.. title: Berufsbezug des Mathematikstudiums
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.. date: 2021-02-28 17:27:04 UTC+01:00
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Regelmäßig wird in den Umfragen zu den (Anfänger-)Vorlesungen ein größerer
Berufsbezug gewünscht. In der Vorlesungsumfrage zur Linearen Algebra 1 (WS
2020/21) wurde die Frage "Ein Bezug zwischen Veranstaltungsinhalten und
Berufsfeld bzw. Anwendung wird hergestellt." mit der Durchschnittsnote 3,3
bewertet. Ich kann gut verstehen, dass man schon (und vielleicht besonders) in
den ersten Semestern darauf schaut, wohin die Reise beruflich nach dem Abschluss
des Studiums gehen kann und ob das Mathematikstudium überhaupt eine gute
Vorbereitung auf eine Berufstätigkeit ist. Zum Teil wird hier sicher auch eine
zusätzliche Unsicherheit "von außen" erzeugt, weil es so schwierig ist, die
Inhalte des Studiums Nicht-Mathematiker*innen zu erklären.
.. TEASER_END
Den konkreten Berufsbezug herzustellen, ist aus mehreren Gründen schwierig
(Und aus meiner Sicht ist das auch nicht die Aufgabe eines
Universitätsstudiums.)
* Natürlich gibt es nur wenige Berufe, in denen man die Determinante oder die
Eigenwerte einer Matrix ausrechnen muss (oder überhaupt wissen muss, was das
ist). Das macht es auch schwierig, von den mathematischen Inhalten einen ganz
*konkreten* Berufsbezug herzustellen.
* Es gibt *sehr viele* und *sehr verschiedene* Berufe, die man als
Mathematiker*in ergreifen kann. Zuerst einmal gibt es natürlich den
Unterschied zwischen Lehramtsstudium und Fachstudiengang. Aber auch wenn man
sich auf Absolventen mit Bachelor-/Master-Abschluss einschränkt: Mit
Mathematik kann man wirklich alles mögliche machen (siehe unten für einige
Beispiele).
Darum kann ich den Berufsbezug auch in einem Blogpost nicht mal eben im
Vorübergehen herstellen. Der Sinn dieses Artikels ist vielmehr, zu begründen,
dass das Mathematikstudium in hervorragender Weise auf das Berufsleben
vorbereitet und ausgezeichnete und sehr vielseitige berufliche Perspektiven
eröffnet.
Denn im Mathematikstudium werden viele Fertigkeiten eingeübt, die in jedem Beruf
nützlich und wichtig sind - in den Vorlesungen, den Seminaren, dem Verfassen der
Abschlussarbeiten ... Zum Beispiel:
* Schwierige Probleme systematisch zu analysieren, kreative Lösungen (unter
genau definierten Rahmenbedingungen) zu finden und Lösungen auf ihre Korrektheit
zu überprüfen.
* Komplexe Sachverhalte korrekt und sehr präzise darzustellen, sowohl
schriftlich als auch im Einzelgespräch und in Vorträgen vor einer Gruppe
* Fragen zu stellen
* Sich in neue Theorien selbständig einzuarbeiten
* Durchhaltevermögen
* (meistens) Englischkenntnisse - jedenfalls ist es häufig erforderlich,
mathematische Texte auf Englisch zu lesen; je nach weiterer Spezialisierung
hat man im Masterstudium vielleicht auch die Gelegenheit, selbst Vorträge auf
Englisch zu halten,
Je nach Spezialisierung werden auch Kompetenzen erworben, die eine "konkretere"
fachliche Natur haben (aber: diese Sachen kann man sich sonst auch nachträglich
noch aneignen) - zum Beispiel:
* Programmieren
* das Arbeiten mit Softwarepaketen aus Bereichen wie Numerik, Optimierung,
Statistik
* Methoden der Finanz-/Versicherungsmathematik
Gerade bei der ersten Liste kann man sicherlich die Frage stellen, ob es nicht
möglich ist, sich diese Fähigkeiten auf direkterem Wege als durch ein
Mathematikstudium anzueignen - vermutlich schon, auch wenn ich keine direkte
Empfehlung auf Lager habe. Sicher gilt aber: Ein Mathematikstudium empfehle ich
nur der/demjenigen, die sich für die mathematischen Inhalte interessiert. Dieses
Interesse muss sich nicht auf die gesamte Mathematik beziehen, und natürlich
sind auch einmal "Durststrecken" erlaubt, in denen sich das Studium etwas zäher
anfühlt. Wenn die Motivation "für die Mathematik" aber grundsätzlich vorhanden
ist, dann ist das Mathematikstudium eine wunderbare Gelegenheit, gleichzeitig
diesem Interesse nachzugehen und sich im Vorübergehen in Hinsicht auf die
genannten Punkte weiterzuentwickeln.
