

Sei $A$ ein Dedekindring, und sei $\mathfrak a\subseteq A$ ein Ideal $\ne 0$. Dann existieren endlich viele paarweise verschiedene Primideale $\mathfrak p_1,\dots , \mathfrak p_r$ und natürliche Zahlen $n_i \ge 1$, so dass

\[ \mathfrak a = \mathfrak p_1^{n_1}\cdots \mathfrak p_r^{n_r}. \]

Dabei ist $r$ eindeutig bestimmt, und die $\mathfrak p_i$ und $n_i$ sind eindeutig bestimmt bis auf die Reihenfolge.

Für das Einsideal ist die durch das Theorem gegebene Zerlegung das leere Produkt. Mit den Notationen des Theorems gilt: Die Primideale, in denen $\mathfrak a$ enthalten ist, sind genau $\mathfrak p_1, \dots , \mathfrak p_r$.

Man kann zeigen, dass jeder Integritätsring, der kein Körper ist, und in dem sich jedes Ideal $\ne 0$ als endliches Produkt von Primidealen schreiben lässt, ein Dedekindring ist, siehe [ M2 ] Theorem 11.6.

Beispiel 5.22

Der ganze Abschluss von $\mathbb Z$ in $\mathbb Q(\sqrt{-5})$ ist der Ring $A:=\mathbb Z[\sqrt{-5}]$. Der Ring $A$ ist also ein Dedekindring. Er ist allerdings nicht faktoriell, zum Beispiel sind

\[ 2 \cdot 3 = (1+\sqrt{-5})(1-\sqrt{-5}) \]

zwei verschiedene Zerlegungen von $6$ in Produkte irreduzibler Elemente. Die Ideale $(2)$, $(3)$, $(1-\sqrt{-5})$ und $(1+\sqrt{-5})$ sind keine Primideale. Die Ideale

\begin{align*} \mathfrak p_1 & = (2, 1+\sqrt{-5}),\\ \mathfrak p_2 & = (2, 1-\sqrt{-5}), \\ \mathfrak p_3 & = (3, 1+\sqrt{-5}),\\ \mathfrak p_4 & = (3, 1-\sqrt{-5}) \end{align*}

sind Primideale und es gilt

\[ (2) = \mathfrak p_1\mathfrak p_2,\quad (3) = \mathfrak p_3\mathfrak p_4,\quad (1+\sqrt{-5}) = \mathfrak p_1\mathfrak p_3,\quad (1-\sqrt{-5}) = \mathfrak p_2\mathfrak p_4,\quad \]

und die obige Zerlegung erklärt sich als

\[ (6) = (\mathfrak p_1\mathfrak p_2) (\mathfrak p_3\mathfrak p_4) = (\mathfrak p_1\mathfrak p_3) (\mathfrak p_2\mathfrak p_4). \]

AM

M. Atiyah, I. Macdonald, Introduction to Commutative Algebra, Addison-Wesley

Bo

S. Bosch, Algebra, Springer

B

N. Bourbaki, Algèbre commutative, oder auf Englisch: Commutative Algebra, Ch. 1–10.

E

D. Eisenbud, Commutative Algebra with a View towards Algebraic Geometry, Springer GTM

GW

U. Görtz, T. Wedhorn, Algebraic Geometry I, Vieweg.

M1

H. Matsumura, Commutative Algebra

M2

H. Matsumura, Commutative Ring Theory, Cambridge University Press

Mu

D. Mumford, The Red Book on Varieties and Schemes, Springer LNM 1358.

N

J. Neukirch, Algebraische Zahlentheorie, Springer.

S

J.-P. Serre, Corps locaux (oder auf Englisch: Local fields, Springer GTM)

ZS

O. Zariski, P. Samuel, Commutative Algebra, Vol. I, Vol. II, Springer.