5 Diskrete Bewertungsringe und Dedekindringe
5.1 Diskrete Bewertungsringe
[ AM ] Ch. 9, [ M2 ] §11, [ S ] Ch. 1.
Sei $K$ ein Körper. Eine diskrete Bewertung auf $K$ ist eine surjektive Abbildung $v\colon K^\times \to \mathbb Z$, für die gilt:
$v(xy) = v(x) + v(y)$ für alle $x,y\in K^\times $,
$v(x+y) \ge \min (v(x), v(y))$ für alle $x,y\in K^\times $.
Sei $K$ ein Körper mit einer diskreten Bewertung $v$. Sei $c\in \mathbb R$, $0 einen Absolutbetrag auf $K$, d.h. eine Abbildung $|\cdot |\colon K\to \mathbb R$ mit $|x| = 0\Longleftrightarrow x=0$, $|xy| = |x| \cdot |y|$, (Dreiecksungleichung) $|x+y| \le |x|+|y|$. Genauer gilt in dieser Situation sogar die starke Dreiecksungleichung: Man spricht in diesem Fall von einem nicht-archimedischen Absolutbetrag.
Sei $K$ ein Körper mit einer diskreten Bewertung $v$. Dann ist
ein Unterring von $K$, der sogenannte Bewertungsring von $(K, v)$.
Sei $R$ ein faktorieller Ring, $K=\mathop{\rm Quot}\nolimits (R)$, $p\in R$ ein Primelement. Jedes Element $x\in K^in\times $ lässt sich schreiben als $x = p^n\frac ab$ mit $n\in \mathbb Z$, $a, b\in R$, $p\not| ab$. Dabei ist $n$ eindeutig bestimmt und durch $v(x):= n$ wird eine diskrete Bewertung auf $K$ definiert.
Sei speziell $K=\mathbb Q$, $p\in \mathbb Z$ eine Primzahl. Die wie in (1) definierte Bewertung $v_p$ heißt die $p$-adische Bewertung auf $\mathbb Q$. Der Bewertungsring von $v_p$ ist der Ring $\mathbb Z_{(p)}$, die Lokalisierung von $\mathbb Z$ nach dem Primideal $(p)$. Man kann zeigen, dass alle diskreten Bewertungen auf $\mathbb Q$ diese Form haben.
Sei speziell $K=k(T)$ der rationale Funktionenkörper über einem Körper $k$. Wie in (1) definiert dann jedes irreduzible Polynom $f\in k[T]$ eine Bewertung $v_f$ auf $K$. Der Bewertungsring von $v_f$ ist der Ring $k[T]_{(f)}$.
Sei $K=k(T)$ wie in 3. Dann ist auch $K = \mathop{\rm Quot}\nolimits (k[T^{-1}])$ und wenn wir die Konstruktion in (1) auf das Primelement $T^{-1}\in k[T^{-1}]$ anwenden, erhalten wir eine Bewertung $v_\infty $ auf $K$, die nicht von der Form $v_f$ wie in (3) ist. Es gilt
\[ v_\infty (\frac fg) = \deg g -\deg f\ \text{für}\ f, g\in k[T], g\ne 0. \]Der Bewertungsring von $v_\infty $ ist der Ring
\[ k[T^{-1}]_{(T^{-1})} = \{ \frac fg;\ f, g\in k[T], g\ne 0,\ \deg f \le \deg g \} \subset K. \]Man kann zeigen, dass alle Bewertungen auf $K$ die Form $v_f$, $f\in k[T]$ irreduzibel, oder $v_\infty $ haben.
Sei $A$ ein Integritätsring, $K=\mathop{\rm Quot}\nolimits (A)$. Der Ring $A$ heißt diskreter Bewertungsring, falls eine diskrete Bewertung auf $K$ existiert, deren Bewertungsring $A$ ist.
Sei $K$ ein Körper mit diskreter Bewertung $v$, und sei $A$ der zugehörige Bewertungsring. Es gilt
Sei $\pi \in A$ ein Element mit $v(\pi )=1$. Ein solches Element heißt uniformisierendes Element. Dann gilt: Jedes Element $x\in A$ lässt sich schreiben als $x = \pi ^{v(x)} u$ mit $u\in A^{\times }$ (und $u$ ist eindeutig bestimmt).
Jedes Ideal von $A$ außer dem Nullideal hat die Form $(\pi ^d)$, $d\ge 0$. Das Ideal $(\pi )$ ist das einzige maximale Ideal von $A$. Insbesondere ist $A$ ein lokaler Hauptidealring.
Sei $A$ ein Integritätsring. Dann sind äquivalent:
Der Ring $A$ ist ein diskreter Bewertungsring.
Der Ring $A$ ist noethersch und lokal, und das maximale Ideal von $A$ ist ein Hauptideal.
Sei $A$ ein Integritätsring. Dann sind äquivalent:
Der Ring $A$ ist ein diskreter Bewertungsring.