Um noch ein paar fassbare Belege anzufügen, was aus einem Mathematikstudium
werden kann, habe ich hier einige Links zu Unternehmen gesammelt, wo frühere
Studierende von mir oder Bekannte aus meinem eigenen Studium arbeiten oder
einmal gearbeitet haben.
Freie Wirtschaft
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Beratung
--------------------------
Im Bereich Unternehmensberatung (der auch selbst wieder vielfältig ist, zum
Beispiel gibt es Spezialisierungen nach Branchen, aber auch Unterschiede, ob es
mehr um allgemeine Unternehmensstrukturen, die konkrete Umsetzung von
IT-Projekten, ... geht) werden Mathematiker*innen gerne eingestellt.
`d-fine `__, `Deloitte `__, `tecRacer `__, `Accenture `__
IT
--------------------------
Der Sektor IT/Computer ist eine andere Möglichkeit, als Mathematiker*in zu
arbeiten. Da heutzutage jedes Unternehmen auf den Einsatz von Computern
angewiesen ist und immer mehr "vernetzt" wird, ist auch hier das Spektrum sehr
breit. Einige Beispiele:
Gesundheitssektor (`Genedata `__),
Künstliche Intelligenz, (`Comma Soft `__),
Security (`VMRay `__),
Geo-Informationssysteme (GIS) (`Thüga Erneuerbare Energien GmbH & Co. KG `__),
Raumfahrt (`SCIYSY Deutschland GmbH/CGI `__)
Versicherungen
--------------------------
Versicherungen sind seit jeher ein "Standard-Arbeitgeber" für
Mathematiker*innen, und bieten ungeachtet eventueller Vorurteile interessante
Tätigkeiten, die zum Teil auch mathematisch anspruchsvoll ist. In der Regel kann
man dort die Weiterbildung zur `Aktuar*in
`__ machen (und
lohnt es sich, das zu tun).
`Allianz `__,
`AXA `__,
`ERGO `__,
`Talanx `__
Öffentlicher Dienst
==========================
Im Bereich des öffentlichen Diensts bieten zum Beispiel die `BaFin
`__ und die Kultus-/Wissenschaftsministerien von Bund und
Ländern Arbeitsmöglichkeiten für Mathematiker*innen.
Schule
==========================
Der Bereich *Schule* ist natürlich anders gelagert, auch wenn die meisten der
oben genannten Kompetenzen auch hier wichtig sind - insbesondere das präzise
Formulieren und die Fähigkeit, zuverlässig richtig und falsch unterscheiden zu
können (und sich sicher zu sein, dass man sich auf das eigene Urteilsvermögen
verlassen kann).
Insofern bin ich davon überzeugt, dass es richtig ist, dass die
"Anfängervorlesungen" Lineare Algebra 1/2 und Analysis 1/2 auch Bestandteil des
Studiengangs Mathematik für Gymnasium/Gesamtschule/Berufskolleg sind und
gemeinsam mit den Studierenden der Bachelorstudiengänge gehört werden.
Im `Skript zur Linearen Algebra 1 `__
habe ich dazu schon etwas mehr geschrieben.
Weitere Quellen
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Die obige Liste ist natürlich keine fundierte Untersuchung zu den
Berufsaussichten für Mathematiker*innen. Diese Untersuchungen gibt es aber auch.
Daher zum Schluss einige Verweise auf Quellen, wo das Thema noch einmal
ausführlicher und/oder aus anderen Blickwinkeln betrachtet wird.
M. Dieter, G. Törner, *Zahlen rund um das Mathematikstudium, Teil 6: Der Arbeitsmarkt für Mathematiker*, Mitteilungen der DMV **17** (2009), 247-252, `PDF `__
I. Hilgert, J. Hilgert, *Mathematik - ein Reiseführer*, Springer Spektrum 2012, `doi.org/10.1007/978-3-8274-2932-2 `__, Kapitel 5
Was mich interessieren würde
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In welcher Form würden Sie sich einen größeren
Berufsbezug im Studium wünschen (oder hätten Sie ihn sich gewünscht)?
Schreiben Sie gerne einen Kommentare dazu, oder schreiben Sie mir direkt per
Email.