Der Ring $A$ ist ein lokaler Hauptidealring, aber kein Körper.
Der Ring $A$ ist noethersch, ganzabgeschlossen und es gibt genau ein Primideal $\ne 0$ in $A$.
5.2 Dedekindringe
[ AM ] Ch. 9, [ M2 ] §11, [ S ] Ch. 1.
Sei $A$ ein Integritätsring. Wir sagen, $A$ habe Dimension $1$, in Zeichen: $\dim A=1$, falls $A$ kein Körper ist, und jedes Primideal $\ne 0$ in $A$ ein maximales Ideal ist.
Sei $A$ ein Integritätsring. Dann sind äquivalent:
$A$ ist ganzabgeschlossen, noethersch und $\dim A = 1$.
Für jedes Primideal $\mathfrak p\ne 0$ von $A$ ist $A_{\mathfrak p}$ ein diskreter Bewertungsring.
Sei $A$ ein Dedekindring, $K=\mathop{\rm Quot}\nolimits (A)$, sei $L/K$ eine endliche separable Körpererweiterung, und sei $B$ der ganze Abschluss von $A$ in $L$. Dann ist auch $B$ ein Dedekindring.
Der Satz ist auch ohne die Voraussetzung, dass die Erweiterung $L/K$ separabel sei, richtig, allerdings dann deutlich schwieriger zu beweisen.
Die Spur einer separablen Körpererweiterung
Sei $L/K$ eine endliche Körpererweiterung. Sei $x\in L$. Dann ist die Abbildung $t_x\colon L\to L$, $z\mapsto xz$, ein Homomorphismus von $K$-Vektorräumen, und wir setzen $\mathop{\rm Tr}\nolimits _{L/K}(x):=\mathop{\rm Spur}(t_x)$, und erhalten so eine Abbildung $\mathop{\rm Tr}\nolimits _{L/K}\colon L\to K$, die sogenannte Spurabbildung.
Sei im folgenden stets $L/K$ eine endliche separable Körpererweiterung, und sei $\{ \sigma _1,\dots , \sigma _n \} $ die Menge aller $K$-Homomorphismen von $L$ in einen fixierten algebraischen Abschluss von $L$
Für alle $x\in L$ gilt $\mathop{\rm Tr}\nolimits _{L/K}(x) = \sum _{i=1}^n \sigma _i(x)$.
Sei $L/K$ eine endliche separable Körpererweiterung. Dann ist die Abbildung
eine nicht-ausgeartete symmetrische Bilinearform auf dem $K$-Vektorraum $L$.
Sei $A$ ein Dedekindring, $K=\mathop{\rm Quot}\nolimits (A)$, sei $L/K$ eine endliche separable Körpererweiterung, und sei $B$ der ganze Abschluss von $A$ in $L$. Dann gilt für alle $b\in B$: $\mathop{\rm Tr}\nolimits _{L/K}(b)\in A$.
Sei $A$ ein Dedekindring, $K=\mathop{\rm Quot}\nolimits (A)$, sei $L/K$ eine endliche separable Körpererweiterung, und sei $B$ der ganze Abschluss von $A$ in $L$. Ist $\alpha _1, \dots , \alpha _n$ eine $K$-Basis von $L$ mit $\alpha _i\in B$ für alle $i$, und ist $d = \det (\mathop{\rm Tr}\nolimits _{L/K}(\alpha _i\alpha _j))$, so gilt
5.3 Zerlegung von Idealen in Primideale in Dedekindringen
[ AM ] Ch. 9, [ M2 ] §11, [ S ] Ch. 1.
Sei $A$ ein Dedekindring mit Quotientenkörper $K$.
Ein gebrochenes Ideal von $A$ ist ein von $0$ verschiedener endlich erzeugter $A$-Untermodul $\mathfrak a\subset K$.
Jedes Ideal $\ne 0$ von $A$ ist ein gebrochenes Ideal. Ist $x\in A$, $x\ne 0$, so ist $x^{-1}A$ ein gebrochenes Ideal von $A$.
Sei $\mathfrak a\subseteq A$ ein gebrochenes Ideal. Wir setzen
Dies ist wieder ein gebrochenes Ideal von $K$.
Für gebrochene Ideale $\mathfrak a$, $\mathfrak b$ von $A$ definieren wir ihr Produkt durch
d.h. als den von allen Produkten von Elementen aus $\mathfrak a$ und $\mathfrak b$ erzeugten $A$-Untermodul von $K$, vergleiche Definition 1.8. Für $n\ge 1$ definieren wir $\mathfrak a^n = \mathfrak a\cdot \cdots \cdot \mathfrak a$ ($n$ Faktoren), für $n < 0$ sei $\mathfrak a^n := (\mathfrak a^{-1})^{-n}$. Wir setzen $\mathfrak a^0 := (1)$.
Sei $A$ ein diskreter Bewertungsring mit maximalem Ideal $\mathfrak m$. Dann sind die gebrochenen Ideale von $A$ gerade die Untermoduln $\mathfrak m^d$, $d\in \mathbb Z$.
Seien $A$ ein Dedekindring. Seien $\mathfrak a$, $\mathfrak b$ gebrochene Ideale von $A$. Dann gilt:
Sei $\mathfrak p\in \mathop{\rm Spec}\nolimits A$. Wie üblich bezeichnen wir für jeden $A$-Modul $\mathfrak a$ mit $\mathfrak a_{\mathfrak p}$ die Lokalisierung bezüglich $S =A\setminus \mathfrak p$. Dann gilt
$(\mathfrak a + \mathfrak b)_{\mathfrak p} = \mathfrak a_{\mathfrak p} +\mathfrak b_{\mathfrak p}$,
$(\mathfrak a \mathfrak b)_{\mathfrak p} = \mathfrak a_{\mathfrak p} \cdot \mathfrak b_{\mathfrak p}$,
$(\mathfrak a^{-1})_{\mathfrak p} = (\mathfrak a_{\mathfrak p})^{-1}$.
Es gilt genau dann $\mathfrak a =\mathfrak b$, wenn für alle $\mathfrak p\in \mathop{\rm Spec}\nolimits A$ gilt: $\mathfrak a_{\mathfrak p} =\mathfrak b_{\mathfrak p}$.
Sei $A$ ein Dedekindring. Dann ist die Menge der gebrochenen Ideale von $A$ eine Gruppe bezüglich des soeben definierten Produkts. Das neutrale Element ist das Ideal $A$. Das Inverse eines gebrochenen Ideals $\mathfrak a$ ist $\mathfrak a^{-1}$. Insbesondere gilt $\mathfrak a\mathfrak a^{-1}=A$ und $(\mathfrak a^{-1})^{-1} = \mathfrak a$ für alle gebrochenen Ideale $\mathfrak a$.
Sei $A$ ein Dedekindring, und sei $\mathfrak a\subseteq A$ ein Ideal $\ne 0$. Dann existieren endlich viele paarweise verschiedene Primideale $\mathfrak p_1,\dots , \mathfrak p_r$ und natürliche Zahlen $n_i \ge 1$, so dass
Dabei ist $r$ eindeutig bestimmt, und die $\mathfrak p_i$ und $n_i$ sind eindeutig bestimmt bis auf die Reihenfolge.
Für das Einsideal ist die durch das Theorem gegebene Zerlegung das leere Produkt. Mit den Notationen des Theorems gilt: Die Primideale, in denen $\mathfrak a$ enthalten ist, sind genau $\mathfrak p_1, \dots , \mathfrak p_r$.
Man kann zeigen, dass jeder Integritätsring, der kein Körper ist, und in dem sich jedes Ideal $\ne 0$ als endliches Produkt von Primidealen schreiben lässt, ein Dedekindring ist, siehe [ M2 ] Theorem 11.6.
Der ganze Abschluss von $\mathbb Z$ in $\mathbb Q(\sqrt{-5})$ ist der Ring $A:=\mathbb Z[\sqrt{-5}]$. Der Ring $A$ ist also ein Dedekindring. Er ist allerdings nicht faktoriell, zum Beispiel sind
zwei verschiedene Zerlegungen von $6$ in Produkte irreduzibler Elemente. Die Ideale $(2)$, $(3)$, $(1-\sqrt{-5})$ und $(1+\sqrt{-5})$ sind keine Primideale. Die Ideale
\begin{align*} \mathfrak p_1 & = (2, 1+\sqrt{-5}),\\ \mathfrak p_2 & = (2, 1-\sqrt{-5}), \\ \mathfrak p_3 & = (3, 1+\sqrt{-5}),\\ \mathfrak p_4 & = (3, 1-\sqrt{-5}) \end{align*}sind Primideale und es gilt
und die obige Zerlegung erklärt sich als
- AM
M. Atiyah, I. Macdonald, Introduction to Commutative Algebra, Addison-Wesley
- Bo
S. Bosch, Algebra, Springer
- B
N. Bourbaki, Algèbre commutative, oder auf Englisch: Commutative Algebra, Ch. 1–10.
- E
D. Eisenbud, Commutative Algebra with a View towards Algebraic Geometry, Springer GTM
- GW
U. Görtz, T. Wedhorn, Algebraic Geometry I, Vieweg.
- M1
H. Matsumura, Commutative Algebra
- M2
H. Matsumura, Commutative Ring Theory, Cambridge University Press
- Mu
D. Mumford, The Red Book on Varieties and Schemes, Springer LNM 1358.
- N
J. Neukirch, Algebraische Zahlentheorie, Springer.
- S
J.-P. Serre, Corps locaux (oder auf Englisch: Local fields, Springer GTM)
- ZS
O. Zariski, P. Samuel, Commutative Algebra, Vol. I, Vol. II, Springer.